Wer macht die Drecksarbeit?

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Von Hans Hofmann-Reinecke

Warum „Operation Midnight Hammer“? Ist es nicht die Aufgabe der Internationalen Atombehörde (IAEA) die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern? Wurde sie diesem Auftrag im Iran nicht gerecht? Oder ist die IAEA ohnehin nur ein Papiertiger?

Freiwillige Kontrolle

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA, UdSSR und England im Besitz von Atombomben. Sie wollten jetzt auf jeden Fall verhindern, dass diese verheerende Waffe auch in die Hände anderer Staaten fiele, und so wurde 1957 unter dem Dach der Vereinten Nationen die IAEA gegründet. Gegenüber dieser Behörde sollen sich Staaten verpflichten, auf Entwicklung und Bau von Atomwaffen zu verzichten. Nach heutigem Stand haben 191 Staaten ein entsprechendes Abkommen, das NPT („Non Proliferation Treaty“) unterzeichnet.

Konnte die atomare Weiterverbreitung damit verhindert werden? 1957 gab es besagte drei Atommächte. Inzwischen sind sechs hinzugekommen: Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nord-Korea. Auch Südafrika hatte Bomben, aber nur bis 1991. Möglicherweise ist der Iran mittlerweile ebenfalls in diesem Club. Wie war das möglich?

Kein Land kann zur Unterzeichnung des erwähnten NPT gezwungen werden. Es bleibt dann außerhalb des Radars der IAEA – so etwa Israel. Aber auch Vertragsstaaten, die im NPT der Entwicklung von Atomwaffen abgeschworen haben, können, de facto, wenn auch nicht de jure, solche Aktivitäten in geheimen Anlagen verfolgen.

 

Ein Adler ohne Krallen

Die IAEA kann nicht in ein Land einmarschieren, um es nach nuklearen Anlagen zu durchkämmen. Sie ist also kein Papiertiger, seine „Safeguards“ Inspektoren sind Adler mit Scheuklappen, denen die Krallen gestutzt wurden, und die nur das sehen dürfen, was man ihnen freiwillig zeigt. Das ist so, als würde man dem Zöllner am Flughafen sagen, welchen Koffer er öffnen darf.

So war es im Irak und in Syrien. Beide Länder betrieben vor der IAEA verheimlichte Anlagen, obwohl sie das NPT unterzeichnet hatten. Was wurde dagegen getan? Israels Luftwaffe übernahm den Job und zerstörte auf eigene Faust die Installationen in Osirak (Irak, 1981) und Deir es Zor (Syrien, 2007). Um es mit Kanzler Merz auszudrücken: Schon damals machte Israel die „Drecksarbeit“.

Im Iran war die Situation folgendermaßen: Der Shah hatte 1970 das NPT ratifiziert. Nach der islamischen Revolution 1979 begannen aber heimliche nukleare Aktivitäten, die in das Projekt „Amad“ mündeten. Dieses zielte auf den Bau von fünf nuklearen Sprengköpfen Typ Hiroschima, passend für die ballistischen Shahab-3-Tägerraketen. Nach Hinweisen durch den israelischen Geheimdienst  nahm sich die IAEA der Sache an und tat das, was für solche Fälle im Protokoll vorgesehen ist: Sie informierte 2007 den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der nun über Maßnahmen gegen den Iran zu entscheiden hatte.

 

Milliarden in bar

Damals war George W. Bush amerikanischer Präsident. Die USA verhängten harte Reise- und Handelsbeschränkungen gegen den Iran, froren iranische Auslandskonten ein und schnitten Teheran vom internationalen Zahlungsverkehr ab. Das tat den Mullahs sehr weh, und als 2009 Barak Obama ins Weiße Haus einzog, taten sie alles, um sich dieser schmerzhaften Maßnahmen zu entledigen.  Mit viel Fanfaren und Fahnen wurde über mehrere Jahre der „Jount Comprehensive Plan of Action“ (JCPOA) erarbeitet und 2015 feierlich verabschiedet.

Verhandlungen führte die Gruppe „5+1“, bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland. Letzteres war vertreten durch den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, den Mann also, der den Mullas regelmäßig zum Jahrestag der islamischen Revolution Glückwünsche im Namen des deutschen Volks überbringt. Da musste alles ein gutes Ende haben. Die Sanktionen wurden aufgehoben, was insbesondere durch den Transfer von 1,6 Mrd. Dollar aus den USA in den Iran deutlich wurde – teils sogar in bar. Im Gegenzug wurden dem Iran moderate Beschränkungen in Sachen Bombenbau auferlegt, wenigstens bis zum „Sunset“ im Jahr 2031.

 

You Don‘t Mess With Donald

Im Januar 2017 wurde Donald Trump erstmalig US-Präsident, und gemäß dem eingespielten Auf und Ab der Maßnahmen gegen den Iran, im Rhythmus DEM / REP  ging es jetzt weiter. Als Republikaner würde Trump die Sanktionen wieder verschärfen und er zog die USA aus dem JCPOA zurück. Biden, der 2021 ins Amt kam, versuchte einen Wiedereinstieg, aber ohne Erfolg.

In diesen Jahren arbeitete der Iran unbeirrt weiter an seinem Bomben Programm, und Anfang 2025 gab Rafael Grossi,  der Generaldirektor der IAEA bekannt, der Iran hätte genügen Uran angereichert, um mehrere Bomben zu bauen.  Das triggerte nun die von Ben Gurion, dem ersten Premier Israels, vor 70 Jahren formulierte Doktrin:

„Israel muss bereit sein, jeden Feind anzugreifen, bevor er uns angreifen kann, auch wenn der zahlenmäßig überlegen ist. Unsere Sicherheit darf niemals von fremden Versprechen abhängen, sondern nur von unserer eigenen Stärke.“

Mitte Juni 2025 startete man die Offensive „Rising Lion“ mit massivstem Einsatz von Flugzeugen und Raketen über die Entfernung von ca. 1500 Kilometern. Ziele waren nicht nur die nuklearen Anlagen im Iran – Fordow, Natanz, Isfahan und Arak -, sondern auch strategische Ziele in Teheran mit hochkarätigen Wissenschaftlern, Technikern und Militärs. In der Folge gab es Vergeltungsschläge des Iran mit ballistischen und möglicherweise Hyperschall Raketen. Israel war gegen diese Angriffe anfangs durch seine Abwehrsysteme wie „Iron Dome“ und „David’s Sling“ gut geschützt, doch bei diesen massiven Angriffe drohte die Munition für die Verteidigung knapp zu werden.

Das wäre der Moment gewesen, in dem Deutschland zu Merkels Vermächtnis hätte stehen können:

„Die historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das bedeutet: Die Sicherheit Israels ist für mich niemals verhandelbar.“

Nachdem Herr Steinmeier schon bei den JCPOA Verhandlungen zeigte, dass ihm diese Aussage fremd war, musste Israel auf einen verlässlicheren, wenn auch weiter entfernten Partner hoffen. Und der hatte inzwischen nicht nur wieder einen republikanischen Präsidenten, sondern einen, der sein Wort hielt. Und so entlud sich am 21./22. Juni ein nie da gewesenes Gewitter über dem Iran. Die US-Militärs hatten mit dem „Midnight Hammer“ auf die nuklearen Brutstätten des Landes eingeschlagen.

 

Die IAEA: Zahnlos und unschuldig?

Warum konnte dieser über zwei Jahrzehnte eskalierende Konflikt um angereichertes Uran nicht in einer früheren Phase entschärft werden? Wäre nicht genau das die Aufgabe der IAEA gewesen? Nein! Die Behörde hat ja keinerlei exekutive Gewalt, sie kann Missstände nur melden. Die Welt ist darauf angewiesen, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dann die richtigen Maßnahmen einleitet. Hat er das getan? Nein. Die JCPOA-Initiative war genau das Falsche.

Letztlich sind es rohe Gewalt und strategische Allianzen zwischen Regierungen – etwa USA/Israel – die darüber entscheiden, wer die Bombe hat und wer nicht. Die IAEA ist ein gut bezahlter Zuschauer.

 

Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.

 



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