Was die Parteien auseinander treibt

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Von Gastautorin Annette Heinisch

Man kann derzeit den Zentrifugalkräften beim Beschleunigen praktisch zusehen. In Deutschland wurden sie erstmals sichtbar mit der Gründung der AfD im Februar 2013. Schon zu diesem Zeitpunkt fühlten sich viele CDU/CSU – Mitglieder und Wähler zunehmend von ihrer Partei verlassen. Der rechtlich und fachlich fragwürdige Umgang mit der Euro – Krise brachte dann das Fass zum Überlaufen. So manches FDP – Mitglied verschwand ebenfalls in Richtung AfD, nachdem die FDP die historische Chance verspielte, die durchaus honorigen Kritiker der sogenannten Rettungspolitik, die nichts rettete, aufzufangen.

Die bürgerlichen Parteien reagierten nicht zuletzt deshalb so aggressiv allergisch auf die AfD, weil diese der lebende Beweis ihres Versagens ist. Das schmerzt natürlich ungemein. Um das eigene Selbstbild wieder gerade zu rücken, wurden die Abtrünnigen verteufelt. Dass dies zur Spaltung führte, war eine logisch zwingende Konsequenz, aber den Verantwortlichen offenkundig gleichgültig. Wie sagt der Volksmund: „Das Hemd sitzt einem näher als der Rock.“

Fachlich auf schwachen Füßen stehend, nutzen die bürgerlichen Parteien dann die üblicher Weise in einem anderen politischen Spektrum anzutreffende Methode der Diffamierung des Gegners. Gleichgültig, in welchen grundlegenden Politikbereichen andere Meinungen vertreten wurden, der sachliche Diskurs, der die Schwäche eigener Positionen verdeutlicht hätte, wurde durch persönliche Diskreditierung und Ausgrenzung des Gegners umschifft.

Gerade wenn und weil die sachliche Auseinandersetzung mit Kritik aber fehlt, ist eine Verbesserung nicht möglich. Damit tendiert die Lernfähigkeit gegen Null, es wird unbeirrbar weiter verfahren wie zuvor. Die Unbeirrbarkeit und Unbelehrbarkeit auch bei Verhaltensweisen, die sich als erkennbar falsch herausgestellt haben, ist mittlerweile ein Markenzeichen der herrschenden politischen Klasse, welches durch die nur punktuelle Kritik einer ansonsten jubelnden Medienlandschaft verstärkt wird. Es ist ein Teufelskreis ohne Entrinnen.

Der Dammbruch, die Diffamierung und damit Unterdrückung des politischen Gegners als Ersatz für einen auf Argumenten beruhenden Diskurs zu nutzen, verstärkte die Spaltung der Gesellschaft. Das gilt bekanntlich nicht nur für Deutschland, wir sind derzeit noch nicht einmal am Stärksten betroffen, aber dennoch auf dem besten Weg zum Punkt ohne Wiederkehr, an dem nur noch die Sprache der Gewalt spricht. Physiker an der Macht sollten das Wechselwirkungsprinzip des actio gleich reactio kennen. Je mehr Kräfte unterdrückt werden, desto stärker werden die Gegenkräfte.

Nahezu alle westlichen Gesellschaften erleben dieses Phänomen. Die Politik hat auf die Anforderungen der neuen Zeit keine Antwort, was sie unter reaktionären Verhaltensmustern verbirgt. Das überholte Links – Rechts Schema wird in Endlos – Schleife abgespielt, überall wimmelt es von Nazis, Rassisten und Sexisten: alle anderen hassen und hetzen, nur die Machthabenden sind erfüllt von der Milch der frommen Denkungsart. Dieses Ablenkungsmanöver verbirgt, dass die Regierenden zwar von Transformation reden, aber keiner wirklich genau weiß, wohin, geschweige denn wie. Zurück in die Steinzeit ist nicht jedermanns Sache.

Die Zentrifugalkräfte zeigten sich sehr deutlich beim Brexit, weiterer Höhepunkt ist der Umgang mit der Corona – Krise. Wieder werden alle Kritiker der Maßnahmen pauschal als Idioten oder Schlimmeres gebrandmarkt. Immer deutlicher treten die enormen Schäden der Corona – Maßnahmen zu Tage, immer deutlicher wird aber auch deren Wirkungslosigkeit. Gerade diejenigen, die sich ernsthaft um die Gefährdung der besonders schutzwürdigen Gruppen in der Bevölkerung sorgen, fühlen sich mehr als veralbert, wenn man sie dann auch noch als schlechte Menschen beschimpft. Da mittlerweile jede wissenschaftliche Grundlage der Lockdown – Maßnahmen verloren gegangen ist, nachdem erwiesen ist, dass damit keine wesentliche Reduktion des Infektionsgeschehens verbunden ist bzw. diese manchmal sogar kontraproduktiv wirken,

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/eci.13484,

wird sich der derzeitige Machtrausch der Politik möglicher Weise bald rächen.

Denn während die meisten Medien und die sonstige Berliner Blase auf die CDU und deren kommenden Parteitag schauen, hoffend, dass der neue Parteivorsitzende, wer immer es sein wird, „Versöhnung“ oder „Heilung“ bringt – eine völlig unrealistische Erwartung  – hat sich unser demokratisches System als funktionsfähig erwiesen. Still und leise hat sich nämlich wieder eine neue Partei gegründet: „dieBasis“, in der Langform heißt sie Basisdemokratische Partei Deutschlands. Sie  nennt vier tragende Säulen ihrer Politik: Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz. https://diebasis-partei.de/aktuelles/

Mitglieder sind zum Beispiel der durch die Klagen gegen die Corona – Maßnahmen bekannte Rechtsanwalt Dr. Reiner Fuellmich aus Göttingen sowie der Jurist Prof. Dr. Martin Schwab, Uni Bielefeld. Anlass der Gründung waren die freiheitsbeschränkenden Corona – Maßnahmen, aber die Anliegen der Partei gehen darüber deutlich hinaus. So wird Prof. Schwab mit den Worten zitiert: „Die größte Gefahr für die Demokratie ist die Allianz von Macht und Geld.“ Wer wollte das bestreiten, Davos lässt grüßen.

Es gibt mittlerweile in allen Bundesländern Landesverbände; abzuwarten bleibt, welchen Erfolg diese Partei bei den Bundestagswahlen, bei denen sie antreten will, wohl haben wird. Genügend Bürger, zu deren Lasten die Corona – Maßnahmen gingen, gibt es zweifellos, so dass die 5 % – Hürde möglicher Weise nicht das allergrößte Hindernis darstellt. Zudem fühlen sich viele Bürger von dem derzeitigen unrühmlichen Politikstil des Verunglimpfens Andersdenkender abgestoßen, sie wollen eine grundlegende Änderung im Sinne eines respektvollen Miteinanders. Auch dieses kann man ihnen kaum verdenken. Jedenfalls ist es eine Partei, die nicht so einfach in die üblichen Schubladen gesteckt werden kann.

So nehmen die Zentrifugalkräfte weiter zu. Der Traum von einer viele Flügel verbindenden Volkspartei scheint mittel – bis langfristig ausgeträumt. Selbst wenn die CDU/CSU bei der Bundestagswahl die mit Abstand stärkste Kraft werden sollte, so bleibt als Ergebnis der Amtszeit Angela Merkels, dass durch die Art ihres Regierens die Spaltung des Landes befördert wurde und ihre Hinterlassenschaft nicht nur in gesellschaftlicher, sondern auch wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht desaströs ist. Die Menschen, die die Lasten der Politik der CDU/CSU geführten Regierungen unter Merkel schultern und einen Neuaufbau starten müssen, nachdem die Substanz weitgehend aufgebraucht wurde, werden so schnell nicht mehr zu dieser Partei zurückkehren. Insoweit mag der Punkt ohne Wiederkehr zumindest für die CDU bereits überschritten sein. Hoffentlich gilt das noch nicht für unser Land.

 



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