Auch das noch: Ergebenheitsadresse an die Partei- und Staatsführung!

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Nachdem Ministerpräsident Michael Kretschmer am vergangenen Wochenende vor seiner Haustür Kritikern seiner Corona-Politik zwanzig Minuten Rede und Antwort gestanden und dabei keine schlechte Figur gemacht hat, wird nun, was für die Politik ein Plus hätte werden können, durch völlig überzogene Gegenpropaganda ins Gegenteil verkehrt. Nicht nur, dass sich Politiker verschiedener Parteien echauffiert haben, dass die Bürger, die sie vertreten sollen, so hautnah Rechenschaft verlangten, satt sich damit zu begnügen, dass ihre Proteste ungehört verhallen oder besser gesagt, gelöscht werden. Nun gibt es auch noch eine Ergebenheitsadresse von Bürgern aus Kretschmers Heimatgemeinde, die peinlich an überwunden geglaubte Zeiten erinnert.

Der Brief beginnt mit dem Ausdruck eines fatalen Demokratieverständnisses:

„…mit zunehmendem Unverständnis und in großer Ablehnung stehen wir den Äußerungen und Aktionen der Coronaleugner, Querdenker und anderen Kritikern der staatlichen Regeln zur Eindämmung der Pandemie gegenüber. Wir können und wollen nicht mehr schweigend hinnehmen, wie Bürger des Landes Sachsen, aus unserer Sicht eine Minderheit, sich lautstark Gehör verschaffen mit immer neuen verbalen Attacken, Demonstrationen und anderen Unternehmungen“.

Es geht den empörten Mitbürgern Kretschmers also nicht um die Anlehnung einer Aktion, die übrigens, so weit ich das gesehen habe, überaus friedlich war und keiner Kretschmer zu nahekam, oder Eier geworfen hat, wie es Helmut Kohl in Halle geschah, sondern um die Verdammung jeglicher Kritik an den Maßnahmen der Politik.

Dann fahren sie fort: „Es ist gut in einem Land zu leben, in dem der Schutz und die Erhaltung des Lebens oberste Priorität haben und auch die betagten Bürger geschützt werden, deren Lebensleistung ein wesentlicher Grund für unseren heutigen Wohlstand ist. Wir begrüßen Ihr Bemühen, die Lage in den medizinischen Einrichtungen und Krankenhäusern beherrschbar zu halten“.

Damit wird allen Kritikern indirekt unterstellt, sie wären gegen den Schutz des Lebens. Allerdings hätten sich die Briefeschreiber fragen können, warum die Politik, also auch Kretschmer, über ein halbes Jahr lang so gut wie nichts für den Schutz der besonders betroffenen Alters- und Pflegeheime getan haben und warum stattdessen die Grundlagen unseres heutigen Wohlstandes gefährdet werden durch Lockdown-Maßnahmen, deren Unwirksamkeit mit jedem Tag offensichtlicher wird. Und was ist mit denen, die in der Corona-Krise nicht die notwendige medizinische Behandlung bekommen, weil Intensiv-Betten für Corona-Patienten frei zu halten für die Kliniken lukrativer ist, als sie mit Krebspatienten zu belegen? Was ist mit den 20 geschlossenen Krankenhäusern im letzten Jahr?  Gehört das nach Meinung der Briefeschreiber zu dem Bemühen, die medizinische Lage beherrschbar zu halten?

Ihnen sei bewusst, so die Briefeschreiber, dass „nicht alle Maßnahmen und Entscheidungen richtig sein können“. Warum wollen sie dann jegliche Kritik daran unterbinden?

„Wir schätzen es, dass Politiker sich von Wissenschaftlern beraten lassen und ihre Entscheidungen in Absprache mit ihnen treffen und dann an ihnen festhalten“, heißt es weiter. Damit wird bejubelt, dass die Beratung mit Wissenschaftlern höchst einseitig ist, weil nur die Stimmen gehört werden, die ins politische Konzept passen. Gut finden diese Bürger, dass an den Maßnahmen festgehalten wird, statt ihre ständige kritische Überprüfung zu fordern, besonders, wenn sie fatale Konsequenzen für die wirtschaftliche Existenz von Hunderttausenden haben. So reagieren Untertanen, keine Bürger.

Am Ende wird es putzig:

„Wir hoffen sehr, dass diese Krankheit uns Sachsen und die ganze Bevölkerung unseres Landes nicht spaltet und der innere Frieden verloren geht. Wir wünschen uns einen sachlichen und offenen Umgang mit allen Bürgern“.

Nicht die Krankheit spaltet Sachsen und das Land, sondern der politische Umgang mit ihr. Und wer bitte sind „alle Bürger“, wenn man zu Beginn des Schreibens alle Kritiker aus der Gemeinschaft der Anständigen ausgeschlossen hat? Sollen die ab in die Psychiatrie, wie es im Frühjahr in Sachsen bereits geplant war?

Zur Erinnerung: In Sachsen wurde geplant, dass jene, die sich den Corona- Quarantäne-Anordnungen widersetzen, notfalls in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht werden können. Über das Vorhaben hatte der MDR berichtet.

Unter Berufung auf das Sozialministerium meldete der Sender, dass Quarantäne-Verweigerer in vier psychiatrischen Krankenhäusern weggesperrt werden könnten. Es waren insgesamt 22 Zimmer freigeräumt worden, in den Kliniken Altscherbitz, Arnsdorf, Großschweidnitz und Rodewisch. Nur wegen heftiger Proteste wurden diese Pläne auf Eis gelegt. Es ist keineswegs sicher, dass sie nicht wieder aus der Schublade geholt werden könnten. Solche Ergebenheitsadressen, wie die hier zitierte, die in sächsischen Zeitungen hoch gelobt wurde, könnten den Weg dafür bereiten.



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