Seit der Ukraine-Konflikt die Schlagzeilen beherrscht, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Russland eine Autokratie ist, in der Oligarchen und die Mafia herrschen. Dagegen soll die Ukraine als lupenreine Demokratie erscheinen. Aber ist sie das? Der Schriftsteller Andrej Kurkow, 60, zeichnet mit seinem Weltbestseller „Picknick auf dem Eis“ ein bedrückendes, aber realistisches Bild seiner Wahlheimat. Wie unbekannt die Ukraine wirklich ist, kann man dem Umschlag der Taschenbuch-Ausgabe des Romans von Diogenes nachlesen. Da wird Thomas Grob von der NZZ zitiert mit: „Kurkows Buch beweist, dass man auch in Russland wieder frische Geschichten erzählen darf…“ Kiew ist aber die Hauptstadt der Ukraine, wo Kurkow, 60, seit seiner frühesten Kindheit lebt. Seit der Auflösung der Sowjetunion ist die Ukraine ein eigenständiger Staat, zwar benachbart, aber unabhängig von Russland. Und was die „frischen“ Geschichten betrifft, so haben die es in sich.
Viktor, ein phantasiebegabter, aber erfolgloser Schriftsteller lebt einsam im Kiew der Neureichen und Mafiosos der 90er Jahre. Sein einziger Bezug ist ein Pinguin, den er aus dem Zoo mitgenommen hat, als die Kiewer aufgerufen wurden, sich der Tiere anzunehmen, die nicht mehr gefüttert werden konnten. Als Victor vom Chefredakteur der größten Kiewer Zeitung den Auftrag erhält, Nachrufe auf noch lebende Personen zu verfassen, nimmt er mit Freuden an. Schließlich wird er dafür in Dollar bezahlt, die Währung, die in der Ukraine wirklich zählt. Als ein Politiker, für den er eine Gedenkrede verfasst hatte, auf mysteriöse Weise stirbt, kurz darauf seine Geliebte, eine Opernsängerin, wird Viktor nicht stutzig. „Picknick auf dem Eis – Innenansichten eines Clan-Staates“ weiterlesen