von Philipp Lengsfeld
Dies ist eine Buchrezension. Und dies ist eine politische Diskussion: Thema ist Eugen Ruges Roman, Politglosse „Pompeij“, ein wirklich gutes, unterhaltsames, lesens- und empfehlenswertes Buch. Und es hat mich zum Nachdenken und Disputieren animiert! Ich habe „Pompeji“ übrigens in Form eines vom Autor handsignierten Taschenbuchs ziemlich zügig nach einer sehr netten Lesung in Berlin-Zehlendorf durchgeschmöckert.
Zunächst kurz zum Inhalt: Der Roman spielt in der berühmten titelgebenden Stadt kurz vor dem legendären Vulkanausbruch und dem drauf folgenden Untergang derselbigen – ein moderner Mythos, ähnlich wie der Untergang der Titanic.
Ruges Pompeji-Variation ist dabei ein wirklich schönes, eigenständiges, kleines Werk, dessen starke Bezüge aber auch überdeutlich sind. Oder zumindest für mich sehr deutlich waren, da ich die aus meiner Sicht umfangreich zitierten, bzw. als Inspirationsquell genutzten Romane von Robert Harris („Pompeji“) (dessen Zeitgeist-Krimi aus meiner Sicht die Kernblaupause war), aber auch den monumentalen Dreiteiler über die Zeit der Vespasianer, die Josephus-Triologie, von Lion Feuchtwanger (dessen politisch-philosophische Charakterisierungen bei Ruge nach meinem Eindruck auch stark genutzt wurden) beide auch gelesen habe. Auf Feuchtwanger bezieht sich meines Erachtens nach auch der Name des Rugeschen Haupthelden, Jowne, alias Josephus, alias Josse (oder hatte das der Autor sogar in der Lesung erwähnt? – ich bin nicht sicher).
Ruge nutzt das Endzeitsetting von Pompeji („spätrömische Dekadenz“ ist ja auch ein geflügeltes Wort) für eine sehr plastische Beschreibung einer politischen Erweckung, gefolgt von einer politischen Korruption und Pervertierung.
Der Hauptheld Josse, ein begabter, aber bettelarmer Jugendlicher, der mit seiner Clique ziemlich viel Zeit totschlägt, erhält mehr oder weniger zufällig die Gelegenheit seines Lebens: Beim gatecrashing einer obskuren philosophisch-politischen Vereinsrunde (mit Frauen!) wird er Zeuge einer brillanten (und absolut punktgenauen) Analysewarnung: Pompeji befindet sich an einem aktiven Vulkan, der vermutlich ziemlich kurz vor dem Ausbruch steht. Unser Hauptheld entdeckt seine Volkstribunqualitäten und bringt die wissenschaftlich-technische Analyse auf den richtigen Kern: Die Stadt muss geräumt und verlagert werden! Und diese Botschaft muss nicht nur in dem Polit-Philosophen-Disput-Zirkel durchdringen, sondern auch in einer Gesellschaft, wo ein geschickter Priesterscharlatan der Öffentlichkeit gerne manipulierte Prophezeiungen mit „heiligen“ Hühnern macht – seine konditionierten Hühner verkünden das, was der Priester vorab als die Botschaft erkannt hat, die die Empfänger gerne hören wollen.
Eugen Ruge erzählt den Aufstieg und die Umpolung des Haupthelden – er mobilisiert erst sehr erfolgreich eine Bewegung zum Bau einer neuen Stadt am sicheren Ort und wird dann aber korrumpiert und verführt durch die Macht, hier in Gestalt einer sehr manipulativen, effektiven, wohlhabenden und auch durchaus sehr attraktiven, reiferen Frau, dessen Geliebter er wird. Die Macht hat keine Lust auf die Veränderung und kümmert sich dementsprechend: Josse wechselt die Überzeugung und die Seiten und bekämpft, erst verdeckt, am Ende offen, die von ihm zunächst zu Recht überzeugten und angeführten Reformer und Veränderer.
Der Showdown ist der Wahlkampf um die Position des Stadtoberhaupts, den Posten, den der Ehemann der Macht innehatte, der aber von selbiger abgesetzt und aus Amt und Haus gejagt wurde (der dadurch aber die reinbrechende Katastrophe überlebt).
Unser Hauptheld Josse ist mittlerweile zu einem skrupellosen Populisten-Verbrecher mutiert und dabei das Volk gegen die von ihm in Bewegung gesetzten Erneuerer aufzuwiegeln (damit die Machtstellung seiner Geliebten nicht gefährdet wird und er ein Wahlkampfgewinnerthema hat): Jedoch macht die Natur dem Spektakel einen Strich durch die Mob-Mafia-Rechnung: Der Vulkan bricht aus und unser Held verpasst sogar seinen Sprung ins Rettungsboot der Macht, da er plötzlich seinen eigenen Umlügungen verfallen ist. So stirbt er in dem Haus, in das er von der Macht reingeholt wurde – interessanterweise lässt Ruge die Macht entkommen.
Eugen Ruge will aber mit dem Roman ganz offenbar mehr, er hat eine politische Botschaft: Die Idee startet mit der Situation, wie sie (vermutlich) wirklich gewesen sein könnte: Der Ausbruch des Vesuvs war nicht nur vorhersehbar, sondern wurde ja im Buch auch tatsächlich klar vorhergesagt – damit war das Schicksal Pompejis vermeidbar.
Eugen Ruge, das wurde auch bei der Lesung deutlich, sieht in seinem Pompeji-set-up offenbar als eine Art Blaupause für die sogenannte Klimakrise. Und es hat ja -vor mittlerweile auch schon wieder einigen Jahren- eine nicht ganz unähnliche Analogie gegeben, wo die vermeintliche CO2-Klimawandel-Weltkatastrophe in dem Hollywoodfilm „Don’t look up“ als ein Meteorit versinnbildlicht wurde, der auf die Erde zurast.
Ich halte beide Analogien, ob Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag, für, gelinde gesagt, an den Haaren herbeigezogen. Trotzdem teile ich die Ruge-Pompeji-These, nämlich dass die Wirkungen eines Vulkanausbruchs (oder natürlich heutzutage eines Meteoriteneinschlags) analysiert werden können, die Warnzeichen gedeutet werden können und dass Vermeidungsstrategien möglich sind, wenn man die Warnzeichen ernst nimmt. Also letztlich die ursprüngliche Strategie von Josse.
Aber das ist der fundamentale Unterschied zur momentan ausgerufenen, herbeimodellierten Klimakatastrophe: Die postulierten Gefahren des vermeintlich menschgemachten globalen CO2-Anstiegs haben aus meiner Sicht im Grunde wirklich nichts mit einem Vulkanausbruch oder einen Meteoriteneinschlag zu tun. Im Gegenteil, ich halte mittlerweile die gesamte Kipppunkte-Höllensommer-Weltuntergangs-Angstmache-Modelliererei für vollkommen überzogen – ähnlicher eher einer Scharlatan-Priester-Hühner-Prophezeiung, als einer grundsoliden wissenschaftlichen Analyse der bestehenden Daten, Erklärungsmodelle und deren Modellannahmen, wie sie von dem Vulkanspezialisten und Bergfachmann in Pompeji präsentiert wurde (vielleicht würde das sogar in einem echten Vergleich zu einem Vulkanausbruchsszenario ziemlich deutlich werden können).
Eugen Ruge sieht dagegen vermutlich die Weltuntergangsszenarien des Club of Rome, die in Form von CO2-Untergang noch mal eine wirklich gruselige Renaissance erlebt haben, offenbar als wirklich reale, akute, genau kalkulierbare Gefahr. Und er hat vermutlich Angst davor, dass „die Welt“ eine falsche Strategie verfolgt. In „Pompeji“ wendet sich jedenfalls der Hauptheld Josse von der richtigen Strategie und Analyse (Neubau der Stadt an sicherem Ort) hin zu einer „Strategie“, die Ruge im Roman als „Anpassung an den Vulkan“ beschreibt (und damit meines Erachtens nach in der Jetztzeit medial denunziert) und die letztlich darauf hinausläuft, dass man eigentlich nichts macht (außen dem Gott Vulkan und seinem neu Hohepriester, dem Hühnerscharlatan zu opfern). Und das ist meines Erachtens nach auch die intendierte Botschaft: Anpassung ist der momentan vieldiskutierte Umgang mit den Szenarien der CO2-Modellierungen. Eugen Ruge will davor vermutlich warnen, weil er denkt, dass dies einem Nichtstun in dem vom ihm beschriebenen Katastrophenszenario ähnelt.
Ursprünglich wollte ich gegen diese Interpretation anargumentieren, aber beim Niederschreiben kamen mir Zweifel: Denn was ist der echte politische Subtext von Ruges Werk? Bin ich vielleicht zunächst durch die Lesung und die begleitenden Äußerungen des Autors auf Abwege gekommen?
Denn eigentlich ist das doch offensichtlich: Anpassung ist mit großer Sicherheit nach die richtige Strategie, nicht nur für das momentan in aller Munde befindliche CO2-Erwärmungs-Modellierungs-Szenario, sondern auch auch für den Fall des Lebens in der Nähe eines aktiven Vulkans. Denn was ist die geordnete Verlagerung der Stadt vom Vulkan weg anderes als eine große Anpassungsmaßnahme? Gleiches gilt für echte Anpassungsmaßnahmen für die Horrorprojektionen des CO2-Weltuntergangs. Wetter- und Klimaanpassung und gezielter Katastrophenschutz (Stichwort Meeresspiegel, Stichwort Starkregen, Hochwasser usw.) sind doch Selbstverständlichkeiten in einer modernen Gesellschaft auf einem Planeten, dessen Bevölkerung weiterhin wächst und deshalb unter vielen verschiedenen klimatischen Bedingungen leben muss, aber eben auch kann. Um es mal knallhart auszusprechen: Einen lokalen Meeresanstieg kann man monitoren, vorberechnen und vorbeugen. Und die Ahrtalkatastrophe hatte nichts mit CO2, aber sehr viel mit dysfunktionalem deutschen Katastrophenschutz zu tun.
Probleme mit „Klima“ gibt erst dann wirklich, wenn die Bevölkerung und die Eliten sich in Angst-und-Schuldszenarien baden und „die Wissenschaft“ Angst-Titelzeilen-Modellierungen so konditioniert, wie der Scharlatan-Priester seine heiligen Hühner.
Beim zweiten Nachdenken scheint es mir eher: Wahrscheinlich ist das Werk viel größer als die momentanen politischen Äußerungen und politischen Vorlieben seines Autors:
Das Ruge Josse mit seiner Abkehr von echter Anpassung grandios scheitern lässt ist eigentlich letztlich konsequent zu Ende gedacht.
Und die wirkliche politische Botschaft des Buches: Hört bei echten technisch-wissenschaftlichen Warnungen genau hin (das gilt für unser Land heute konkret für Starkwetterereignisse, aber übrigens auch für die Stabilität des Stromnetzes, eine völlig unterschätzte, wirkliche, akute Gefahr) und lasst Euch nicht von der Macht davon abbringen eine als richtig erkannte Politik zu verfolgen, auch gegen Widerstände und Intrigen. Und seid wachsam vor Hühner-Angst-Botschaften jeglicher Art, da es sich natürlich um manipulierte Propagandabotschaften handelt.
Und auch das sagt Ruge: Wer dies nicht tut und sich letztlich von der Macht dazu verführen lässt, seine Prinzipien oder auch nur seine Erkenntnisse zu verraten, erlebt zwar kurzzeitig die vermeintliche Erfüllung seiner Träume, stirbt aber letztlich einen ruhmlosen Tod in Schande: Ich bin froh, dass mir durch das Schreiben dieser Rezension diese wichtige und richtige Botschaft im Werk von Eugen Ruge doch noch mal deutlich geworden ist.
Lesen Sie Pompeji von Eugen Ruge und urteilen Sie selber!
Und verlieren Sie niemals die gesunde Skepsis gegenüber Angst-Schuld-Prophezeiungen von Heiligen Hühnerhalter-Scharlatanen jeder Art, posieren sie als Priester oder als Wissenschaftler.