Spätestens seit der Premiere von „Humpback Runner““ und „Der Feuervogel“ ist klar, dass das Theater Nordhausen nicht nur über ausgezeichnete Sänger und ein gutes Orchester, sondern auch über eine exzellente Ballett-Compagnie verfügt, die zu Höchstleistungen fähig ist.
Um ehrlich zu sein, ich war skeptisch. Wie sich herausstellen sollte, war es der Skeptizismus einer Ignorantin. Für mich gab es im Ballett bisher nur „Schwanensee“, „Nussknacker“ und die Leningrader Symphonie von Schostakowitsch, die ich als Ballett im St. Petersburger Mariinski-Theater gesehen habe.
Das Theater Nordhausen hat in den 90er Jahren auch einmal „Schwanensee“ auf die Bühne gebracht, in der Choreografie eines brasilianischen Freundes des damaligen Intendanten. Die Schwäne stampften über die Bühne, als müssten sie Trauben zu Wein verarbeiten und wedelten dabei mit den Armen, dass es mich und andere Zuschauer förmlich aus dem Theater trieb. Seitdem habe ich das heimische Ballett gemieden. Ein Fehler, der mich seit 2016 etliche gefeierte Vorstellungen verpassen ließ.
Der Abend begann mit „Humpback Runner“, ein Stück, das der tschechische Choreograf Jiří Pokorný für das Nederlands Dance Theatre in Den Haag entwickelt hatte. Anlass war der 500. Todestag des rätselhaften Malers Hieronymus Bosch, dessen symbolträchtige Bilder als Choreografien auf die Bühne gebracht wurden.
Auch, wer nicht wusste, was der Hintergrund dieses Balletts war, wurde von Anfang an förmlich in das Stück hineingezogen. Es begann mit Marschschritten. Die Tänzer bewegten sich im Rhythmus dieses Gleichschritts, der in die gleichgeschaltete Gesellschaft zu führen schien. In der Folge wurden auf höchstem tänzerischen Niveau die Konsequenzen solcher Gleichförmigkeit dargestellt. Die Tänzer verschmolzen zu einem Vielarmigen und Vielbeinigen Ganzen in Schwarz-Weiß. Es waren 30 Minuten vollkommener ästhetischer Genuss.
In der Pause überlegte ich, ob ich gehen sollte, denn es würde schwer sein, dieses Niveau zu halten.
Ich wurde eines Besseren belehrt. „Die Nordthüringer Provinz ist Spitze! Wenigstens beim Ballett“ weiterlesen