Widerständig? Ich wäre lieber mutig!

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Der hellsichtige Analytiker des Zeitgeistes, der Schweizer Volker Mohr hat sein vierzehntes Buch im Loco-Verlag veröffentlicht. „Der verlorene Himmel“ ist ein Bändchen mit Kurzgeschichten, die es in sich haben.

Im Prolog fragt ein alter einen jungen Mann, ob er etwas suche und ob er helfen könne. Nach anfänglicher Abwehr nimmt der junge Mann den Rat des Alten an. Menschen, die privat und beruflich Ziele formulieren, klammern das Zufällige aus. Sie sitzen in einem Zug, der nur an bestimmten Stellen hält. Sie können nicht spontan die Richtung ändern. Der Junge solle nach den geheimen Orten Ausschau halten, dort, wo die Stadt lebt.

„Dabei musst du auf die Bilder achten, nicht auf die Zeichen, die Auf den Bildschirmen und den Plakaten zu sehen sind, sondern auf die versteckten Bilder, auf jene, die man für gewöhnlich nicht beachtet.

In seiner ersten Geschichte, der Schatten, geht Alfred Kruger auf die Suche nach den verdeckten Bildern hinter den Zeichen. Er findet eines Morgens sein Margaritenrondell zum Teil zerstört. Die Blumen wurden kurz über dem Boden abgeschnitten. Kurz darauf passiert das Gleiche bei seinem Nachbarn. Alle Blumenbeete seines Gartens und auch die Sträucher waren zerstört. Den Nachbarn störte es nicht weiter, er wolle sowieso einen Steingarten anlegen. Kruger sieht in den Vorgärten die Rasenroboter rotieren. Es ist ihm etwas unbehaglich, aber erst, als eine Frau ihm erzählt, dass in ihrem Viertel nur noch Steingärten existieren, weil die Rasenroboter alle Pflanzen zerstören würden, sieht er die Bilder hinter dem Zeichen. Die Rasenroboter ziehen in Rudeln los und häckseln alles, was ihnen im Wege steht. Da „wusste Kruger, dass er hier nichts mehr verloren hatte“. Mit dieser Geschichte warnt Mohr vor der dunklen Seite der künstlichen Intelligenz.

In der Erzählung „der verlorene Himmel“ taucht ein Engel unvermutet in einem Kaufhaus auf. Alle, die ihn sehen, wissen, dass es sich um einen Engel handelt. Mindestens einer meldet das der Polizei. Ein Kleinwüchsiger, früher hätten wir gesagt Zwerg, ahnt das Unheil und er versucht, den Engel in seiner Wohnung in Sicherheit zu bringen, ohne Erfolg.

Die Polizei rückt mit Blaulicht an, postiert Scharfschützen auf dem gegenüberliegenden Dach und verhaftet den Engel. Der Vorwurf: Es fehlt ein Papier, das beweist, dass der Engel ein Engel ist. Zwar kann der Engel der Polizei entkommen, weil er ein Engel ist, aber für ihn und seinen kleinwüchsigen Freund ist kein Platz auf dieser Welt.

Im „Urteil“, das nicht nur in der Überschrift an Kafka erinnert, geht Jonathan Egmont in ein Elektronik-Fachgeschäft, um sich einen neuen Rasierapparat zu kaufen. Er wird von einem Angestellten darauf aufmerksam gemacht, dass er seine Raute nicht angesteckt hat. Egmont entschuldigt sich und holt das Versäumnis sofort nach. An der Kasse wird er gebeten, doch kurz beim Geschäftsführer vorzusprechen, aber nur, wenn ihm das nicht unangenehm wäre. Ist er ein Rauteverweigerer? Egmont beteuert, dass es nicht so sei. Dies wiederholt sich eine Etage höher bei der Polizei, noch höher beim Polizeipräsidenten, wohin Egmont jeweils freiwillig geht, weil „es ihm nichts ausmacht“. Unterm Dach landet er vor der Richterin, die ihn wegen „Verschwörung“ gegen die Rautentragepflicht zum Tode verurteilt. Das Urteil soll durch Erhängen sofort vollstreckt werden. Die Tür zum Gerichtszimmer steht offen, Egmont kann jederzeit gehen, aber die Richterin führt ihm zum Dachfenster und weist auf die Menge, die sich vor dem Gebäude angesammelt hat und Egmonts Kopf fordert.

In der Erzählung „System“ wird von der Regierung die direktive Herausgegeben, dass gegenständliche Gemälde ab sofort privat und öffentlich verboten seien. Ein Galerist wird aufgefordert, sich einer der Kommissionen anzuschließen, die Gemälde aufspüren und der staatlichen Stelle, die sie registriert und verwahrt, zuführen soll.

Die gefundenen Kunstwerke werden zwar registriert und verpackt, aber landen auf einem Fließband, das am Krematoriumsofen endet. Warum registriert man sie? Damit alles seine Ordnung hat. Der Galerist versucht, ein Kunstwerk zu retten.  Er rennt, aber er weiß: „Wir sind die Bilder, die sie suchen“.

Die Clowns, nach denen die nächste Geschichte benannt ist, sind über Nacht da. Erst verteilen sie nur Flyer, auf denen sie mit ihren roten Nasen abgebildet sind, dann verteilen sie die Nasen mit der Aufforderung, sie sich ins Gesicht zu stecken. Nasenverweigerer werden bald von den Nasenträgern zur Rede gestellt oder den Clowns gemeldet, die begonnen haben, die Nasentragepflicht überall zu kontrollieren.

Nasenverweigerern bleibt nichts, als in die großen Wälder zu fliehen, aber auch dort schimmert unter dem Herbstlaub schon eine rote Nase hervor.

Man kann Mohrs Geschichten nicht mehr als Fantasy abtun, denn bei der weltweiten Maskenpflicht-Verhängung haben wir den Mechanismus schon in der Realität erlebt. Nun, da sich unwiderlegbar herausgestellt hat, dass diese Masken keinen Schutz vor der Pandemie geboten haben, wegen der wir sie tragen mussten, liest sich die Geschichte besonders beklemmend.

Mohr sieht die Flammenzeichen an der Wand, die allzu viele Mitmenschen noch übersehen.

Mohr at aber noch Hoffnung. Zum Nasenverweigerer Arensberg, wird gesagt: „´Sie sind Widerständig!‘…Arenberg zuckte mit den Schultern. ´Ich wäre lieber mutig‘. `Vielleicht sind sie ja mutig und wissen es nur nicht`“

Volker Mohr: „Der verlorene Himmel“ Loco-Verlag 2022



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