Die verschüttete Geschichte

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Zu den besorgniserregensten Krisenezeichen gehört, dass unsere politische  “Elite” so leichtfertig mit der Weltkriegsgefahr , in der wir uns aktuell befinden, umgeht. Die Erlebnisgeneration, d.h. diejenigen, die sich noch an den 2. Weltkrieg erinnern können und in den von ihm hinterlassenen Trümmern aufgewachsen sind, streben langsam aus. Für die Nachfolgenden ist der Krieg nur noch eine Erzählung, neudeutsch Narrativ, das wenig oder keinen Bezug zur Realität hat. Aus diesem Grund veröffentliche Ich an dieser Stelle einen Erlebnisbericht von Frauen einer Familie aus der Zeit, als der Krieg mit voller Wucht in das Land zurückkehrte, das ihn begonnen hatte. Deutschland lobt sich immer gern für seien vorbildliche Aufarbeitung der Nazivergangenheit. Dabei wurden aber die Familiengeschichten , vor allem die der Täter, ausgeklammert, so dass die Aufarbeitung in einer Art luftleerem Raum stattfand. Nur so lässt sich erklären, dass es wieder eine Bereitschaft gibt, Krieg zu riskieren.

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Von Elke Deluse

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit

Der ihr entronnen seid.

 

Bertold Brecht: An die Nachgeborenen

 

Teil 1: Die Flucht

 

 

Das Angebot

 

Am Morgen des 15. Februar 1945 klingelte es Sturm an der Haustür meiner Großmutter Elfriede. Ein schneereicher und bitterkalter Winter hatte den Menschen in der kleinen Stadt Stolp in Pommern hart zu schaffen gemacht. Brennmaterial gab es kaum noch und Elfriede fror in der kaum beheizten Küche. Seit 6 Uhr war sie wach und saß mit einer Tasse Ersatzkaffee zusammengekauert dicht neben dem kleinen Ofen, in dem ein paar Holzzweige brannten.

Erstaunt über den frühen Besuch am Morgen, öffnete sie die Haustür nur einen Spaltbreit, um möglichst wenig eisige Luft in den Flur zu lassen. Draußen stand Charlotte Neumann, die 15-jährige Tochter der Nachbarn und beste Freundin Mariannes, Elfriedes Tochter.

„Komm herein“, schnell zog Elfriede das Mädchen in den Flur und schloss die Tür hinter ihr. „Willst du zu Marianne? Ilse und sie schlafen beide noch.“

Charlotte war trotz der Kälte verschwitzt und das dunkle, lange Haar hing ihr ungekämmt ins Gesicht. Sichtlich aufgeregt zog sie meine Großmutter in die Küche.

„Nein, ich will mit dir sprechen Tante Elfriede. Heute Abend fahren wir los. Die Eltern sind dabei zu packen und haben mich geschickt, um zu sagen, dass ein Platz für Marianne frei ist. Bitte, lass sie mit uns fahren!“

Seit Monaten hatten sich immer mehr Familien auf den Weg gen Westen gemacht, um vor den anrückenden russischen Truppen zu fliehen. Unkoordiniert und ohne Genehmigung der Reichsregierung war das ein riskantes Unterfangen. Mit Handwagen, Pferdekutschen und Fahrrädern, auf die die Menschen das Nötigste luden, zogen sie los. Der tiefe Schnee in diesem Winter hatte manche aufgeben lassen. Viele waren auf dem Weg erfroren oder von  umherziehenden Banden ausgeraubt worden.

Der Tod von 9 000 Flüchtlingen, die mit dem Schiff Wilhelm Gustloff in der Ostsee ertrunken waren, hatte sich in Windeseile herumgesprochen.  Da die Flucht als Feigheit vor dem Feind galt, kam es auch zu Erschießungen.

Lesen Sie den vollständigen Text auf meinem Kulturblog

 



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