Wolken und Salz

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Von Hans Hofmann-Reinecke

Trotz zunehmender Zweifel an der These, dass fossile Brennstoffe einen fatalen Klimawandel verursachen, ist dennoch jedes Mittel recht, um diesen zu bekämpfen. In den Vereinigten Staaten hat nun ein Vorhaben Aufsehen erregt, welches die Einstrahlung der Sonne reduzieren soll, indem man die Wolken manipuliert. Man spricht von „Geo – Engineering“, gewissermaßen von plastischer Chirurgie an Mutter Erde.

Oben weiß und unten dunkel

Die Theorie hinter dem „CAARE“ genannten Projekt ist folgende: Das menschengemachte CO2 hindert die Erde daran, die von der Sonne empfangene Energie wieder ins All zurückzustrahlen. Als Gegenmaßnahme sorgen wir jetzt dafür, dass die Sonne ihrerseits nicht ihre volle Strahlung bis zur Erdoberfläche bringt. Wie soll das geschehen? Durch Wolken. Was sind Wolken überhaupt?

Die Sonnenstrahlung wärmt die Erd- oder Meeresoberfläche. Die erwärmte Luft steigt auf, und mit ihr das darin absorbierte Wasser. Wieviel das ist, das hängt von der Temperatur ab. Bei 20°C sind es maximal 17 Gramm pro Kubikmeter, bei tieferen Temperaturen wesentlich weniger. Deswegen wird die Flasche Mineralwasser, direkt aus dem Kühlschrank geholt, jetzt auch außen nass, denn die 20°C warme Umgebungsluft kühlt sich an der Flasche dramatisch ab, und das bislang gasförmige Wasser kondensiert. „Wolken und Salz“ weiterlesen

Von Tahiti an die Saale

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Ab und zu ist es angebracht, sich vor Augen zu führen, auf welch großen Schultern alter weißer Männer, die heutzutage von Nichtwissern und Nichtkönnern pausenlos diffamiert werden, wir stehen. Wo trifft man heute noch Personen, die siebzehn Sprachen, darunter die klassischen, meisterhaft beherrschen, als Botaniker, Geologe, Schriftsteller hunderte Pflanzen, Tiere, Mineralien entdeckt und beschrieben und nebenbei einen Botanischen Garten angelegt haben? So ein Mann war der Weltumsegler Johann Reinhold Forster, der Vater des berühmteren Georg Forster, ein Genie ähnlichen Kalibers, wegen seiner aktiven Unterstützung der Jakobiner-Diktatur eine Ikone der Linken.

Reinhold, seit seiner Weltumseglung mit James Cook eine Legende, wurde bald nach seinem Tod in Halle, wo er die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte, vergessen. Erst seit Neuestem interessiert man sich, zumindest in Halle, wieder für ihn. Aber anstatt ihn zu ehren, prangt am Hallenser Riebeckplatz eine Tafel zu Ehren seines Sohnes Georg, dem „Deutschen Jakobiner“. Die Unterstützung blutiger Diktaturen löst immer noch mehr Faszination aus als ihre Ablehnung. Manchmal gibt es aber durch Zufall so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit.

Das Bildnis neben der Tafel zeigt nicht Georg, sondern seinen Vater Johann Reinhold, der anders als sein Sohn eng mit Halle verbunden war. Es ist ein großes Verdienst des Hallensers Michael Pantenius, dass er eine Biografie Forsters sen. vorgelegt hat. „Von Tahiti an die Saale“ weiterlesen

Women to go

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Ein geheimnisvoller Tod, acht Frauen und ein Testament, lautet der Untertitel des ersten Romans der Filmemacherin und Autorin Kay Konrad. Der Titel ihres Werks wird sofort verständlich, wenn man liest, dass die Hauptheldinnen, zwei freie Filmemacherinnen, die sich aus guten Gründen von den Öffentlich-Rechtlichen verabschiedet haben, Kaffee in Pappbechern bevorzugen. In allen möglichen und unmöglichen Situationen haben sie einen coffee to go in der Hand. Das Buch handelt von einer ganz besonderen Freundschaft zwischen zwei Frauen, die nach den ungeschriebenen Regeln ihres Berufs Konkurrentinnen sein müssten, sich statt dessen gegenseitig unterstützen. Beide eint, dass sie den inzwischen leider üblich gewordenen Haltungsjournalismus ablehnen.

Insofern liest sich das Buch wie eine Illustration zu dem kürzlichen veröffentlichten „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ in dem die 130 Unterzeichner mehr Meinungsvielfalt von ARD, ZDF und Deutschlandradio fordern. Im Roman wird beschrieben, wie der Redaktionschef fordert, dass gestrandete Wale an der dänischen Küste Opfer des Klimawandels und der Meeresverschmutzung zu sein haben, obwohl sie von Schiffsschrauben getötet wurden. Oder eine afghanische Frau, die nach zehn Jahren in Deutschland immer noch kaum Deutsch spricht und in der Wohnung mit ihren Töchtern auf dem Fußboden sitzen muss, weil nur der Ehemann und die Söhne aufs Sofa dürfen, als Beispiel für gelungene Integration porträtiert werden soll. Toni und Fanny, so heißen die Freundinnen, verweigern sich diesen Zumutungen. „Women to go“ weiterlesen

Ich kaufe mir ein Kind

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Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft, lautet der Untertitel des neuen Buches von Birgit Kelle.

Kelle nennt die Leihmutterschaft eine neue Art von Prostitution. Die „Mädchen“ werden nur nicht von Freiern auf den Strich, sondern von seriös daherkommenden Agenturen in den Kreissaal zum Gebären geschickt. In beiden Fällen geht es um die Ausbeutung der Sexualität der Frau.

Wobei der Begriff Leihmutterschaft die Realität beschönigt. Es geht nicht darum, ein Kind zu leihen, sondern zu kaufen und um das Muttersein geht es schon gar nicht, denn es wird die Gebärmutter lediglich als Brutkasten gebraucht, die Mutter soll das, was sie neun Monate ausgetragen hat, nicht einmal sehen. Das geborene Kind wird sofort von der Frau, die ihm das Leben geschenkt hat, entfernt.

Noch ist Leihmutterschaft in fast allen europäischen Ländern verboten, aber eine mächtige Lobby von Großverdienern am Geschäft mit den gekauften Kindern arbeitet daran, das zu ändern. Das Geschäft mit den Kindern auf Bestellung ist zu lukrativ. Es eröffnet zudem völlig neue Möglichkeiten für den Organhandel und die „Verwertung“ von Embryonen, die für die künstliche Befruchtung erzeugt und anschließend nicht mehr gebraucht werden. Aber der Reihe nach. „Ich kaufe mir ein Kind“ weiterlesen

Denunziant Oswalt, seine willigen Helfer und ihre absurden Forderungen

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Der deutsche Denunziant Prof. Philipp Oswalt dreht nicht etwa bei, sondern durch. Auf dem Blog der linken taz versucht er einen sogenannten Weiterdreh seiner Denunziationskampagne gegen das fertiggestellte Berliner Stadtschloss, seine Spender und den Förderverein. Ziel ist diesmal die Stiftung Humboldt Forum, der Oswalt „Versagen“ vorwirft, da sie angeblich nicht adäquat auf die Denunziationen des Professors eingegangen ist.

Oswalt hat auch keine Hemmungen, eine der größtmöglichen Denunziationskeulen im aktuellen neudeutschen Diskurs auszupacken: Auf den von ihm  herbeigeschriebenen vermeintlichen Einfluss „rechtsradikaler Akteure auf das Projekt Stadtschloss“ reagiert die Stiftung Humboldt Forum, indem sie „die Probleme“ (Achtung!) „leugnet, beschweigt und beschönigt“!

Als wäre dies nicht schon Vorwurf genug, würzt Oswalt den weiteren Text mit zusätzlichen Reizworten: „ein wirklicher Wunsch nach Aufklärung und Abhilfe ist nicht zu erkennen“, „fehlerhafte Aussagen“, „Verschleppung von Auskünften“, „Gesichtswahrung mittels Vertuschung“.

Auf seinem Anti-Kreuz-Kreuzzug gegen das Berliner Stadtschloss versteigt sich Oswalt zu völlig abstrusen politischen Einschätzungen: zusätzliche Bauelemente, welche die „Symbolbedeutung des Projekts immer mehr nationalistisch-reaktionär radikalisierte“. Oswalt schreibt etwas von „christlich-monarchischer Botschaft aus der Zeit der Reaktion und des Kaiserreichs“, die „antidemokratisch“ sei und in ihrer Symbolik „einer offenen, diversen Gesellschaft abträglich“. Das nachträgliche Montieren einer dezidiert christlichen Botschaft (wir reden hier von der Wiederherstellung der Kuppelinschrift) sei „auch als ablehnender Kommentar zu einer multi-ethnischen und multi-religiösen Gesellschaft zu lesen“.

Oswalts Tirade gipfelt in dem Satz: „Es fördert die gesellschaftliche Spaltung“.

Hier ein kleiner Einschub: Anscheinend hat der (zerstreute?) Professor komplett vergessen, dass er sich 2012 in einem Interview für den DLF als jemand präsentiert hat, den man nur als Kuppelbefürworter lesen kann? Oswalt führt aus: Der ursprüngliche Entwurf von Architekt Stella beschränke sich ja auf die barocke Fassade. Das Schloss hätte aber eine lange Baugeschichte, im 19. Jahrhundert sei noch die Kuppel hinzugekommen.

“Das war dem ursprünglichen Baukörper ablesbar und ist in diesem  reduzierten Rationalismus des Stella´schen Entwurfs nicht mehr sichtbar”.

So ändern sich die Zeiten: 2012 moniert Oswalt das Fehlen der Kuppel im ursprünglichen Entwurf, deren Vollendung mit Kreuz, Inschrift und Propheten er jetzt so vehement bekämpft.

Nebenbei gab Oswalt 2012 auch der Politik eins mit, indem er den Bundestag eine Ausschreibung mit “Problem” bescheinigt. Heute argumentiert er aber mit der von ihm 2012 selbst problematisierten Ausschreibung, um gegen die alttestamentarischen Propheten zu wettern. Es ist Oswalt in seinem Furor teutonicus vermutlich egal, wenn er sich selbst widerspricht.
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Zwischenbilanz Europawahl-Vorbereitung – das liberal-konservative Lager ist in der Defensive

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von Philipp Lengsfeld

Am Karfreitag hat der Bundeswahlausschuss über die Frage der Zulassung von Listen von Parteien und anderen politischen Organisationen für die Europawahl am 9. Juni befunden.

Gelegenheit für eine erste politische Analyse: Und die ist für das liberal-konservative Lager aus meiner Sicht verheerend.

Obwohl die politische Bedeutung des Europaparlaments außer jeder Frage steht. Und obwohl durch das Europarecht für die Europawahl in Deutschland nicht die strengen Partei(verein)privilegien gelten, die die Bundestagswahl und die meisten Landtagswahlen gängeln und (über)regulieren und trotz der teils elendigen Performance der Ampelunion und auch der AfD, die eine riesige politische Lücke im pragmatisch-reformerischen demokratischen Lager rechts der Mitte lässt: Trotz aller dieser Voraussetzungen ist die real-existierende Situation mehr als ernüchternd.

Der Bundeswahlausschuss hat 35 Listen zur Europawahl zugelassen.

Zuvorderst natürlich die Listen der Ampelunion und AfD (deren Liste auch trotz Enthaltung der Linksparteivertreterin im Wahlausschuss anstandslos akzeptiert wurde – eine für liberal-konservative Demokraten politisch schon recht bittere Pille, denn die einst als Euro-Schulden- und EU-Bürokratie-kritische Professorenpartei gestartete AfD schickt mit Maximilian Krah und Petr Bystron an der Spitze nicht nur eine radikale rechte Liste in den Wahlkampf, sondern beide Spitzenmänner zeichnen sich auch durch dubiose Kontakte Richtung China (Krah und seine tiktok-Reichweite) und Russland (Bystron ist hier aktuell unter Druck, sogar aus den eigenen Reihen) aus.

Das deutsche Parteivereinsrecht unterstützt aber nun mal nach geltem bundesrepublikanischem Parteienrecht agierende Parteivereine – deshalb finden Sie auf der Europawahlliste neben obig erwähnten auch noch die Freien Wähler, die ÖDP, die DKP, die MLDP und weitere deutsche Parteien.

Die Europawahl hatte aber traditionell auch noch ein anderes Incentive: Die fehlende 5%-Hürde legt die Latte für die Erreichung eines Europamandats mit knapp 1% sehr niedrig: Eine große Versuchung und zumindest in der letzten Wahl auch ein Mandatsgenerierungsmaschine für Kräfte die sonst nicht mal in die Nähe eines wichtigen Mandats kämen. Natürlich tummeln sich die, die diese Hürde in der letzten Wahl übersprungen haben auch wieder auf dem Wahlzettel: MdEP Martin Sonneborn und seine Die Partei, die grün-reformerische VOLT um MdEP Damian Boeselager, auch die Piraten und die Familien-Partei. Alle diese Parteivereine haben in Deutschland praktisch keine Wirkung, aber hatten genug Ressourcen die Formalhürden (4000 Unterstützerunterschriften bundesweit) für die Zulassung zu nehmen.

Ich erwarte aber, dass bei dieser Wahl trotz der nicht optimalen Ausgangslage die Zahl von Mandatsgewinnen dieser Kleinkräfte überschaubar sein wird – zumal es weitere Konkurrenten gibt, die im gleichen Segment fischen, wie z.B. Tierschutzpartei, Klimaliste und Liste der Letzten Generation.

Wenn ich wetten würde (was ich in politischen Kämpfen grundsätzlich nicht mache), dann würde ich mein Geld sicher nicht auf einen Wiedereinzug von Martin Sonneborn oder Damian Boeselager setzen.

Wie sieht es aber im Segment liberal-konservativ aus?

Wie schon angedeutet, nicht gut: Trotz guter Ausgangslage gab es keine Einigung.

Die WerteUnion hat Europa nicht nur links liegen gelassen, sondern die wenigen geeigneten Persönlichkeiten, die neben Parteigründer Hans Georg Maaßen bereit waren, diesem Konzept zu folgen, wurden durch die Aufnahme in den Bundesvorstand gebunden – zwar führt dieser Aspekt in diesem Artikel zu weit, aber der momentane rechtliche Rahmen für deutsche Parteivereine bewirkt die Art von destruktiven Mechanismen, die wir alle kennen und die uns zur Verzweiflung bringen: Es dreht sich alles um meist völlig abstruse Binnendiskussionen und -kämpfe, während der originäre Zweck einer politischen Partei, nämlich Politik für seine Wählerschaft zu machen meist sofort auf der Strecke bleibt.

Das Gründungschaos rund um die WerteUnion hat die mediale Aufmerksamkeit gebunden und lässt die Kräfte die auf eine politische Erneuerung setzen frustriert und verzweifelt zurück.

Trotzdem hätte das Europawahlrecht ein Zusammengehen der verbliebenen vernünftigen politischen Reformkräfte ermöglicht – immerhin gab es mit Bündnis Deutschland und dieBasis zwei Parteivereine, die in letzter Zeit mit klarem Anspruch auf bessere Politik gegründet wurden. Und auch mit den Überbleibseln der Partei von Bernd Lucke (LKR, jetzt WirBürger) gab es zumindest noch einzelne Personen, die Interesse an und gewisse Kompetenz für Europa hätten mitbringen können.

Aber die Kräfte des deutschen Parteiunwesens sind stärker als jede Vernunft: Bündnis Deutschland hat ohne jede Not schon im November Tatsachen geschaffen und eine eigene Liste aufgestellt: Mit Ex-AfD, Ex-LKR MdEP Lars-Patrick Berg an der Spitze – ein Mann, der sicherlich eine gute gemeinsame Liste gestärkt hätte, der aber stattdessen mit BD-Generalsekretär Niklas Stadelmann eine Liste anführt, die ich nur als unwählbar bezeichnen kann. Der Bundeswahlausschuss hat von den 14 im November von Bündnis Deutschland Nominierten drei, inklusive der ersten und nach meiner Kenntnis einzigen Frau gestrichen – auf den Seiten von Bündnis Deutschland kann man sich die nun bestätigte Liste anschauen: Machen Sie sich einfach ihr eigenes Bild.

Und dieBasis?

Auch hier haben die Vereinsbinnenkräfte einen traurigen Sieg errungen: dieBasis, eine Neugründung aus den Kämpfen der Coronazeit und ein deutscher Parteiverein, der stärker von Frauen geprägt ist als dies sonst der Fall ist hat auch den Großteil ihrer nicht unerheblichen Mitglieder- und Aktivistenresourcen auf innerparteiliche Kämpfe verschwendet – in zwei Mitgliederversammlungen, die beim zweiten Mal sogar über zwei Tage lief wurde aus einm Pool von tausenden Mitgliedern am Ende eine Europaliste bestehend aus vier (!) Personen nominiert! Die Hürde der Unterschriftensammlung hat die mitgliederstarke Organisation zwar locker genommen, aber die politische Strahlkraft ist nicht existent und unterscheidet sich meines Erachtens nach keinen Deut von der Unwählbarkeit der Liste von Bündnis Deutschland – auch hier braucht man keine hellseherischen Fähigkeiten um zu prophezeien, dass die Europawahl für die selbsternannte Basispartei ein totaler Reinfall wird.

Aber selbst ohne BüD und ohne dieBasis hätten die verbliebenen Kräfte immer noch eine gute Liste ins Rennen schicken können.

Aber es sollte nicht sein: WirBürger und auch eine weitere nicht so uninteressante Kleinpartei, die Liberalen Demokraten, scheiterten lieber mit ihrem Verein, als sich für eine Diskussion über eine gemeinsam erstellte Liste zu öffnen. „Zwischenbilanz Europawahl-Vorbereitung – das liberal-konservative Lager ist in der Defensive“ weiterlesen

Verachtung nach unten – Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht-

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und wie wir sie verteidigen können. Das ist der Titel des neuesten Buches von Alexander Wendt. Es ist meines Erachtens das wichtigste politische Buch seit Beginn dieses Jahrtausends, denn es liefert eine klare Analyse des Kulturkampes, der sich vor unser aller Augen abspielt. Vom Zaun gebrochen von einer selbst ernannten Moralelite, deren Ziel es ist, das Erfolgsmodell des Westens, die Bürgergesellschaft, durch tribalistische Verhältnisse zu ersetzen. Wendt zeigt, welche neuen Strukturen sich entwickelt haben und wie sie die Welt, wie wir sie kennen bereits verändert haben. Historiker beschreiben das Römische Reich vor seinem Untergang als einen ausgehölten Koloss auf tönernen Füßen. So könnte man durchaus auch den gegenwärtigen Westen beschreiben. Er steht noch, ist aber bereits innerlich ausgehöhlt und wird einstürzen. Dieser Sturz ist gewiss, der Zeitraum ungewiss. Es sei denn, die noch vorhandenen Bürger machen sich daran, das bereits verlorenen Terrain zurückzuerobern.

Um den Prozess der Tribalisierung zu stoppen, muss er erst einmal als solcher erkannt werden. Bereits Rolf Peter Sieferle hatte in „Finis Germania“ darauf hingewiesen, dass die unkontrollierte Masseneinwanderung in Deutschland zu eine Retribalisierung der Gesellschaft führen würde. Dass die Bundesregierung bereit ist, diesen Prozess nicht etwa zu stoppen, sondern zu befördern, kann man spätestens seit dem Papier der Integrationsbeauftragten der Regierung Merkel Aydan Özogus wissen, dass Regeln des gesellschaftlichen Lebens „einem steten Wandel“ unterworfen“ seien und „permanent“ neu ausgehandelt werden müssten. Das ist die Frau, die behauptet hat, eine spezifisch deutsche Kultur sei „jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“.

Wendt zeigt, dass der Prozess der Zersetzung der bürgerlichen Gesellschaft nicht auf Deutschland beschränkt, sondern global ist. Angetrieben wird er von einer neuen globalen Kraft, einer Tugendbewegung, die alle westlichen Gesellschaften einem permanenten Reinigungsprozess unterzieht. Diese Bewegung, die von den Universitäten ausgeht, hat nichts mit den klassischen Machtstrukturen zu tun, obwohl ihre Methoden denen der historischen Hexenjäger oder stalinistischen Partei- und Gesellschaftssäuberer ähneln. Die Tugendwächter verlangen vom Rest der Gesellschaft Regeln, die sie selbst nicht befolgen. Ihr Furor richtet sich aber keineswegs nur gegen die Unerleuchteten, sondern gegen die eigene Klientel. Je herausgehobener die Position des Tugendhaften, desto größer ist die Fallhöhe bei seinem Sturz und der Triumph derer, die seine Vernichtung bewirkt haben. Wie bei der Hexenjagd oder im Stalinismus genügt die Anzeige, um als schuldig zu gelten. Verteidigung ist praktisch nicht möglich, weil moralische Prinzipien höher stehen als Argumente und selbst die Realität. Heute wird nicht mehr verbrannt, gefoltert oder mit Kopfschuss hingerichtet, heute wird sozial vernichtet. Man kann der Vernichtung auch nicht durch Buße oder Reue entgehen, denn sie wirkt wie ein Brandmal, das man früher Ketzern auf die Stirn drückte. Der Reinigungsprozess trifft keineswegs nur Individuen, sondern ganze gesellschaftliche Gruppen, unabhängig davon, wie die einzelnen Gruppenmitglieder denken oder sich verhalten. So ist nach den Anhängern der kritischen Rassentheorie jeder Weiße des Rassismus schuldig, egal ob Baby, woker Jugendlicher, schuldbewusster, bußwilliger Erwachsener oder reuelose Greisin. Entkommen kann dieser Schuld niemand, abgetragen werden kann sie auch nicht, denn dann stünden die Ankläger eines Tages ohne Thema da. Bei den Kommunisten hatte Leo Trotzki die permanente Revolution ausgerufen, heute ist es die permanente Transformation und der damit verbundene permanente Reinigungsprozess. Wendt liefert zahllose Beispiele dafür, dass es sich nicht um eine graue Theorie, sondern um einen bereits im Gang befindlichen globalen Prozess handelt. „Verachtung nach unten – Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht-“ weiterlesen

Anatomie einer Denunziation deutscher Denunzianten

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Am Karfreitag habe ich einige wunderschöne Stunden am Berliner Stadtschloss verbracht.

Bei schönster Berliner Abendsonne präsentierte sich insbesondere die Kuppel mit Kreuz, Spruchband und neuerdings den wiederaufgestellten alttestamentarischen Prophetenfiguren im allerbesten Licht. Am Tag der Kreuzigung Jesus Christi fühlte ich mich in meiner Heimat Ostberlin tatsächlich mal als Siegerin der Geschichte – auf dem Dach des von den SED-Kommunisten unter Führung von Walter Ulbricht gesprengten preußischen Stadtschlosses. Die Kommunisten hatten parallel auch einen Kreuzzug gegen die protestantische Kirche und ihre Bauten gemacht und die Stadt modernistisch überformt. Und heute? Heute habe ich einen Blick auf die Kreuze von St. Ulbricht (Fernsehturm), den Berliner Dom und das Stadtschloss, aber auch einen Blick auf die verschiedenen wiederhergestellten Kuppeln, alle wunderschön und auf ihre Art einzigartig: Die der Berliner Synagoge, des Reichstags, des Deutschen und Französischen Doms am Gendarmenmarkt.

Berlin ist mit diesen Rekonstruktionen aus dem Leid und den tiefen Wunden von Krieg und zwei Diktaturen herausgewachsen.

Ich kann mit gewissem Recht sagen, dass ich daran einen kleinen politischen Anteil hatte: Bei allen erwähnten Rekonstruktionen oder Erhaltungen gab es immer auch offene und vor allem viele verdeckte Gegner und Feinde – trotzdem hat sich die Freiheit, die Demokratie, die Vernunft, der Kunstsinn und auch die Religion durchgesetzt. Sowohl bei der Großen Synagoge, bei der Reichstagskuppel oder bei der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses haben sich letztlich diejenigen durchgesetzt, die einen Kurs der Vernunft, der Schönheit, der Abwägung, aber vor allem der demokratischen Zukunft gewollt haben – das beinhaltet  auch  den Abriss (Palast der Republik) und Neubau des Schlosses: Die Antidemokraten dagegen, seien sie im Herzen Nationalsozialisten, Kommunisten, Antisemiten, Islamisten oder was immer, haben es nicht geschafft diese Zukunft zu blockieren.

Besonders beim Betrachten des alttestamentarischen Propheten Daniel musste ich schmunzeln: Wie absurd kann ein deutscher Kulturkampf sein?:

Seit Prof. Philipp Oswalt eine weitere Denunziation gegen das Schloss und seine Spender in die Welt gesetzt hat, gab es Berichte in großen deutschen Zeitungen und jetzt sogar im englischen Guardian: „Rechte“ Spender hätten für die Aufstellung der Prophetenfiguren gesorgt und damit lauf Oswalt eine von ihm postulierte „nationalprotestantische“ Aussage der Schlossrekonstruktion „überhöht“.

Zentralfigur: Vera Lengsfeld. „Anatomie einer Denunziation deutscher Denunzianten“ weiterlesen

Nein, ich bin nicht harmlos, liebe taz!

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Das hätte dich ein kurzer Blick in Dein Archiv lehren können. Schließlich reicht unsere gemeinsame Geschichte bis ins Jahr 1987 zurück. Damals hast Du mich erstmals bundesweit bekannt gemacht. Ich hatte den Chefredakteur des FDJ-Organs „Junge Welt“ bei der Staatsanwaltschaft der DDR angezeigt, weil er mich und Bärbel Bohley, die bekannteste Bürgerrechtlerin des SED-Staats, als Neonazis bezeichnet hatte. Dir verdanke ich also meinen ersten Ruhm und den bekam ich nicht wegen Harmlosigkeit. Anfang der 90er-Jahre hast Du mich wieder, freundlich gesagt, ins Gerede gebracht. Du hattest den Schriftsteller und Stasiaufklärer Jürgen Fuchs wegen der äußeren Merkmale seiner finalen Krebserkrankung verhöhnt. Dein Redakteur, den der Regisseur und Politiker Konrad Weiß und ich daraufhin zur Rede stellten, betonte mit gesenktem Blick und hängenden Schultern, dass er von der Krankheit, deren Ursprung übrigens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Stasiuntersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen lag, nichts gewusst zu haben, denn natürlich, wenn er es gewusst hätte, hätte er den Schmäh niemals veröffentlicht.

Am nächsten Tag trat dieser reuelose, verlogene Schreiber eine Hetzkampagne gegen uns los. Wir hatten ihm ehrlicherweise gestanden, dass wir einen Boykottaufruf gegen die taz in Erwägung gezogen hatten. Das war zugegebenermaßen naiv. Damals waren wir noch von der Aufrichtigkeit der Presse überzeugt. Nun, Schmutzkampagnen hatte ich schon in der DDR überstehen müssen. Deine hat mich gelehrt, dass Du kein bisschen besser bist. Wenn ich mich recht erinnere, hast Du in Deinem Nachruf Jürgen Fuchs, der ein ausgewiesener Linker war, noch Schmähungen ins Grab hinterhergeworfen.

Den Rest übergehe ich mit Schweigen, denn die unzähligen Verbalinjurien, die Du in den letzten Jahrzehnten gegen mich abgefeuert hast, sind in der Zusammenschau nur langweilig. „Nein, ich bin nicht harmlos, liebe taz!“ weiterlesen

Eine Schulung im Denken

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Denken ist ein Menschenrecht, aber wer beherrscht die Kunst des Denkens? Warum ist Propaganda so wirksam und für viele Menschen so schwer zu durchschauen? Volker Wittmann ist dieser Frage nachgegangen. In seiner „Logikfibel – Eine Schulung im Denken und Argumentieren“ gibt er interessante Antworten darauf. Der Band von Edition Sonderwege, erschienen in sehr schöner Aufmachung, ist ein Lesegenuss.

Noch nie war es so leicht, an Informationen zu kommen. Aber noch nie wurde so viel gelogen, verdreht, getäuscht, gefälscht, vernebelt, vertuscht.

Die freie Presse hat sich zum „Haltungsjournalismus“ gewandelt. Nachrichtenübermittlung und wertfreie Einordnung war gestern. Heute wird den Medienkonsumenten serviert, was sie glauben sollen, das was die Journalisten von ihrem vermeintlich hehren Standpunkt aus für wünschenswert halten. Von „Narrativen“ ist die Rede, also Erzählungen, die man getrost Märchen nennen sollte. Die Presse ist die selbsternannte vierte Gewalt im Lande.

Laut des französischen Staatsdenkers Montesquieu lenken drei klassische Kräfte das Gemeinwesen: Die gesetzgebende, die richterliche und die ausführende Gewalt, verkörpert durch Parlamente, Gerichte und Regierung. Von Presse steht bei Montesquieu nichts. Die drei Gewalten sollten sich gegenseitig kontrollieren und in Schach halten. Davon sind wir im besten Deutschland aller Zeiten weit entfernt. Das hat der ehemalige Kanzlerkandidat der Union Armin Laschet in aller Naivität offenbart. Er habe Angst vor einer Machtübernehme der AfD, denn dann hätte die Partei „Zugriff auf die Sicherheitsbehörden, auf die Ernennung der Polizeipräsidenten, auf den Verfassungsschutz, die Medienaufsicht und die Staatsanwaltschaften einschließlich der Ernennung der Richter“. Das „schleichende Ende der Demokratie“, das Laschet befürchtet, ist längst Realität, denn es gibt die gegenseitige Kontrolle der drei Kräfte nicht mehr, wenn die Politik alles in der Hand hat. „Eine Schulung im Denken“ weiterlesen