Die Geschichten, die das Leben schreibt, sind immer noch die spannendsten.
Als ich erfuhr, dass die Chefin der „Omas gegen rechts“ in Berlin Maja Wiens ist, war ich überrascht, aber nicht verwundert. Die „Omas gegen rechts“ fand ich erst skurril, dann, als ich eine ihrer Demos in Trier gesehen hatte, eher bedauernswert. Den dortigen Omis, die mit ihren selbst gemalten Plakaten durch die Geburtsstadt von Karl Marx schlurften, sah man ihre Hoffnung auf ein Demogeld, um ihre schmale Rente aufzubessern, zu sehr an. Das ist ein halbes Jahr her. Seitdem hat sich etwas getan, denn wenn jetzt über Antifa-Aktionen berichtet wird, sind die Omas gegen rechts nicht weit. Auch an der missglückten Aktion, mit der das Zentrum für politische Blödheit das Sommerinterview der ARD mit Alice Weidel gestört hat, waren Omas gegen rechts anwesend. Ob auch Wiens darunter war, kann ich auf dem Foto, das davon veröffentlicht wurde, nicht feststellen, aber wahrscheinlich ist es schon. Das Regierungsviertel ist nicht weit vom Pankower Florakiez entfernt, wo wir beide wohnen. Maja seit den 80er Jahren, ich seit 2004.
Kennengelernt habe ich Wiens, als ich 1983 kurzzeitig Lektorin am Jugendbuchverlag Neues Leben war, der offiziell der FDJ gehörte, sich aber, was erst nach 1989 rauskam, im Besitz der SED befand. Wiens gehörte zu den Autoren des Verlages.
Eines Tages unternahm der Verlag einen besonderen Ausflug. Ziel war der Jugendwerkhof Lehnin. Wir trafen uns dort mit jugendlichen Insassen. Wenn ich mich recht erinnere, las Wiens erst aus einem ihrer Bücher, danach wurden die etwa 100 Zuhörer in mehrere Gruppen aufgeteilt. Ob Wiens meiner Gruppe angehörte, kann ich nicht sagen. Was diesen Besuch für mich unvergesslich machte, war die schockierende Erkenntnis, dass etwa dreißig Prozent der Insassen aus SED-Funktionärs-Elternhäusern stammten. Zum Teil waren sie von ihren eigenen Eltern dorthin geschickt worden. Wiens war nach eigenem Eingeständnis von 1978 bis 1983 Inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit. Hat sie über diesen Besuch Bericht erstattet, oder war er Anlass, dass sie ihre Stasi-Mitarbeit beendete? Das ist eine der Fragen, auf die ich gern eine Antwort haben würde.
Später begegnete ich Wiens immer wieder. Sie wohnte in der Nachbarschaft des Bürgerrechtlers Wolfgang Templin, der von der Stasi als so gefährlich eingestuft wurde, dass sie ihn und seine Frau mit den schärfsten Zersetzungsmaßnahmen überzog, von denen ich je gehört habe. Templins Frau Lotte wurde bis in den Kreißsaal verfolgt. Sie brachte im Zersetzungs-Zeitraum zwei tote Kinder zur Welt. „Oma gegen rechts – Maja und ich“ weiterlesen