Von Gastautor Albrecht Künstle
Anno 2015 wurde uns verkauft, dass zwei syrische Schwimm-Athletinnen ihr Boot von der Türkei meilenweit nach Lesbos schleppten, nachdem der Außenbord-Motor ausgefallen war. Auf dem Boot waren 18 weitere Migranten. Für diese „Heldentat“ (Zitat der Medien) erhielten die beiden Schwestern 2016 einen „Bambi“ verliehen. Jetzt ermittelt die griechische Justiz gegen eine von beiden, die in Berlin wohnt. Aber nicht weil sie gelogen haben, denn das wird nicht bestraft – sondern weil sie Schlepperinnen sein sollen. Aber dafür wurden sie doch geehrt oder nicht? So ändert sich die Sichtweise. Was hat es mit diesem Märchen auf sich?
Der Kern der Wahrheit ist, dass es Schlauchboote gibt. Und dass es Außenborder gibt, die sehr launisch sein können. Das schreibe ich aus eigener Erfahrung als Taucher mit eigenem Schlauchboot. Und dass solche Boote nicht nur zum Wassersport taugen, sondern auch als Bootstaxi einsetzbar sind. Auch ist wahr, dass es von der nordwestlichsten Halbinsel der Türkei bis zur griechischen Insel Lesbos knapp 10 km sind. Soweit, so wahr.
Wahr ist aber auch, dass es einmal einen Griechen namens Archimedes gab. Dieser erfand zwar nicht die Physik, aber er konnte deren Gesetzmäßigkeit erklären. Zum Beispiel, dass ein schwimmender Körper genauso viel Wasser verdrängt, wie er selbst wiegt. Bei 20 Personen von durchschnittlich 65 kg wog das Boot mit seinem Eigengewicht und Motor über 1,5 Tonnen und verdrängt über 1.500 Liter Wasser. Der Großteil des Schlauchkörpers ragt deshalb aus dem Wasser und bietet bei einer Bootslänge von 10 m eine seitliche Windangriffsfläche von rund 6 m² – mit den Personen darauf etwa 10 m².
Diese Fläche wirkt wie ein Segel. Man rechnet deshalb auf dem Meer mit erforderlichen 2 PS je Insasse, um gegen Wind „anstinken“ zu können, in diesem Fall (18 Personen im Boot, 2 Schwimmerinnen weitgehend im Wasser) also ca. 36 PS. Ich brachte es auf dem Ergometer auf 250 Watt, ein Hochleistungssportler vielleicht auf 500 Watt. Diese zwei Athletinnen brachten es also sehr optimistisch gerechnet auf eine Dauerleistungsfähigkeit von vielleicht 1.000 Watt. Diese etwas mehr als 1 PS wären auf dem Meer hoffnungslos verloren gewesen. Noch nicht einmal bei Windstille ist es möglich, ein besetztes Boot mit eineinhalb Kubikmeter Wasserverdrängung über eine nennenswerte Strecke zu ziehen, weil das Wasser eine viel zu große Widerstandskraft erzeugt.
Aber es ist in der östlichen Ägäis so, dass ein fast zuverlässiger Wind von Nordwest bis Nordost weht. Wenn der Windschatten der türkischen Halbinsel nach höchstens 300 m verlassen ist, treibt auch ein motorloses Boot nach Süden direkt auf Lesbos zu. Würde jemand mit der Leine aus dem Boot springen, würde er vom treibenden Boot mitgezogen, nicht umgekehrt. Deshalb werden auch die neuen aufblasbaren Sup-Boards (Stand-up-Paddling) mit einer Leine ans Bein des Paddlers gebunden, weil bei „Mann über Bord“ und Wind auch ein guter Schwimmer dem Board nicht hinterher kommen würde.
Wie kam es also, dass die Medien jener Story glauben konnten und verbreitet haben, die beiden Frauen wären Lebensretterinnen der 18 mitreisenden Migranten gewesen?
Vielleicht sprangen die beiden vor dem rettenden Ufer über Bord und zogen die Nichtschwimmer auf den letzten Metern an Land. Es ist im Gegensatz zur genannten bergigen türkischen Halbinsel keine Steilküste sondern flaches Ufer. Den Motor macht man vorher aus, damit die Motorschraube nicht beschädigt wird. Das knipste jemand und fragte scherzhaft, woher sie kamen und wie weit sie das Boot gezogen haben. Da zeigten sie auf das sichtbare türkische Festland und die Story war geboren.
Oder aber, die Medien brauchen gar keine Fakten und recherchieren deshalb nicht mehr. Und je öfter die Geschichte wiederholt wird, desto „wahrer“ wird sie. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass die Medien auch in anderen Bereichen nach dem gleichen Prinzip verfahren. So zum Beispiel in der Causa Chemnitz. Da wurde nach einem Mord von der Bundesregierung eine „Hetzjagd gegen Ausländer“ in Umlauf gebracht. Und der Staatsfunk und die Zeitungen greifen das ohne Recherche auf und verbreiten das millionenfach. Selbst als die Polizei und die Staatsanwaltschaft das dementierten, machten die Medien skrupellos weiter. Es wird immer noch über den Aufstand der Gutmenschen gegen die behauptete Hetzjagd berichtet. Gefeuert wurde nicht etwa ein Redakteur oder gar der Regierungssprecher, der diese Behauptung einer Antifa-Gruppe quasi regierungsamtlich in die Welt gesetzt hatte, sondern der Geheimdienstchef, der es gewagt hatte, die Erkenntnisse der o. g. Staatsorgane öffentlich zu wiederholen.
Chemnitz gehörte zur „sog. DDR“. Aber Chemnitzer, die das damalige Regime noch erlebt haben, sagen, dass die DDR in Sachen Glaubwürdigkeit nicht schlimmer war. Das sollte uns zu denken geben!
Anmerkung: Wer das mit dem Nordwind nicht glaubt, möge sich einmal mit der Stadt Ephesus befassen. Diese Stadt war einmal Hafenstadt, bevor sie wegen Raubbau versandete und die Ruinen jetzt kilometerweit vom Meer entfernt liegen. Ihre Blütezeit hat sie dem Umstand zu verdanken, dass die Schiffe wegen der Windverhältnisse auf dem Weg durch die Dardanellen und Marmarameer ins Schwarze Meer oft ein halbes Jahr in Ephesus Halt machen mussten, bis die Windverhältnisse eine Weiterfahrt ermöglichten. Troja an den Dardanellen gab es schon nicht mehr. Bei diesem Halt gaben die Matrosen ihre Heuer für Vergnügungen sowie Souvenirs (Kunstartikel und anderes) aus. Diese Zwangspause war den Windverhältnissen geschuldet, die sich bis heute nicht geändert haben.