Von Shoumojit Banerjee
Der Zusammenstoß von 1948 in Deir Yassin wird oft als Beweis für die Brutalität der Zionisten angeführt und hat die Erzählung vom ‚Siedlerkolonialismus‘ befeuert. Bei genauerer historischer Betrachtung zeigt sich zeigt jedoch, dass es sich nicht um eine ethnische Säuberung handelte, sondern um einen Propagandasieg, der bis heute die Debatten von Gaza bis zu den Ivy-League-Campus verzerrt.
Das Massaker von Deir Yassin während des ersten arabisch-israelischen Krieges 1948 ist ein elementares Moment in der palästinensischen Erinnerung und ein mächtiges Symbol der vorherrschenden Erzählung von zionistischer Brutalität und ethnischer Säuberung.
Seit Jahrzehnten wird es als Erbsünde des israelischen Staates dargestellt: Ein brutales Massaker an angeblich über 250 arabischen Dorfbewohnern durch jüdische Milizen am 9. April 1948. Es ist sogar noch berüchtigter geworden als die Vertreibungen aus Lydda und Ramla.
In seinem gründlich recherchierten Buch „The Massacre That Never Was“ (2018) widerlegt der Historiker Eliezer Tauber jedoch mit forensischer Präzision den Mythos von Deir Yassin.
Das Dorf westlich von Jerusalem war der Schauplatz einer erbitterten Schlacht während des Krieges von 1947–48, in der jüdische Kräfte, hauptsächlich der Irgun, der rechtsgerichteten zionistischen Miliz, und der Lechi, gegründet von Avraham Stern, einer radikaleren Untergrundgruppe, die abwertend als ‚Stern-Bande‘ bezeichnet wurde, um die Aufhebung der Belagerungsrings um Jerusalem kämpften. Ihr Ziel war es, die Zufahrtswege nach Jerusalem zu sichern und bewaffnete arabische Truppen zurückzuschlagen, die nach dem Teilungsplan der Vereinten Nationen jüdische Gebiete blockiert hatten.
Tauber, der arabische und jüdische Zeugenaussagen, Familienaufzeichnungen und Beweise vom Schlachtfeld akribisch miteinander abglich, konnte bestätigen, dass von den insgesamt 101 Toten nur 61 durch aktives Kämpfen in Deir Yassin getötet wurden. Doch es gab keine Beweise dafür, dass 250 Dorfbewohner massakriert wurden, und auch mit Sicherheit keine Vergewaltigungen oder Erschießungen in Reih und Glied. Von den 101 getöteten Arabern waren die meisten bewaffnete Kämpfer, einige als Frauen verkleidet, andere schossen aus Steinhäusern, die mit Sprengstoff gesprengt werden mussten.
Woher kam also der Mythos? Husayn al-Khalidi, Sekretär des Arabischen Hohen Komitees, forderte den Journalisten Hazim Nusayba auf, das Ereignis propagandistisch maximal auszuschlachten. Das sollte die arabischen Staaten zum militärischen Handeln provozieren. Er drängte Überlebende sogar, Folter, Raub und Vergewaltigungen zu behaupten, obwohl nichts davon geschehen war. Westliche Politiker schluckten die Geschichte ungeprüft, wobei einige britische und UN-Vertreter Deir Yassin bizarrerweise mit den Nazi-Gräueln in Bergen-Belsen verglichen. Arabische Radiosender, besondere in Jordanien und Ägypten, bliesen die Berichte auf. Das löste Panik unter den Arabern aus und beschleunigte ungewollt die Flucht der Leute aus den umliegenden Gebieten.
Dass amerikanische Leser vier Jahre auf eine englische Ausgabe von Tauber‘s Buch warten mussten, ist an sich schon aufschlussreich. Ein renommierter Universitätsverlag lehnte die Veröffentlichung mit der Begründung ab, das Buch richte sich nur an die rechte Szene und würde den Ruf des Verlags beschädigen – ein bezeichnender Beleg für die intellektuelle Feigheit, die empirische Beweise kurzerhand unterdrückt, in vorauseilender ‚Furcht‘, die Linken und Arabisten zu beleidigen, die die Nahoststudien an amerikanischen Universitäten beherrschen.
Zugleich ist die frühe Geschichte Israels gewiss nicht makellos. Irgun und Lechi verübten Taten, die bleibende Schandflecke in der nationalen Erinnerung sind. Allerdings ist hier eine wichtige Unterscheidung zu treffen: David Ben-Gurion verurteilte Deir Yassin aufs Schärfste. Auch die Ermordung des UN-Vermittlers Graf Folke Bernadotte im September 1948 durch militante Mitglieder der Stern-Bande zog den Zorn der höchsten Behörden nach sich. Die israelische Regierung verbot die Gruppe umgehend und verhaftete ihre Anführer. Anders als in der arabischen politischen Kultur, die Terrorakte allzu oft verherrlicht, drängte der jüdische Staat jüdischen Extremisten an den Rand. Er entzog ihnen die Legitimität, obwohl sie zu seiner Entstehung beigetragen hatten.
Die Tatsache, dass Menachem Begin, einer der Gründer der Irgun, später als Premierminister den Friedensvertrag mit Ägypten unterzeichnete und die Sinai-Halbinsel im Austausch für die Anerkennung Israels zurückgab, illustriert nicht den Triumph des Extremismus, sondern dessen Zähmung. Unabhängig von seiner Vergangenheit prägte Begins Amtszeit nach dem Wahlsieg 1977 eher Staatskunst als Ideologie. Weit davon entfernt, seine militanten Wurzeln zu verherrlichen, regierte er im Rahmen der Gesetze und gab Gebiete für den Frieden auf, ein Schritt, der unter Israels regionalen Gegnern fast undenkbar ist.
Allgemeiner formuliert: Israels frühe Erfahrungen mit seine Untergrundmilizen Irgun, Lechi und Palmach führte zu einer institutionellen Architektur, die zivile Kontrolle, rechtsstaatliche Verantwortlichkeit und demokratische Überwachung betonte. Anders als in der arabischen Welt sonst üblich, löste Israel die paramilitärischen Gruppierungen nach der Unabhängigkeit 1948 auf, integrierte sie in die einheitliche Armee oder verbot sie gänzlich.
Doch der Mythos von Deir Yassin bleibt ein wirkmächtiges Element der palästinensischen Opfererzählung, ist Generationen vermittelt worden und dient militanten wie ‚etablierten‘ politischen Akteuren als grundlegende Klage. Er lebt fort in der Propaganda der Hamas, den Schulbüchern der Palästinensischen Autonomiebehörde und dem Aktivistentheater bis hin nach Indien. Deir Yassin dient als emotionale Munition, um gewaltsamen ‚Widerstand‘ zu rechtfertigen, Israel das Existenzrecht abzusprechen und den Zionismus als von Natur aus völkermörderisch darzustellen.
Tatsächlich kollabiert der Mythos vom ‚jüdischen Siedlerkolonialismus‘ unter dem Gewicht der Geschichte. Keine andere moderne Unabhängigkeitsbewegung fußt gleichermaßen derart auf der eigenen historischen Gegenwart und dauerhaften kulturellen Anbindung an ein fragliches Land. Juden sind keine fremden Eindringlinge, sondern die ursprünglichen Bewohner, deren Souveränität in Judäa und Samaria (also dem Westjordanland) lange vor dem Aufstieg des Islam oder der Gründung der meisten modernen Staaten bestand.
Lange bevor europäische Mächte den Nahen Osten aufteilten, hatten die Juden bereits einen antikolonialen Krieg auf dem Land ihrer Vorväter geführt, und gesiegt. Im Jahr 167 v. Chr. leiteten die Makkabäer, eine Priesterfamilie aus Judäa, die Revolte gegen die Seleukiden, die der jüdischen Bevölkerung hellenistische Religion und Kultur aufzuzwingen suchten. Das stellte die jüdische Souveränität für fast ein Jahrhundert unter der Hasmonäer-Dynastie mit Jerusalem als Hauptstadt wieder her.
Die Römer, die die Verbindung der Juden zu ihrem Land ausradieren wollten, benannten es in ‚Palästina‘ um, ein Begriff, der sich bis heute hält. 70 n. Chr. zerstörten sie den Zweiten Tempel und schickten die Juden in die Diaspora. Aber auch diese Vertreibung konnte nicht ihre Identität auslöschen. Tägliche Gebete, rituelle Praktiken und das jüdische Gesetz bewahrten die Erinnerung an Zion über Jahrtausende hinweg.
Die Rückkehr der Juden im 19. und 20. Jahrhundert war kein europäisches Kolonialprojekt, sondern eine nationale Wiederherstellung, die auf einer andauernden historischen, rechtlichen und spirituellen Verbindung zu dem Land fußte.
Die Anschuldigung ist nur noch grotesker, wenn man bedenkt, wer sie erhebt. Linksgerichtete Intellektuelle wenden den Begriff ‚Siedlerkolonialismus‘ auf die Selbstbestimmung der Juden an, ignorieren jedoch weitaus eindeutigere historische Beispiele – allen voran die islamische Eroberung Indiens.
Über fast ein Jahrtausend hindurch unterwarfen aufeinanderfolgende Wellen arabischer, türkischer, afghanischer und mogulischer Invasoren den indischen Subkontinent, veränderten seine Demografie, religiöse Landschaft und politische Ordnung, was den renommierten Historiker Will Durant veranlasste, die islamische Eroberung Indiens als „die blutigste Geschichte der Menschheit“ zu bezeichnen, „eine entmutigende Erzählung, deren offensichtliche Moral lautet, dass Zivilisation eine prekäre Angelegenheit ist“. War diese Episode kein ‚Siedlerkolonialismus‘? Dennoch provoziert das in denselben Kreisen, die sich obsessiv mit dem Zionismus beschäftigen, nur selten moralische Entrüstung.
Nichts davon entschuldigt Fanatismus oder Ungerechtigkeit irgendeiner Seite. Das grausame Massaker des jüdischen Extremisten Baruch Goldstein an 29 muslimischen Gläubigen im Grab der Patriarchen im Jahr 1994 löste zu Recht Empörung in ganz Israel und darüber hinaus aus. Dennoch wird er von einer Randgruppe religiöser Nationalisten, darunter Itamar Ben-Gvir (der einst ein Foto von Goldstein zu Hause aufbewahrte), in verstörender Weise verehrt. Aber die israelische Regierung, Oberrabbinat und ein Großteil der Gesellschaft verurteilten die Tat umgehend.
Dies unterstreicht eine oft ignorierte Realität: Während weite Teile der arabischen Welt die palästinensische Gewalt gegen Israelis glorifizieren – von Hamas-Paraden bis hin zu staatlichen Fernsehsendungen, verurteilen Israelis im Allgemeinen jüdische Gewalt gegen Araber, verfolgen sie strafrechtlich und grenzen sie aus dem öffentlichen Leben aus.
Im Wettstreit um moralische Symmetrie zählen nach wie vor die Fakten. Viele der schärfsten Kritiker Israels sitzen an Orten wie Cambridge, Columbia und Delhi. Sie sind die Kinder privilegierter Familien, die, aufgewachsen mit den Früchten des Liberalismus, blind für dessen Bürden sind. Dass einige indische Eliten im In- und Ausland einen 77 Jahre alten jüdischen Staat mit ‚Siedlerkolonialismus‘ und das theokratische Regime im Iran mit ‚edlem Widerstand‘ gleichsetzen, sagt wenig über die Realität Israels aus als über ihren eigenen verzerrten moralischen Kompass und den tieferen Impuls, innenpolitische Frustrationen auf ausländische Schlachtfelder zu projizieren.
Shoumojit Banerjee, Journalist mit 16 Jahren Berufserfahrung, begann seine Karriere bei der renommierten Tageszeitung The Hindu, wo er mit viel Talent gleichermaßen über nationale Politik und Kino berichtete. Heute ist er Chefredakteur bei The Perfect Voice, einer Start-up-Zeitung mit Sitz in Mumbai, wo er tagsüber die verworrenen Fäden der Geopolitik entwirrt und nach Feierabend als Zeitreisender durch die Weltkriege, die napoleonische Ära und die Ruinen der Maratha-Konföderation streift. Geschichte bleibt sein wahres Steckenpferd. Die Gegenwart sieht er nur als eine flüchtige Ablenkung.