Die großen Probleme der Windenergie – drei aktuelle Veröffentlichungen aus der Wissenschaft

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Von Philipp Lengsfeld

Die momentane Bundesregierung setzt gemäß ihrer politisch-medialen Verlautbarungen und den konkreten politischen Handlungen voll auf die sogenannten erneuerbaren Energien, insbesondere Solar und Wind.

Diese Linie führt uns geradewegs in eine politische, wirtschaftliche und soziale Krise, wie ich hier kürzlich ausgeführt habe.

Insbesondere beim Thema Wind ist die Sachlage besorgniserregend – Windenergie ist nämlich bei exzessiven Ausbau auch ökologisch hoch problematisch.

Dazu möchte ich auf drei aktuelle Arbeiten aus der Wissenschaft näher eingehen.

Die erste dieser Arbeiten ist ein Reviewartikel von Prof. André Thess vom DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, einer sogenannten außeruniversitären Forschungseinrichtung, der gleichzeitig – dies ist üblich bei hochrangigen Positionen in außeruniversitären Einrichtungen – eine Professur für theoretische Physik an der Uni Stuttgart innehat. Zweitautor bin ich in meiner Rolle als wissenschaftlicher Direktor der von mir gegründeten und ehrenamtlich geleiteten re:look climate gGmbH.

In diesem Reviewartikel, also einer Arbeit, die andere Arbeiten zusammenstellt und in einen Rahmen setzt, haben Prof. Thes und ich uns um drei Nebenwirkungen der Windenergie gekümmert: Um die ungewollte Beeinträchtigung von Fluginsekten (migrating insects), um die mögliche Beeinflussung von lokalem und regionalem Wetter und Klima und um das Thema Beeinträchtigung des Menschen durch Schall, insbesondere Infraschall. Zu allen drei Themen fanden wir aktuelle und relevante Literatur, wobei die Abdeckung sehr asymmetrisch ist – während das Thema Infraschall relativ breit studiert ist und bei Einhaltung von adäquaten Mindestabständen kein gravierendes Problem zu sein scheint (der Teufel steckt hier aber wie so oft im Detail), sind die beiden anderen Faktoren durchaus ziemlich beachtenswert. Details finden Sie in der Originalarbeit (hier in Englisch).

Ein Thema, dass bislang in der öffentlichen Debatte um den Ausbau der Windenergie zu Unrecht eher stiefmütterlich behandelt wurde, ist die Beeinflussung von lokalem und regionalem Wetter und Klima. Daher ist es zu begrüßen, dass diesem Thema endlich mehr Beachtung geschenkt wird, wie die nächsten zwei hier besprochenen Arbeiten veranschaulichen.

Eine dieser Arbeiten stammt von den Autoren Akhtar, Geyer und Schrum vom Helmholtzzentrum Hereon in Geesthacht, einem der führenden Institute Deutschlands in Sachen Klimaforschung. Und zwar führend bezüglich der Forschung der eigentlichen Klima- und Wettermechanismen und nicht etwa dem massiv politisierten Bereich der Klimafolgenforschung, wo ja das Potsdamer PIK an vorderster Front steht.

Die Facharbeit, ein sogenannter peer-reviewed original article, die auch in Englisch verfasst ist, befasst sich mit den Effekten großer Windanlagen auf dem Meer auf das Verhalten des Windes. Hierbei kommt es nicht nur zur Windabbremsung (der Primäreffekt der Turbine ist der Entzug von Windenergie und Umwandlung derselben in Strom, d.h. je mehr Strom erzeugt wird desto stärker wird der Wind geschwächt), sondern zu in der Öffentlichkeit noch weniger bekannten Sekundäreffekten durch die riesigen Anlagen: Windturbulenzen, Scheerwinde und Wirbelschleppen. In der Arbeit werden diese Effekte von Windturbinen in ein regionales Wettermodell eingebaut. Die Ergebnisse sind eindeutig und nicht unerheblich. Im Bereich um die Windfarmen kommt es zu deutlichen Windveränderungen und Temperaturanstiegen. Die Effekte sind für jede Windfarm lokal begrenzt – die Autoren geben in der Diskussion einen Abstand von 50 km um die Windfarm an. Damit sind diese Effekte, obwohl nicht in der Studie konkret untersucht, auch für die Küstenbereiche nahe der Windfarmen relevant.

Die dritte Arbeit verantwortet Axel Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Sie erschien in Deutsch in „Physik in unserer Zeit,“ einer Übersichtszeitschrift, die physikalische Zusammenhänge für ein interessiertes erweitertes Fachpublikum verständlich darlegt. Der Artikel ist unter den Regeln des open access/open content erschienen, kann also unter Angabe der korrekten Quelle frei genutzt werden.

Axel Kleidon beschäftigt sich ebenfalls mit Windfarmen auf dem Meer und der Problematik der Windschwächung, hier aber vor allem unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit. Über kinetische Energiebilanzen berechnet er die Reduktion der Windgeschwindigkeiten gemäß Anlagengröße. Natürlich nimmt die Windgeschwindigkeitsreduktion mit steigender Anlagengröße zu. Ein Kernergebnis der Arbeit zeigt Abbildung 6, die darstellt, wie sich die Häufigkeitsverteilungen der Windgeschwindigkeiten bei steigender Anlagengröße hin zu geringeren Windgeschwindigkeiten verschiebt. So liegt die berechnete Verteilung ohne Windanlagen bei einer Spitze von 9,4 m/s mit relativ breiter Verteilung, diese verschiebt sich bei der größten Anlage (72 GW) zu 5,4 m/s mit deutlich kleinerer Windgeschwindigkeitsverteilung. Damit wird die Windgeschwindigkeit in der Spitze fast halbiert.

Kleidon führt aus, dass zwar offshore, also auf dem Meer, aus seiner Sicht viel Potenzial für Windkraftausbau liegt, der deutliche Windschwächungseffekt bei einem weiteren Ausbau aber eine erhebliche Rolle spielen wird. Als Gegenstrategie empfiehlt Kleidon größere Abstände zwischen den Windparks.

Für mich zeigt Kleidons Arbeit zwei Punkte: Der ohnehin schon erhebliche Flächenbedarf für Windenergie und die weiteren Randbedingungen eines Windkraftausbaus werden durch den Windschwächungseffekt auch auf dem Meer massiv beeinträchtigt. Aber vor allem: Die Effekte sind real und haben Folgen und werfen deshalb immer schwerere Fragen bezüglich der Sinnhaftigkeit des fortgesetzten exzessiven Ausbaus der flächenintensiven Windkraft auf, die nicht nur Mensch und Tierwelt direkt betrifft, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf das lokale und damit dann letztlich auch regionale Wetter und Klima hat.

Dr. rer. nat. Philipp Lengsfeld ist ehrenamtlicher Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor der gemeinnützigen re:look climate gGmbH

Quellen:

Thess-Lengsfeld-Paper:

Thess, A.D.; Lengsfeld, P. Side Effects of Wind Energy: Review of Three Topics—Status and Open Questions. Sustainability 202214, 16186.

https://doi.org/10.3390/su142316186

Akhtar-Geyer-Schrum-Arbeit

Akhtar, N., Geyer, B. & Schrum, C. Impacts of accelerating deployment of offshore windfarms on near-surface climate. Sci Rep 12, 18307 (2022).

https://doi.org/10.1038/s41598-022-22868-9

Axel Kleidon in Physik in unserer Zeit, 1(2023) (54), 30-36.

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/piuz.202201654



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