Verantwortung und Freiheit – eine unbequeme Liaison

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V0n Gastautor Josef Hueber

 Überlegungen zur Entsorgung von Freiheit unter dem Vorwand übergeordneter Verantwortung

„Zu fällen einen schönen Baum, braucht ‘s eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht er, bedenk’ es, ein Jahrhundert.“ (Eugen Roth) 

Unordnung – Ursache von Verwahrlosung 

Rudy Giuliani, 2001 für die New York Times “Mensch des Jahres”, blieb den New Yorkern nicht nur wegen seiner Reaktionen auf 9/11 im Gedächtnis, sondern auch wegen seiner innovativen Idee zur Reduzierung der Verbrechensrate in ihrer Stadt. . Seine “Null-Toleranz-Strategie” setzte es sich zum Ziel, Zeichen von Vandalismus und Verschmutzung des öffentlichen Geländes zu beseitigen, „die Verwahrlosung der Stadt zu stoppen.” Und er hatte Erfolg. Das FBI bezeichnete unter seiner Zeit als Bürgermeister von NYC  6 Jahre lang NewYork als die “sicherste Großstadt der USA“.

Was im Bereich des sichtbaren, öffentlichen Erscheinungsbildes gilt, darf auch für den Bereich der „geistigen“ Erscheinungsbildes einer Gesellschaft gelten. Auch es ist nicht bedingungslos fern der Gefahr einer Verwahrlosung.

Zeichen der Verwahrlosung – Krieg gegen Freiheiten

Anzeichen der Verwahrlosung von Werten in den westlichen

Gesellschaften sind hinlänglich diagnostiziert. Angriffskriege linker Ideologien werden geführt – unterschiedlich weit fortgeschritten – gegen die freie Meinungsäußerung, die Freiheit von Wissenschaft, gegen die liberale Marktwirtschaft, die Freiheit des gewählten Lebensstils (Mobilität, Reisen, Ernährung), gegen den Alleinvertretungsanspruch der Eltern hinsichtlich der sexuellen Aufklärung und der diesbezüglichen Begleitung ihrer Kinder in das Erwachsenwerden, ja selbst gegen das Lebensrecht ungeborenen Lebens – bis hin zur Infragestellung eines legitimen Kinderwunsches. Denn jedes neue Leben sei eine Gefahr für den Planeten durch dessen CO2 – Fußabdruck und den angeblich unverantwortbaren Ressourcenverbrauch.

Diese Vernichtungsfeldzüge im Kampf für „Fortschritt“ (und damit eine vorgeblich bessere Zukunft) nennt Guiseppe Gracia, der Schweizer Publizist, die „Utopia Methode“.

Die Abschaffung von Freiheiten im Namen der Verantwortung

Die Abschaffung von Freiheiten darf freilich nicht nach Bevormundung aussehen. Es gilt, den Bevormundeten das Bewusstsein zu vermitteln, dies geschehe aus bewusst bejahter Verantwortung zugunsten einer höheren Moral.  Klima, Umwelt und Gesundheit kristallisieren sich als die aktuellen, primären Bewährungsfelder der neuen , „verantwortbaren“ Freiheit. Sich in deren verzweigten Bereichen dem Mainstream nicht einzugliedern, so wird unterstellt, heißt, die Grenzen zur Freiheit der anderen zu missachten und sich damit moralisch zu disqualifizieren. Abweichlertum ruft folglich nach Sanktionierung unverantwortlichen Verhaltens in Form von Ausgrenzung. Auf den Punkt brachte diese totalitäre Argumentation der bayerische Ministerpräsident Söder: „IMPFEN SCHAFFT FREIHEIT.“ Man höre genau hin: Freiheit hat der Einzelne nicht a priori, sondern sie wird staatlich gewährt – unter der Voraussetzung persönlicher Compliance, d.h. mitmachen, was alle machen. Dies bedeute Freiheit in Verantwortung.

Der Hass gegen die Verweigerer der „neuen“ Freiheit – Symptom der Verwahrlosung

Man könnte glauben, einer Gesellschaft, die 12 Jahre Diktatur, ein Teil davon weitere 44 Jahre, erlitten hat, läge nichts ferner, als die wieder geschenkte bzw. erkämpfte Freiheit an den Staat bzw. die Gesellschaft abzutreten.

Dieser Irrtum verlangt nach einer Erklärung.

Könnte es sein, dass dem Verzicht auf persönliche Freiheit, der Akzeptanz der propagierten, zunehmenden Übertragung von Verantwortung an den Staat, eine Wohlstandsverwahrlosung zugrunde liegt? Ein bequemes Sich-eingebettet-Wissen in staatliche Fürsorge? Keine Verantwortung tragen zu müssen im Falle persönlichen Scheiterns? Mit anderen Worten: die Überzeugung, ohne Verantwortung für den als Selbstverständlichkeit wahrgenommenen Wohlstand und ohne Verantwortung für die als Selbstverständlichkeit wahrgenommene Freiheit gemütlicher dahinleben zu können? Dies unterstellt, ergibt sich die Frage: Steckt für die Profiteure ausgelagerter Verantwortung eine störende Provokation in dem Beharren der Abweichler auf mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung und weniger Staat? Liegt hier vielleicht das nachvollziehbare Motiv für den Befürwortern individueller Freiheit entgegenschlagenden Hass?

Dazu kommt: Das Beharren auf dem Recht freier Entscheidungen, gegebenenfalls im Gegensatz zum Mainstream, ist zugleich ein Angriff auf das arrogante Bewusstsein einer moralischen Überlegenheit der Angepassten. Was diese als Verantwortung für das Große Ganze definieren, ist nämlich letztlich nichts weiter als die entmündigende Selbstauslieferung an das Kollektiv, eine Absage an die mühsam erkämpften Werte der Aufklärung.

Und das wiederum ist eine Form der Verwahrlosung.



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