Ares – Ein eurokritischer Thriller

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Der vierte Thriller, den Frank Jordan bei Lichtschlag veröffentlicht hat, ist sein bester. Meistens ist es umgekehrt. Ein Autor verfasst einen guten Roman und alles, was danach kommt, reicht nicht an den ersten Erfolg heran. Bei Jordan, eigentlich Monika Hausamman, kann man feststellen, dass sie sich frei schreibt von Längen und Holprigkeiten, die in ihren ersten Büchern noch zu finden sind. Ares ist spannend bis zur letzten Seite, trotz eingeflochtener philosophischer, psychologischer, soziologischer und politischer Betrachtungen. Insgesamt liefert die Autorin ein umfassendes Gemälde, was warum in der EU schiefläuft und warum uns das alle gefährdet.

Schon der Beginn ist dramatisch. In Spanien bestieg der Schütze Ben Kramer, Soldat einer europäischen Armee eine LKW, um zu einem Einsatzort zu fahren, an dem eine gewalttätige Demonstration niedergeschlagen werden soll. Seine Kameraden sind Söldner wie er, aus allen europäischen, aber auch außereuropäischen Ländern, ohne Bindung an ein Volk oder eine Region, universell einsetzbar. Als Becker merkt, dass sein Sniper-Kompagnon anfängt, aus lauter Mordlust, wahllos Menschen zu exekutieren, schaltet er ihn aus. Dann will er den Tatort verlassen, von dem man jetzt erfährt, dass es sich lediglich um eine virtuelle Übung gehandelt hat. Aber Becker wird von einer Art Militärpolizist umgebracht, nicht virtuell, sondern tatsächlich. Er hatte sich nicht bewährt und wird als lästiger Zeuge beseitigt.

Was sich in Spanien und in anderen streng von der Öffentlichkeit abgeriegelten Lagern abspielt, ist streng geheim. Becker ist nicht der einzige Söldner, der zu Tode kommt, es sterben auch Männer, weil sie ihrer Familie in persönlichen Botschaften zu viel Informationen gegeben haben.

Ares ist in der griechischen Mythologie der Gott des schrecklichen Krieges, des Blutbades und Massakers. Im Thriller ist es der Deckname für eine EU-Söldnerarmee, die hinter dem Rücken der europäischen Öffentlichkeit aufgebaut und einsatzfähig gemacht werden soll. Das ideale Machtinstrument für Eurokraten.

In der Schweiz werden der neu gebildeten Regierung abgehörte Telefonate zugespielt, die auf beängstigende Entwicklungen innerhalb der EU schließen lassen. Bundespräsident Ludwig und sein Sicherheitschef Jo Burger beauftragen daraufhin den Helden aller Jordanschen Bücher, den Geheimagenten Carl Brun, diese Vorgänge aufzuklären. Brun, der sich eigentlich im Exil in Schottland befindet, weil er bei seinen letzten Ermittlungen der früheren Schweizer Regierung zu sehr auf die Schliche gekommen war und abtauchen musste, lässt sich erneut in die Pflicht nehmen. Auch sein Team ist bereit, wieder mit ihm in die Schlacht zu ziehen, bei der erst herausgefunden werden muss, wer der Feind ist und was er vorhat.

Schon bald erschüttert eine Serie von Anschlägen Europa, von denen aber für Brun sehr schnell klar ist, dass sie nur das Vorspiel für ein Attentat sind, das so monströs ist, dass man es kaum zu denken wagt.

Wie Jordan ihr komplizierte Geflecht von Personen durch die Handlung führt, ist bewundernswert. Da ist einmal der neue Bundeskanzler Deutschlands, Eric Hessberg, der sich im Wahlkampf erfolgreich als Gegenstück zum üblichen Politikbetrieb inszeniert hat und sich als genauso korrupt und über Leichen gehend erweist, wie seine Kollegen. Wie Hessberg erfährt, dass ein Attentat mit tausenden Opfern, an dessen Planung sein Wahlkampfleiter und Regierungsberater und hohe Funktionäre seiner Regierung und der EU beteiligt sind, die absolute Macht sichern soll und er sich entscheidet, Teil davon zu werden, ist ein Handlungsstrang.

Damit verflochten ist die Geschichte der weltbekannten DJ Essia, eine Muslimin aus dem arabischen Ghetto von Marseille, die es mit Hilfe ihrer Familie, besonders ihres Vaters, auf Grund ihres einzigartigen Talents geschafft hat, zu einer Performerin der Weltspitze zu werden. Jordan beschreibt das Milieu in Marseille so lebendig, dass man das Gefühl hat, sie hätte darin gelebt. Das trifft aber auch auf die Schilderungen zu, die sie von der globalen Partyszene abgibt. Essia, die ihre pausenlosen Termine, Auftritte, Interviews und Partys nur mit Drogen und Alkohol aushält, wird von ihrem Manager manipuliert. Ihr einziger Freund aus Marseiller Zeiten kämpft vergebens um sie. Das erlebt der Leser mit, als wäre er dabei. Man versteht am Ende, wie aus dieser Gemengelage bei Essia die Bereitschaft entstehen konnte, sich während eines Auftritts in die Luft zu jagen. Ihr liegt nichts an diesem Leben, dem sie auf diese Weise doch noch einen Sinn geben will. Als sie die Manipulation durchschaut, ist es zu spät. Ihr Freund ist tot, ihr bleibt nur, ihm zu folgen.

Ein dritter Handlungsstrang beleuchtet die EU. Auch hier ist es Jordan gelungen, diese Funktionäre neuen Typus sehr genau zu zeichnen. Man begreift, wie ein Mensch gestrickt sein muss, um in diesem Apparat zu funktionieren. Ihre Heldin Sibel Marquart ist eine typische EU-Bürokratin: „Sie war die optisch perfekt gestaltete Schnittstelle zwischen ihrem Gegenüber und dem Haufen Anweisungen in ihrem Inneren. Es war die Leere einer ganzen Generation, der man via staatliches Bildungssystem Kompetenzen anstelle von Kenntnissen, Informationen anstelle von Wissen, Konsens anstelle von Kritik mit auf den Weg gegeben hatte…Der Höhepunkt einer Zivilisation, die alles Eigene bewusst abgeschafft, vergessen und durch perfekt funktionierende Gleichgültigkeit ersetzt hatte…Ihre Generation war das Ende der Geschichte, zu der sie bereits keinen Zugang mehr hatte.“

Am Ende des Thrillers gelingt es Brun und seinem Team, das große Attentat zu verhindern.

Aber das System, das diese Blaupause ersonnen hat, hat nur einen Rückschlag erlitten, mehr nicht. Es ist unter uns.

Frank Jordan: Ares



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