von Gastautor Alexander Meschnig
Lieber F.,
ich habe eine Weile überlegt, ob ich Dir schreiben soll. Ich tue es, weil es mir um einige prinzipielle Dinge geht, über die ich mir selbst klar werden wollte. […] Teil I
Greta Thunberg
Ich habe mir, auf Deinen Hinweis, nun einige Videos von Greta Thunberg, auch das bei den Vereinten Nationen angeschaut. Was ich da gesehen habe, hat mich wirklich erschüttert. Die Instrumentalisierung eines behinderten Kindes für die eigene Agenda grenzt für mich an Kindeswohlgefährdung. Es gibt in der westlichen Welt eine Schutzpflicht gegenüber einem Kind. Warum die Eltern nicht wegen Kindesmissbrauchs belangt werden, weiß ich nicht. Man braucht kein Psychologe zu sein, um zu prophezeien, dass hier bald ein psychischer Zusammenbruch erfolgen wird.
Unabhängig davon ist vor allem der letzte Auftritt mehr als grotesk. Die Untergangsszenarien und die Unerbittlichkeit, die Maximalforderungen, die jeden, der nicht bereit ist, 100 % zuzustimmen, grenzenlos beschimpft, das alles hat etwas Totalitäres, Erschreckendes. Am Interessantesten ist aber die Reaktion der beschimpften Erwachsenen: Sie applaudieren ihrer eigenen Abwertung! Ein Facebook-User schrieb dazu treffend:
„Mich hat dieser Auftritt tief geschockt, und ebenso die Reaktionen. Dieser Fanatismus. Diese Instrumentalisierung. Das Ganze hat etwas Mittelalterliches. Totalitäres. Es erinnert an Videos von sowjetischen Revolutionären in den Anfangstagen und Applaus für Selbstbezichtigungen unter Stalin. Oder an chinesische Auftritte zu Zeiten der Kulturrevolution. Die heutige Greta Rede in New York sollte jeder sehen, um eine Diktatur zu verstehen. Und alle sind begeistert. Wer das ablehnt, hat sich für immer aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen. Schon jetzt, nur mit einer oberflächlichen Diskussion, ist die Stimmung aufgeladen.“
Willkommen im totalitären Staat, nur diesmal unter dem Banner des Ökologismus und zum Wohl der Uneinsichtigen. Kannst Du wirklich nicht sehen, welches Tor hier geöffnet wird? Denn um die Menschheit zu „retten“ sind totalitäre Visionen ohne jegliche Scham aussprech- und umsetzbar. So fordert Fridays for Future eine globale, totale Mobilmachung von Ressourcen zur „Rettung“ und zwar in einem Ausmaß „ähnlich wie zu Kriegszeiten“. Dass Bewegungen, wie die Endzeitsekte Extinction Rebellion gerade in Deutschland so viele gläubige Anhänger finden, ist kein Zufall. Und es ist wohl keine allzu gewagte Prognose, dass mit der sogenannten Klimabewegung neue Formen des Terrors und der Gewalt einhergehen werden.
Die Generationendebatte
Es ist vollkommen anmaßend und zeugt von keinerlei Geschichtskenntnis, wenn Jugendliche Westeuropas behaupten, sie hätten Angst, in dieser Welt zu leben. Alle vorherigen Generationen haben wirkliche Kriege, Katastrophen, Hunger und Diktaturen erlebt. Die heute herabgesetzte Vorgängergeneration hat all das unter großen Anstrengungen, Verzicht und Disziplin aufgebaut, von dem die Wohlstandskinder nun profitieren. Einer der wenigen vernünftigen Grünen, Boris Palmer, hat in diesem Sinne auf die Rede Thunbergs geantwortet: „Nein, wir haben deine Jugend nicht zerstört. Wir haben eine Welt erschaffen, die bessere Lebenschancen für junge Menschen bietet als jemals zuvor in der Geschichte.“
Die erste Generation, die in ihrem Leben keinerlei Entbehrungen oder Verzicht mehr leisten musste, hat nun mit dem Klimawandel ihr säkulares Heilsprojekt gefunden, auf das sie ihren Generationenkonflikt projiziert.
Es gäbe übrigens viel für die FFFs zu tun, das wäre aber anstrengend: nämlich Umwelt- und Naturschutz aktiv zu unterstützen, Parks von Müll zu säubern, Flussufer, Städte zu reinigen, wirklichen Konsumverzicht. In der Realität hinterlassen die Gretajünger nach ihren Demos aber tonnennweise Dreck und Wohlstandsmüll. Umweltschutz fordert in der Regel ein wenig mehr Engagement als imaginärer Klimaschutz. Was die Militanz der Bewegung derzeit noch hemmt, ist nur das schlechte Gewissen ob der eigenen Heuchelei. Man weiß ja aus Untersuchungen, dass der Grünwähler im Durchschnitt über das höchste Einkommen verfügt, die meisten Flugreisen unternimmt und auch beim privaten Konsum ganz vorne dran ist. Zur SUV-Dichte in den linksgrün dominierten Stadtteilen, mit denen Soja-Malte oder Anna-Sophie zur Schule gefahren wird, sage ich jetzt nichts.
Die eigentliche Spaltung (nicht nur) in Deutschland bringt der französische Sozialgeograph Christophe Guilluy auf den Punkt. Sie verläuft heute zwischen einer linksgrünen Bourgeoisie und denjenigen, die „sich weniger Gedanken über das Ende der Welt machen, sondern über das Ende des Monats“. In der Regel leben Letztere aber wohl um einiges umweltverträglicher als der urbane, globale Moralist.
Säkularer Religionsersatz
Wir haben es hier mit einer säkularen Heilslehre zu tun, die alle Zeichen einer Religion trägt. Dazu gehören: Die Masse der Gläubigen und der Mitläufer, eine Gruppe von Häretikern und Ketzern („Klimaleugner“, kritische Wissenschaftler) die bekämpft werden muss. Dann natürlich Schuldige (die böse Industrie, der Kapitalismus, die Alten), das Auftauchen einer Prophetin (Greta), die lauten Forderungen nach Buße und Verzicht (vor allem für die anderen), die Zerknirschtheit des Sünders, gepaart mit Scham, schließlich die erträumte Katharsis und natürlich auch eine apokalyptische Vision, nur, anders wie noch in der Offenbarung des Johannes, ohne Transzendenz, d.h. es folgt kein Paradies.
Es scheint, als wäre hier eine Ersatzreligion gefunden worden, die insbesondere eine von allen existenziellen Problemen befreite Jugend anzieht, die nun ein gemeinsames Projekt hat. In der Vorstellung des drohenden Unterganges der Menschheit, in der die Schuldigen ausgemachte Sache sind, steckt aber auch ein Moment der Lust an der Katastrophe. Angstlust hat Freud das genannt.
Endzeitreligionen neigen zu Fanatismus. Widerspruch ist nicht mehr erlaubt. Jeder, der nur ansatzweise Kritik übt oder Fragen stellt, wird gnadenlos ins Abseits gestellt. Er leugnet eben. Hier kommen typisch „deutsche Tugenden“ zum Ausbruch: die Selbstüberschätzung, der missionarische Eifer, die moralische Rigorosität und ein humorbefreiter Furor. Am deutschen Wesen soll wieder einmal die Welt genesen.
Demographie
Das größte Problem, das immer noch tabuisiert wird, ist die Demographie. Die demographische Entwicklung der arabischen, aber vor allem der afrikanischen Länder, übertrifft alles, was historisch bekannt ist. Selbst die Bevölkerungsexplosion in Europa seit dem 15. Jahrhundert, die im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt findet, verblasst dagegen in ihrer Dynamik. Afrika wächst jede Woche um fast eine Million Menschen, das sind 40-50 Millionen im Jahr. Keine Ökonomie der Welt kann auf Dauer ein Bevölkerungswachstum wie in Afrika oder den arabischen Ländern absorbieren. Damit bleiben den nachdrängenden jungen Männern drei Möglichkeiten:
– | Die Gewalt richtet sich nach innen, Bürgerkrieg, Rebellion, ein Aufstand gegen die staatlichen Institutionen und dominanten Väter. |
– | Gibt es infolge staatlicher Repression kein Ventil, das den Druck reduziert, kann die Lösung in der Konstruktion eines äußeren Feindes (der Westen, das Judentum) und dem Anschluss an radikale Gruppen (IS, Boko Haram, andere Terrormilizen) liegen. |
– | Es gelingt die Flucht und Auswanderung in die befriedeten Wohlstandzonen, nach geografischer Lage der Dinge also nach Europa und hier aufgrund seines umfangreichen Sozialsystems und der mentalen Verfassung des Landes, nach Deutschland. |
Diesem Problem müssen wir uns stellen und es ist in meinen Augen um vieles dringlicher. DAS wird aber aktuell durch die Klimadebatte vollkommen verstellt.
Conclusio
Dass die Energiewende gescheitert ist, kann man inzwischen vielfach nachlesen. Die horrenden Kosten von mehreren 100 Milliarden Euro haben keinerlei Einsparungen an C02 gebracht (das war ja das Ziel). Die physikalischen und chemischen Grenzwerte von Wind und Sonnenenergie können nicht außer Kraft gesetzt werden, auch wenn manche glauben, zaubern zu können. Das alleinige Setzen auf E-Mobilität (Rohstoffe, Problem der Batterien, Ladestationen etc.), die Zerstörung und Rodung von Wäldern für immer größere Windanlagen, die nicht grundlastfähig sind und deren Recycling ungeklärt ist, fehlende Trassen, fehlende Speichermöglichkeiten, das notwendige und irrsinnig teure Backup durch konventionelle Kraftwerke, die zur Stabilisierung des Stromnetzes am Netz gehalten werden müssen etc.
Ich glaube, wir sollten anfangen umzudenken und nicht Abermilliarden von Euro ausgeben für Null Effekt. Wir müssen unsere Umwelt und Natur schützen. Dass jeder einen vernünftigen Umweltschutz verfolgen sollte, darüber herrscht wohl Konsens. Ich wehre mich aber gegen hysterische, radikale und völlig unvernünftige Forderungen, gegen Weltuntergangs-Phantasien, die unsinnige Milliarden kosten und die die heimischen Industrien zerstören, auf denen der Reichtum des Landes beruht.
Meiner Meinung nach sollte sich jeder vernünftige Mensch gegen diese Einseitigkeit wehren und kritisch hinterfragen, wem das alles nutzt.
Politik ist immer interessengebunden. Die Moralisierung politischer oder wissenschaftlicher Kontroversen halte ich für kontraproduktiv.
Es wird zwischen uns nie einen Konsens geben. Das ist für mich auch nicht nötig. Das einzige, was mich wirklich stört, ist Deine rein moralische Haltung und Deine Empörung darüber, dass es Leute gibt, die anders denken als man selbst.
Alexander