Stockholm regiert Deutschland

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Von Gastautor Josef Hueber

Patroclus: Warum bin ich ein Narr?
Thersites: Frag’ deinen Schöpfer,
 mir ist’s genug, dass du’s bist.
S h a k e s p e a r e (Troilus und Cressida)

Wer nach einer Erklärung für die Geisteshaltung des linken Mainstreams in der „Flüchtlingsfrage“ versucht, muss tief ins Psychologische abtauchen. Diese Anbiederungssucht, sich einer psychologisch, philosophisch, spirituell und kulturell fremden sowie sich feindlich uns gegenüber definierenden Weltsicht anzugleichen, gleicht dem Phänomen des „Stockholm-Syndroms“. Laut Wikipedia geht dieser Fachterminus auf die Analyse und Auswertung eines Bankraubes 1973 in Schweden zurück. Die ermittelten Symptome bei den Geiseln während des Überfalls können hilfreich sein bei dem Versuch, die mentale Verirrung von Mainstream-Gutmenschen in Merkel-Deutschland zu erklären.
Das Stockholm-Syndrom manifestiert sich in einer „Wahrnehmungsverzerrung“, während der die Betroffenen nur einen „Teil der Gesamtsituation“ erfassen. Sie nehmen „kleinste Zugeständnisse“ in ihrer Bedrängnis als „große Erleichterungen“ wahr. Dies geht soweit, dass sie bald mehr „Sympathie“ den Verursachern ihrer Situation gegenüber aufbringen, als denjenigen, die sie aus dieser Situation befreien wollen. Es entsteht eine „emotionale Bindung“, wo für den „normalen“ Verstand seitens der Betroffenen Hass und Ablehnung zu erwarten wären. Diese Bindung kann sogar bis zur Identifikation mit den Tätern gehen.

Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Thomas Sternberg, überraschte dieser Tage seine katholischen Glaubensgeschwister, für die er in ihrer Gesamtheit offensichtlich meint sprechen zu können. Sein Gespräch mit einem Redakteur der Osnabrücker Zeitung enthält Spannendes, verblüffend Neues.

In seinen Visionen erscheint ihm ein herbeigewünschter „Schulterschluss“ von Katholiken mit den muslimischen Gemeinden beim Kampf gegen „Terror und Mord“.
Eine gute Sache! Wer, selbst von Friede und Freude in unserer zukünftig bunten Wohlstandsgesellschaft träumend, würde den Professor schon aus seinem Traum wecken wollen? Die zig Tausende Schutz suchenden Teilnehmer auf Großdemonstrationen im Multikulti-Wohlstands-Deutschland von morgen, die ihre Integration deutlich wahrnehmbar und aktiv herbeisehnen, wenn sie auf der Straße ihre Stimmen gegen Gewalt erheben – sie alle sind bereits Realität in der Gegenwart. Und es besteht die begründete Hoffnung, dass ihre Zahl stetig zunehmen wird. Denn sie werden auch in Zukunft in allen gutmenschlichen, biodeutschen Gesichtern demokratischer Gesinnung ein Welcome lesen.

Als deutliches Zeichen für den visionären „Schulterschluss“ aller darf der Zaunpfahl in der Überschrift zu dem o.g. Gespräch des Journalisten mit Prof. Sternberg gelten: „KATHOLIKEN DRÄNGEN AUF FATWA GEGEN MÖRDER DES IS“.
Einspruch, Euer Ehren! Ich bin Kirchensteuer zahlender, praktizierender Katholik und verstehe mich als offizieller Jünger unseres Stifters. Ich weiß nicht, inwiefern Sie berechtigt sind, für mich zu sprechen, ohne mich gefragt zu haben. Ich darf Sie gerade auch deswegen bitten, mir keine Forderung zu unterstellen, die friedliebende Muslime vermutlich genauso ablehnen wie ich: die Forderung nach einer FATWA. Warum sollte ich als Katholik darauf „drängen“?

Aber vielleicht bin ich noch im Zustand der Unwissenheit. Zur Erläuterung dieses Terminus Technicus erfährt der unkundige Leser, um besser „differenzieren“ zu können, aus dem Gespräch des Journalisten mit dem sich als Vertreter aller Katholiken in Deutschland wähnenden Professor Wichtiges. Mit seiner Blitzidee Fatwa soll die Ignoranz deutscher Stammtischlerinnen und Stammtischler in interreligiösen Fragen überwunden werden. Diesen „Menschen, die nicht differenzieren können“, unterstellt er vermutlich, dass sie das, was sie mit eigenen Augen sehen, mit dem, was hinter ihren Wahrnehmungen wirklich ist, verwechseln. Nimmt es wunder, dass sie dann anfällig für „AfD-Propaganda“ werden? Deswegen also die mitgereichte, nötige Erklärung für Unbedarfte: „In einer Fatwa erklären islamische Gelehrte, ob ein Verhalten glaubensgemäß ist oder nicht.“

Wenn das Ganze so harmlos ist, dann steht Sternbergs Forderung, eine Fatwa auszusprechen, schon in einem milderen Licht. Dann wird nämlich deutlich, dass Gegner seiner Forderung eine Übereinstimmung übersehen haben. So wie – nach Meinung einer zunehmenden Anzahl von Katholiken – Allah dasselbe wie unser christlicher Gott ist, so ist eine Fatwa im Grunde dasselbe wie ein Lehrschreiben des Papstes, wo dieser anlassbedingt erklärt, „ob ein Verhalten glaubensgemäß ist oder nicht.“

Imre Kertesz (*1929 in Budapest, † 2016), Nobelpreis für Literatur 2002, Jude und Auschwitz-Überlebender schreibt: „Die Zivilisation erreicht eine Reifestufe, auf der sie nicht nur unfähig ist, sich zu verteidigen, sondern auf der sie in scheinbar unverständlicher Weise ihren eigenen Feind anbetet. Der Terror schüchtert Europa ein, und Europa kapituliert vor dem Terror wie eine billige Nutte vor ihrem prügelnden Zuhälter. So geht es, wenn Überheblichkeit und Feigheit die beherrschenden Charakterzüge sind.“
Geben wir dem ZdK-Chef das vorletzte Wort zur Artikulierung seiner Betroffenheit:
„Ich habe Angst davor, dass vorgeblich im Namen Allahs Mord, Totschlag und Kriege in der Welt angezettelt werden.“
Diese Angst, Herr Professor, besteht ohne den geringsten Anlass.

Quellen:
– https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
– https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/645749/katholiken-drangen-auf-fatwa-gegen-morder-des-is
– Imre Kertész: Letzte Einkehr, Hamburg, 2015



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