Gesinnungsschnüffelei statt Rechtsstaatlichkeit

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Dies ist eine Überarbeitung des gleichnamigen Artikels, den ich am Sonntag von meiner Website genommen habe:

Seit einem Jahr hat Berlin einen neuen Touristenmagnet. Das Berliner Schloss zieht seit seiner Eröffnung Besucher magisch an. Man denkt, dies müsste ein Grund zur Freude sein. Weit gefehlt. Den notorischen Schlossgegnern ist dieser Zuspruch ein Dorn im Auge. Sie haben noch immer noch nicht verwunden, den Kampf verloren zu haben und versuchen immer wieder, den Erfolg madig zu machen.

Eine der perfidesten jüngsten Kampagnen wurde von dem bekennenden Schlossfeind Philipp Oswalt im Berliner „Tagesspiegel“ angestoßen.

Oswalt, macht seit Jahren dem Schlossverein unberechtigte Vorwürfe. Zum Beispiel behauptete er 2009 der Förderverein Berliner Schloss bediene sich undurchsichtiger Praktiken beim Umgang mit den Spenden, die er für die Rekonstruktion der Schlossfassade sammelt. Es war die Rede von “Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung des Fördervereins und fragwürdiger Kostenschätzung für die Fassadenrekonstruktion”.

Er würde keinesfalls das Ziel, 80 Millionen Euro einzuwerben, erreicht. Es sekundierte ihm der grüne Bundestagsabgeordnete Peter Hettlich in der TAZ, “dass zum Schluss der Bund allein auf den Kosten sitzen bleibt”.

Wie inzwischen glasklar ist, hat die Wirklichkeit diese Vorwürfe sichtbar widerlegt. Die über 40 000 Spender haben mehr als 105 000 000€ gegeben, es wird weiter gesammelt, um die fehlende Million für die Figuren im Schlüterhof aufzubringen.

Statt diesem bürgerschaftlichen Engagement Respekt zu zollen und als Architekt die unzweifelhafte Aufwertung des Stadtbildes durch das Schloss anzuerkennen, versuchte Oswalt, die Spender in den Dreck zu ziehen. Ein Teil von ihnen sei rechtslastig. Leider sprangen mehrere Altmedien auf diesen Zug auf. Der Vorstand des Humboldt-Forums knickte ein und verlangte vom Förderverein, die von Oswalt denunzierten Spender aus der Spenderliste und der Spenderehrung zu streichen, sowie ihnen ihre Spende zurückzuüberweisen. Das er den Vorstand damit zu einem Rechtsbruch aufforderte, war ihm offensichtlich nicht bewusst, oder egal. Es ist aber alles andere als eine Kleinigkeit, wenn der Vorstand einer öffentlich-rechtlichen Stiftung zweifach zur Missachtung der Gesetze auffordert. Es geht um die Aushebelung der Datenschutzgesetze zum Schutz der Privatsphäre der Bürger und der vom Finanzministerium festgelegten Richtlinien zum Umgang mit durch Zuwendungsbestätigung gemeinnützig gemachten Spendengeldern. Eine Rückgabe der Spenden hätte automatisch Steuerhinterziehung zur Folge, denn die Zuwendungen konnten ja steuerlich geltend gemacht werden.

Zudem forderte der Vorstand der Humboldt-Stiftung den Förderverein auf, seine Spender zu überprüfen und „rechtslastige“ auszusortieren. Zum Glück wies der Förderverein diese Aufforderung zur Gesinnungsschnüffelei zurück:

„Diesem Affront werden wir uns auf keinen Fall fügen, sowohl aus rechtlicher Überzeugung, als vor allem auch, weil wir es niemals zulassen werden, dass die Rechtschaffenheit unserer Spender durch Gesinnungsschnüffelei in Frage gestellt wird“.

Damit gibt der Förderverein ein Beispiel, wie man mit solchen Denunziationskampagnen umgehen muss.

Professor Richard Schröder weist in der neuesten Ausgabe des „Berliner Extrablattes“, das als Zeitung des Fördervereins nicht im Humboldt-Forum ausgelegt werden darf, darauf hin, dass bisher alle Versuche, in der Bundesrepublik Gesinnungsschnüffelei zu etablieren, gescheitert sind. sei es bei den Wehrdienstverweigerern oder beim Radikalenerlass. Gesinnungsschnüffelei war in der DDR auf der Tagesordnung, eine Tradition, in die sich das Humboldt-Forum nicht stellen sollte.

Der Vorstand des Humboldt-Forums beruft sich bei seiner Forderung auf seine Spendenrichtlinien, die der Förderverein übernommen hätte. In diesen Spendenrichtlinien, die im Internet einsehbar sind, und die konzipiert wurden, um illegale Finanztransaktionen von Spendengeldern zu unterbinden, findet sich keinerlei Hinweis auf den Umgang mit angeblich „rechtslastigen“ Spendern. Einen Brief des Fördervereins, der darauf hinwies und um Richtlinien bat, wie denn verfahren werden sollte, blieb unbeantwortet. „Gesinnungsschnüffelei statt Rechtsstaatlichkeit“ weiterlesen

Eine besondere Lesung in Bad Lauchstädt

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Haben Sie am kommenden Sonnabend noch nichts vor? Die Goethestadt Bad Lauchstädt ist eine Reise wert, nicht nur wegen ihres Heilbades, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der bevorzugte Badeort des Dresdner Hofes war, sondern wegen des Goethetheaters, das vom Dichterfürsten selbst eingeweiht worden war.

Am Sonnabend, dem 24. Juni findet dort ab 11 Uhr eine besondere Lesung statt, die ich die Ehre habe, moderieren zu dürfen. Der Autor Frederic Wianka liest aus seinem Buch: „Die Wende im Leben des jungen W.“

Frederic Wianka wuchs in der DDR auf, in Potsdam und Schwerin. Als Jugendlicher ging er zunehmend auf Distanz zu diesem Staat. Schließlich, am 9. November 1989, wurde ihm die Genehmigung seines Ausreiseantrags mitgeteilt, um 15:00 Uhr. Von dem weltverändernden Ereignis, welches wenige Stunden später folgen sollte, umso mehr überrascht, ging er nach Berlin, wo er heute noch lebt, holte das ihm in DDR versagt gebliebene Abitur nach, studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Soziologie.

In seinen Texten befasst sich Frederic Wianka mit den Erfahrungen aus zwei Systemen, den Instrumentalisierungen, denen das Individuum in beiden unterworfen ist, der beinah zwingenden Unvereinbarkeit von Prägung und aktueller Realität. „Sozialisiert für ein System, das es auf einmal nicht mehr gab“, heißt es in seinem Roman.

Karten kosten einheitlich 15€ und sind hier zu bestellen:

+49 (0) 34635.782 – 16

+49 (0) 34635.90 54 72

besucher@goethe-theater.com

Wer mehr wissen will, kann sich meine Rezension von Wiankas Buch ansehen: „Eine besondere Lesung in Bad Lauchstädt“ weiterlesen

Grüne Friedenstauben landen in Israel

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Gastautor Josef Hueber

Anmerkungen zu den jüngsten Reisen von A. Baerbock und R. Habeck in
den Nahen Osten

Außenministerin A. Baerbock (“ich Völkerrecht”) und R. Habeck (“du Kühe &
Schweine“), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, präsentierten als
grüngefärbte Friedenstauben bei ihren jüngsten Besuchen in Israel ein Update
deutscher Israelpolitik. Genau betrachtet sind sie freilich nicht mehr als
Handlungsreisende für politischen Altramsch, den sie mit dem Etikett
„ Klimawandel/Energiewende“ als friedensbringende Neuware aufpeppen
wollten.

Nichts Neues auf dem politischen Flohmarkt
Tarnkappen-Politiker sind erfolgreich, vermutlich immer schon und also
unbegrenzt nachhaltig. Sagen, was gedacht sein soll, nicht sagen, was ist – so
ließe sich in Abwandlung einer vergessenen, achtungswürdigen
journalistischen Maxime Macht und Ansehen sicherndes Reden und Tun
derjenigen beschreiben, denen das Wohl ihres Volkes angeblich ganz nah am
Herzen liegt. Zumindest beim Aufsagen des Diensteides.
Nicht verwunderlich, dass auch grüne Vorzeige- Politiker wie Habeck und
Baerbock bei ihren Antrittsbesuchen in Israel zunächst mal das abarbeiteten,
was die Netiquette deutscher Israelpolitik an Bekenntnis verlangt. Wir
wiederholen: Die Sicherheit Israels ist Teil der deutschen Staatsräson, wir
stehen an Israels Seite, wir sind tief betroffen beim Besuch von Yad Vashem.
Ungesagt am Ort der Betroffenheit, aber stets im Subtext: Wir Deutschen haben
– mehr als jedes andere Volk (in Verbindung mit deutschen Verbrechen darf das
Wort Volk noch verwendet werden) aufgrund unserer Vergangenheit besondere
Verantwortung gegenüber Fehlern, die Israels Politik in eigenen Land bisherbegangen hat, im Begriff ist zu begehen oder vielleicht gar nicht als gefährliche Fehler für den Frieden in Zukunft erkennt. In Fehlererkennung haben wir nämlich, geschichtsgeläutert, einen unverkennbaren Vorsprung.

Yad Vashem geht so
Die Pflichtübungen in Yad Vashem haben vorgestanzte Formen: Kerzen anzünden, Kranz niederlegen, Verneigung vor den Opfern, Eintrag ins Gästebuch, betretenes Dastehen, gekleidet in Dunkel. Dazu der vorgegebene Inhalt: Nie wieder!, wörtlich gesagt, oder auch paraphrasiert. Gibt es, so muss man fragen, wenn das alles nicht nur Pro-forma-Gesten und Pro-forma-Bekenntnisse sind, Einwände dagegen? Nein. Wenn das Wenn nicht wär.
Um ein wenig Variation in die Zeremonie einzubringen, hat Habeck ein Gedicht von Paul Celan in das Gästebuch eingetragen, mit dem Hinweis, dass ihn dieser Text „sehr geprägt“ habe. Dazu die Information, dass Celan „in der heutigen Ukraine“ geboren wurde – was für ein Zufall des Einfalls! Der Angriff Russlands auf die Ukraine und der Holocaust werden elegant in Assoziation gebracht, die Ukrainer gewissermaßen als die Jetztzeit-Juden, das formt sich zu einem aktuell bezwingenden und angedachten Bild. Explizit: „Er habe „Nähe der Gräber“ ins Gästebuch geschrieben, weil es für ihn die Verbindung in die Gegenwart schaffe“ (FAZ). (Dass die einstige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir in Kiew geboren wurde, wird in Israel hingegen nicht konstatiert. Die ständigen Angriffe von Israels Feinden bis hin zum expliziten Vernichtungswillen sollen nicht ermöglichen, die Juden in Israel in eine zu den Ukrainern analoge Opferrolle hineinzudenken. Vermutlich, weil Israel im Umgang mit den „Palästinensern“ die Täterrolle nicht genommen werden darf.)

Eine Frage steht quer im Raum: Welche Hindernisse gab es bisher für Habeck,vor der Kenntnis der celanschen Gedichte ein tieferes Verständnis vom Holocaust zu haben? Hat vielleicht seine Partei zu seinem bisherigen, beschränkten Verständnis des Antisemitismus zu wenig – oder gar Kontraproduktives – in der Nach45-Zeit bis in die Gegenwart beigetragen?

Die grünen Botschaften – Israels Verantwortung für die „Palästinenser“ und den Klimawandel

Eines muss man den Grünen lassen. Sie sind stets in der Lage, mit ihrer erkenntnisfeindlichen, weil ideologievernarrten Verbohrtheit alles mit allem in einen/ihren (pseudo)sachlichen Zusammenhang zu bringen. Auf den Punkt gebracht: Die Klimakrake saugt sich überall fest. Kein technisch segensreiches Produkt, das sich nicht als klimafeindlich entpuppt, kein Verhalten individueller Wahl, keine Maßnahme, die das öffentliche Leben betrifft, ohne dass das alles nicht irgendwie auch etwas mit dem von der konsumorientierten Fressgier des Menschen gemachten Klimawandel zu tun hat.
Wäre es nicht ein Wunder, wenn nicht auch die grüne, obsessive Klima- und Energiepolitik im Rahmen eines historisch stets besonderen Besuches in Israel unterzubringen wäre? Wenn es nicht möglich wäre, das Gedenken an den Holocaust in einen grünen Zusammenhang einzubetten, um das unterzubringen, worum es bei dem Besuch hinter der erlernten und vorgeführten Empathie mit Juden und Antisemitismus vorrangig geht: um die Energiewende, das Klima und den Fortbestand des Planeten? Selbst dann, wenn das die jüdische Bevölkerung in Israel wenig interessiert?

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Ein halbes Jahr Ampel: Es kracht im Gebälk

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Vor sechs Monaten haben gut gelaunte Ampel-Koalitionäre die Bürger wissen lassen, dass sie Lust auf Zukunft haben, die durch eine Große Transformation hell, licht und klimaneutral sein soll. Wer kurz vorher noch problematisiert hat, dass diese politisch gewollte Große Transformation, deren Blaupause aus dem Hause Klaus Schwab vom Weltwirtschaftsforum stammt, eine grundstürzende Änderung unserer Lebens-und Wirtschaftsweise bedeutet, die keine Akzeptanz in der Bevölkerung hat, wurde als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Dann stand eben diese Große Transformation als Ziel der Ampel im Koalitionsvertrag. Leider haben die meisten Menschen diesen Vertrag nicht gelesen und wissen deshalb nicht, was nach Willen der Politik auf sie zukommt. Sprüche wie die unseres Ex-Bundespräsidenten Gauck, dass wir doch ruhig für die Freiheit frieren könnten oder die von Wirtschaftsminister Habeck, dass wir alle ärmer würden, verhallen scheinbar ungehört.

Dabei sind die täglichen Corona-Schreckensmeldungen längst von wirklichen Problemen verdrängt worden.

Die Schlagzeilen heute lauten:

„Warnung vor „Beitragstsunami“: Gesetzlichen Krankenkassen droht Beitragslücke“, „Trinkwasser-Krise: Deutschland hat keinen Plan für diese fatale Situation“, „Lebensmittel: Özdemir fürchtet weiter steigende Preise“. Da sind noch keine Meldungen über die sich deutlich abzeichnende Energieknappheit dabei.

Alle diese Krisen sind von der Politik gemacht. Die bestenfalls naive Annahme, dass tausende junge Neubürger die Krankenkassen entlasten würden, stellte sich als Irrtum heraus, weil die große Mehrheit auch heute noch nicht in die Kassen einzahlt, deren Leistungen aber in Anspruch nimmt. Die Politik setzte aber noch eins drauf, indem sie verfügte, dass alle Ukraine-Flüchtlinge volle Sozialleistungen erhalten sollen, wobei nicht geprüft werden darf, ob passlose Flüchtlinge tatsächlich aus der Ukraine kommen. Diese erhebliche Mehrbelastung ist noch gar nicht in die angegebenen Verluste eingepreist.

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Die Hamburger Kunsthalle auf woken Abwegen!

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Anlässlich eines Besuchs in Hamburg wurde ich auf die neu gestaltete Impressionismus-Sammlung der hiesigen Kunsthalle aufmerksam. Deutsch-Französische Begegnungen in Plastik, Malerei und Pastell sollen zeigen, wie diese prägende Kunstströmung von Frankreich ausgehend Ende des 19.Jahrhunderts sich rasch in die Nachbarländer ausbreitete, speziell auch nach Deutschland, wo der impressionistische Einfluss bis Anfang des 20. Jahrhunderts sichtbar wird. Die umfangreiche impressionistische Sammlung der Kunsthalle wird jetzt nicht mehr getrennt nach Ländern gezeigt, sondern in thematischen Gruppen. Das wollte ich unbedingt sehen. Und ein Besuch lohnt sich!

Um zu den Impressionisten zu gelangen, muss man aber durch den Großen Saal mit den Historienbildern hindurch. Dort fiel mir eine weitere Neuerung auf, aber eine ganz und gar misslungene.

Leider hat sich auch die Hamburger Kunsthalle dem verheerenden Trend zum betreuten Denken angeschlossen. Unter etwa einem Drittel der Gemälde ist ein Schild mit roter Schrift in Deutsch und Englisch angebracht, dass die Gedanken der Betrachter in die „richtige“ Richtung lenken soll. Das passiert auf einem erschreckend niedrigem Niveau, als wären die Besucher Kleinkinder, die behutsam durch eine gefährliche Welt manövriert werden müssen, damit ihre unbedarften Seelen keinen Schaden nehmen.

„Finden Sie das Gemälde provokativ? Finden sie es sexistisch?“ steht unter einem Bild, auf dem unbekleidete Frauen zu sehen sind. „Ist das authentisch, oder inszeniert?“ steht unter einem Schlachtgemälde. Unter Hans Makarts „Einzug Karls V. in Antwerpen“ will die woke Denkbetreuerin wissen: “Wie zeigt sich hier für Sie Macht?“ Unter einer Alltagsszene steht: „War früher alles besser?“ Unter einer anderen: „Ist das Liebe zum Detail oder Filmkulisse?“.

Ganz krude wird es unter Gabriel von Marx` Kindesmörderin: „Was, wenn der erste Eindruck täuscht?“ Unter Carl-Wilhelm Hübners „Trauender Witwe“ will die Denkbetreuerin wissen, ob uns das heute noch berührt. Unter Dante Gabriel Rosettis „Helena von Troja“ steht: „Weibliche Macht-männliche Macht?“ Unter Anselm Feuerbachs „Urteil des Paris“ wird gefragt: „Wer ist die Schönste und wer soll das beurteilen?“

Nun, die Antwort ist seit Jahrtausenden bekannt: Es urteilt Paris und die Schönste ist Aphrodite, die ihm die schönste Frau der Welt versprach, wenn er sie wählte. Bekanntlich bekam Paris Helena und das löste den trojanischen Krieg aus. All das war in meiner Kindheit noch Allgemeinwissen, gespeist aus Schulstoff und griechischen Sagen, die ich nachmittags verschlang.

Was soll wem hier eingetrichtert werden? Das die Wahl nie stattgefunden hat oder nicht hätte stattfinden dürfen? Das Schönheit nicht im Auge des Betrachters liegt, sondern etwas ist, das dem woken Diktat unterliegt? „Die Hamburger Kunsthalle auf woken Abwegen!“ weiterlesen

Es gibt keine Corona-Leugner, nur arrogante Minister!

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Der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) hat es tatsächlich gesagt: „Corona-Leugner“ seien konsequent dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Dies schlussfolgert er messerscharf aus dem vom Verfassungsschutz und Bundesinnenministerin Faeser vorgestellten neuen Verfassungsschutzbericht 2021.

Das ist aus meiner Sicht eine brandgefährliche Entwicklung, denn mit arroganter Selbstverständlichkeit werden hier völlig sinnfreie Kategorien („Leugner“) von einem Innenminister verwendet, um damit praktisch weite Teile der kritischen Öffentlichkeit unter Verdacht zu stellen. Was soll, ein Corona-Leugner gemäß Minister Maier sein? Gibt es tatsächlich Menschen, die die Existenz des SARS-Cov 2-Virus „leugnen“ und behaupten, es gebe die Infektionen, die positiven Testergebnisse, die Krankheitssymptome, die meist milden, manchmal auch schwereren und schweren Verläufe gar nicht? Kaum. Ich kenne keinen.

Was es aber in großer Zahl gibt, sind Kritiker willkürlicher politischer Corona-Maßnahmen. Da kenne ich sehr, sehr viele. Und zu denen gehöre ich auch. Die werden mehr, wenn die Regierung sich weiter weigert, die Corona-Maßnahmen zu evaluieren, die sie droht, im Herbst wieder zu verhängen. Aktuell fordert der Präsident der Bundesärztekammer Reinhardt, eine bessere Datengrundlage für die Bewertung der Corona-Maßnahmen und spricht von einem „Datenblindflug“ in den letzten zweieinhalb Jahren. Ist er jetzt ein Corona-Leugner und Rechtsextremist?

Das Beispiel zeigt, wie absurd es ist, um kein treffenderes Wort zu gebrauchen, wenn ein Innenminister eine Kritik an Regierungshandeln mit dem Diffamierungs- und tendenziell Zersetzungsvorwurf „Leugnung“ vermengt! Was ist das für eine Regierung, die ihre Kritiker pauschal als offenkundig geistig minderbemittelt und deshalb extrem und nicht ernst zu nehmen abstempelt?

Warum traut sich ein Georg Maier so etwas? Auch in den Medien wird ja die „Leugnungs“-Denunziation in einer Weise verwendet, als ob es sich um eine selbstverständliche, sachliche Kategorie handeln würde.

Ich fürchte, dass viele Kritiker der Regierung und ihre Berater sich hier in eine Falle locken lassen haben: Man muss nämlich ständig und immer wieder das Negativ-Framing zurückweisen und darf auf keinen Fall sich selber in den Medien als „Leugner“ bezeichnen lassen. Nicht mal spaßeshalber, wie ich selbst erfahren habe.

Dafür braucht man auch nicht unbedingt einen Anwalt bemühen, es reicht völlig, wenn man diese üble politische Nachrede konsequent medial und politisch zurückweist. Und vor allem nicht selbst wiederholt, erst recht nicht im Rechtfertigungsmodus!

Es muss sich niemand rechtfertigen, denn ein Innenminister Maier muss in einem freien Land erklären, welche Aussage oder Handlungen in seiner Vorstellung einen Bürger in einen „Leugner“ verwandeln. „Es gibt keine Corona-Leugner, nur arrogante Minister!“ weiterlesen

Über allen Wipfeln der Geschichte

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Alexander Demandt zum 85. Geburtstag

Von Gastautor S.F.

Alte Geschichte und ihre translatio für das hic et nunc lebendig werden zu lassen, die Universalgeschichte mit Schwerpunkt auf die römische Spätantike immer wieder von wechselnden Standpunkten neu zu betrachten und damit zu entdecken, so lässt sich das umfassende Lebenswerk des Alt- und Kulturhistorikers sowie Geschichtsphilosophen Alexander Demandt umreißen.

Eines ist nämlich Geschichte bei Demandt nie: langweilig – und damit auch nie politisch korrekt. Wo andere betreten schweigen, lavieren, führt die Feder des Altmeisters einen derart nüchtern, akribisch und stilsicher durch die Materie, dass es Ernst Jünger eine Freude wäre. Und man spürt es deutlich: die Begeisterung, seine große, heterogene Leserschaft heraus- und zum Beschreiten neuer Pfade aufzufordern, ja zu provozieren, bereitet ihm eine diebische Freude.  Wer pharisäerhaft im Ohrensessel fernab des wirklichen Lebens in einer „heilen, besseren alten Zeit“ sein Exil finden möchte, wird bei und mit Demandt nicht glücklich. Obszöne Schmierereien, zügellose Vielweiberei, sexuelle Orgien, Homosexualität, Tätowierungen als ein aufkommendes Massenphänomen genüsslich wird in seinem Standardwerk über die „Geschichte der Spätantike“ anhand tausender Originalquellen kein Detail jener Epoche ausgelassen. „Über allen Wipfeln der Geschichte“ weiterlesen

Schaufenster – Politik

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Von Gastautorin Annette Heinisch

“I don’t think Scholz, Macron, and Draghi want Putin to win, not exactly. But they are afraid of Ukraine winning and the world changing, of becoming less relevant. A new European security structure won’t see them as leaders after their appeasement.

The complacent Western European old guard want to keep having it both ways. They claim the moral high ground & posture about human rights while funding Putin’s police state and the war machine that is now slaughtering Ukrainians.

Now they have to pick a side. They pretend they can be peacemakers with evil and compromisers with war criminals. No. There is honor only in helping the Ukrainians who are fighting for them, no honor in helping bury them later.”

Diese Einschätzung von Gary Kasparov, dass die EU – allen voran Scholz – in der selbstverursachten Falle des Bedeutungsverlustes sitzen, ist korrekt. Nach ihrer Politik der Anbiederung an Schurken, sei es den Iran oder Putin, haben sie ihren Kredit verspielt und sind als die kleinen Gernegroß ohne strategische Intelligenz entlarvt worden, die sie immer schon waren. Speziell die deutsche Regierung nimmt den unrühmlichen Spitzenplatz beim Täuschen und Tricksen ein: Sie will nicht zwingend den Sieg Russlands, aber den der Ukraine eben auch nicht.

Doppelte Agenda

Dass der vollmundigen Ankündigung des Kanzlers über Deutschlands Zeitenwende wenig bis nichts folgt, ist offenkundig. Einen Teil der versäumten Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit nun nachzuholen, dieses mit neuen Schulden zu finanzieren, welche man auch noch als Vermögen ausgibt, ist keine Zeitenwende, sondern ein Musterbeispiel für Täuschen und Tricksen. Den Ukrainern vollmundig Waffen zu versprechen, die selten oder nie ankommen, jedenfalls nicht im versprochenen Umfang oder einem angemessenen Zeitrahmen, gehört auch dazu. Allein schon die Tatsache, dass man Griechenland die Panzer liefert, welche die Ukraine erbeten hat und überlebenswichtig braucht, zeigt, wie groß die Ver – und Missachtung der Ukraine gegenüber ist. Deutschlands Alleingänge irritieren mittlerweile viele; wer auch nur ein paar internationale Kontakte hat, wird das Umschlagen von Verwunderung über die deutsche Haltung hin zur Verachtung bemerkt haben. In Polen und dem Baltikum werden unsere Alleingänge besonders argwöhnisch zur Kenntnis genommen.

Aber während sich der Kanzler mit seiner tief im Putin – Sumpf festsitzenden Partei eher ungeschickt anstellt, hat die Propaganda – Abteilung der Grünen wieder einmal exzellent funktioniert. Unsere Außenministerin Annalena Baerbock zeigt sich betroffen und produziert hübsche Bildchen. Prompt steigt sie in der Wählergunst, denn der Wähler möchte, dass Deutschland der Ukraine hilft. Und sie tut so, als ob sie das wolle. Dass sie bisher leider, leider nicht einmal ein Sekündchen Zeit fand, den ukrainischen Botschafter zu empfangen, weil sie sich für das Wohl der Ukraine nicht wirklich interessiert, wird dabei munter übersehen. Nur am Rande sei erwähnt, dass Friedrich Merz unbemerkt den ukrainischen Botschafter mehrfach traf und sich über die Lage informierte. Seine Reise in die Ukraine war ursprünglich für Ende Februar geplant, wurde dann aber verschoben, sonst wäre er bei Kriegsbeginn in Kiew gewesen. Das ist der Unterschied zwischen Schaufenster – und wirklicher Politik.

Auch Habeck ist ein Oscar verdächtiger Akteur dieser Schaufenster – Politik. Es gab eine kleine Schrecksekunde, als ein Energieembargo auch für Gas gefordert wurde. Das hätte für die Grünen katastrophale Folgen gehabt, ihr Energiemärchen wäre plötzlich wie eine Seifenblase zerplatzt. Es wäre ein fast noch schlimmerer GAU gewesen als die Verstrickungen der SPD mit Putin, hätte die Agonie der Partei zur Folge haben können.

Aber die Grünen können sich auf ihre Konzerne verlassen, die schon bisher grüner als grün und woker als woke waren. Während diese in den vergangenen Jahrzehnten nichts gegen den irrsinnigen Weg Deutschlands in vielen entscheidenden Fragen unternommen haben, sondern jeden grünen Quark munter mitpropagierten, um anschließend einfach an Standorte mit besseren Bedingungen zu wechseln, sind sie nun die ersten, die laut protestieren. Bei einem solch plötzlichen Embargo bliebe ihnen keine Zeit zur Flucht, sie würden die Folgen ihres Handelns genauso spüren wie die Bürger, die nicht einfach wegkönnen. Da war plötzlich das Entsetzen groß! Gerade Konzernen, die Prozessgas benötigen, fiel auf einmal ein, dass eine sichere Energieversorgung wichtig ist. Auch Experten wiesen zutreffend auf die Probleme hin, die ein Gasembargo hätte. Seltsamer Weise fanden sie nun erstmalig Gehör, denn nun lieferten sie den Grünen den Vorwand, den diese brauchten. Denn den Grünen geht es um ihre eigene Agenda, da bleibt die Ukraine auf der Strecke. Aber immerhin tut man so, als ob man gerne würde und nutzt die Krise. „Schaufenster – Politik“ weiterlesen

Der Verfassungsschutz wird zur Staatssicherheit

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Demokratie als System der checks and balances war eindeutig gestern. Heute werden die demokratischen Kontrollorgane vor aller Augen umgebaut und Unterdrückungsinstrumenten immer ähnlicher. Das passiert auf allen Ebenen.

Gestern, am 8. Juni 2022 meldete die Thüringer Allgemeine auf der Titelseite unter der Überschrift: „Verfassungsschutz: Proteste in Pandemie extremer“, dass Thüringens Innenminister Maier (SPD) dafür plädiert, dass „Corona-Leugner und sogenannte Querdenker konsequent dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen“ seien. Wer Corona-Leugner und Querdenker ist, bestimmen Maier & Co. Darunter fallen alle Kritiker, die an der Wirkung von Lockdowns, Maskenzwang, Schulschließungen, Schließungen von Einzelhandelsgeschäften und kulturellen Einrichtungen gezweifelt haben. In 2020 wurden Schulen bei einer Inzidenz von 100 geschlossen, 2022 bei einer Inzidenz von um die 1000 waren sie geöffnet. Ohne Maskenzwang und Lockdown sanken die Infektionszahlen in diesem Jahr, internationale Studien bewiesen, dass Lockdowns und Maskenzwang so gut wie unwirksam sind.

Aber in Deutschland werden alle, die das gesagt haben, zu Rechtsextremisten erklärt, von einer Politik, die sich weigert, die Corona-Maßnahmen zu evaluieren, bzw. alles dafür tut, dass diese Fakten hier nicht bekannt werden.

Nun hat sogar das ZDF in einer Sendung scharf kritisiert, dass die Evaluierung der Coronamaßnahmen von Gesundheitsminister Lauterbach hintertrieben wird. Ist Theo Kroll nun ein Querdenker und damit ein Rechtsextremist, Herr Minister Maier? „Der Verfassungsschutz wird zur Staatssicherheit“ weiterlesen

Besuch im Labyrinth – einige Anmerkungen zum jüngsten Roman von Uwe Tellkamp

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Von Gastautor Helmut Roewer

In diesem Beitrag schildere ich die Eindrücke, die ich bei der Lektüre von Tellkamps Roman Der Schlaf in den Uhren gesammelt habe. Ich erwarb den Roman am 27. Mai 2022 und legte ihn am 31. Mai 2022 – gelesen – aus der Hand. Ich warne Neugierige: Dieses hier ist keine meiner gewohnten Buchbesprechungen, die für gewöhnlich keine 50 Zeilen lang sind. Das Buch – so bekenne ich freimütig – hat sich dagegen mit Erfolg gesträubt.

1. Das Labyrinth

Nach dem Durchschreiten der Tür händigt mir einer eine Handskizze aus, in der Mitte gefaltet. Ich ignoriere diesen schwer lesbaren Zettel nach einem kurzen Hineinsehen, bemerke aber beim Blick zurück, dass es Leute gibt, die ihn eifrig zu studieren scheinen. Was soll das? denke ich und trete in den schwach beleuchteten Gang hinein. Man hatte mich davor gewarnt, ich solle, um mich nicht zu verlaufen oder entnervt aufzugeben, noch einmal den Turm besichtigen. Ja, was denn nun? hatte ich eingewendet, soll ich nach oben auf den Turm oder soll ich ins Labyrinth nach unten? Ich entschied mich fürs Unten.
Doch wo beginnen? Der Baumeister hat sich nicht gescheut, den Besucher in die Irre zu führen. Die Gänge sind verwinkelt, man erreicht sie nur, wenn man ununterbrochen kaum erkennbare Leitern hinauf und hinunter steigt. Ich bemerke, wie ich in Rage gerate, besonders, wenn es an kahlen Wänden entlanggeht, wo mit ungelenker Hand Namen angekritzelt wurden. Nicht einer oder zwei, sondern in überbordender Vielzahl. Wie an einem sogenannten Naturdenkmal, wo Unbefugte mitteilen, dass Hans & Grete und viel andere auch hier waren. Nie würde ich nach einem Telefonbuch greifen, um zu ergründen, wer wohl Hans & Grete sind.
Ich ertappe mich, wie ich dem Baumeister zurufe: Warum tust du das? Name dropping für Insider? Und füge noch ein paar Bemerkungen hinzu, die ich hier weglasse. Ich lausche ins Labyrinth hinein. Natürlich bleibt mein Schmäh unbeantwortet. Ich dringe weiter vor. Jetzt finde ich an allen Ecken die Ichs des Baumeisters, die vielstimmig auf mich einreden. Ach, auf einmal, sage ich zu den Ichs, aber es will kein Gespräch zustande kommen. Bis zu dem Moment, wo mir klar wird, wo ich mich in Wirklichkeit befinde.
Ich befinde mich im Labyrinth, das sagte ich schon, aber dieses Labyrinth ist im Kopf des Baumeisters. Ach so ist das, sage ich. Ich sehe ihn zweifelnd lächeln. Es ist dieses Lächeln, das nicht eben schmeichelhaft für mich ist. Ich deute es so: Merkst du es auch schon. Hat wohl ein bisschen gedauert, bis bei dir der Groschen fiel. Zu meiner Verblüffung bin ich nicht den Hauch von beleidigt, sondern eher angriffslustig. Ja, wenn das so ist, das kann ich auch. Wirst ja sehen, was du davon hast.
Von diesem Moment an ändert sich mein Lesestil – ich benutze das Wort Lesestil hier mal, weil mir kein besseres Pendant zu Schreibstil einfällt. Ich mache nämlich etwas, was, wie ich es mir vorstelle, dem Baumeister zutiefst missfallen wird. Ich benutze den Gang durchs Labyrinth, also den Kopf des Baumeisters, um mitunter munter die Gänge desinteressiert zu durcheilen, zum Beispiel den von Ich & Thomas Mann, den ich unangemessen aufgeblasen finde – zuviel Plüsch–, was ich dem Baumeister über die Schulter hinweg zurufe. Stattdessen mache ich Station, wo es mir passt – und nur mir. Hier halte ich an, lasse meinen Gedanken freien Lauf, lasse die Erinnerungen spazieren gehen. Sperre damit den Baumeister aus meiner Gedankenwelt aus. Diese Erinnerungen wären mir ohne den Aufenthalt im Labyrinth nie gekommen. Zugegeben. Zugegeben auch, dass sich der Aufenthalt im Labyrinth immer stärker in ein Verschwimmen der Wirklichkeit verwandelt.
Was also ist es, was mich fortan in Anspruch nimmt? Es ist das Nachvollziehen fremder und das Anstoßen eigener Gedankenkapriolen, die mühelos zwischen Raum und Zeit wechseln, weil sie auf der Jagd sind, das Gleiche im Unterschiedlichen aufspüren. Gleichgültigkeit gegenüber den Fassaden von Diktatur und Demokratie. Es ist das Manövrieren in einem mir nur zu bekannten Gelände, das man den Ort der Macht nennen könnte, der ganz unbeschadet vom geographisch exakten Ort immer da liegt, wo Macht ausgeübt wird. Natürlich ist es bei einer solchen Sichtweise ohne Belang, ob dieser Ort, wie es das Labyrinth suggeriert, nun an der Elbe, dem Rhein oder, wie ich weiß, an der Spree liegt, und ob dieser Ort ins Meer mündet, wo in der äußersten Elbemündung ein bekannter, wiewohl im Labyrinth umbenannter Leuchtturm steht. Nein, Herr Baumeister, an einem solchen Grenz- und Vergangenheits-Symbol halte ich mich nicht lange auf.
Das durch drei bis vier Dichterbrillen gebrochene Symbolische hat mich nie zu tiefschürfenden Gedankenspielen angeregt. Meine Gedankenwelt war immer an Personen und deren Handlungen gebunden. Dafür allerdings bietet der Rundgang im Labyrinth Meter um Meter reichlich Material. Nein, mich stört es keineswegs, dass die auftauchenden Männer und Frauen zum Teil sehr konkret, zum Teil aus einer verschwommenen Wirklichkeit entlehnt sind. Ich weiß sehr wohl, dass ich mich im Kopf des Baumeisters und nicht im Museum für deutsche Geschichte aufhalte. Dieses Letztere befindet sich im Zeughaus und jener hier in meiner Hand und ich mich auf meinem Sofa mit der Möglichkeit aufzustehen, Tee zu kochen und in eigenen Aufzeichnungen zu wühlen. Aber nicht zu oft, denn ich will schließlich weiterkommen.
Natürlich habe ich mich auf längere Abwege begeben, als es um so zentrale Dinge geht, wie die drei Aufgalopp-Monate in den tatsächlichen Verfall eines Staates namens DDR hinein. Die Flucht der Roman-Zentralfiguren in die deutsche Botschaft in Prag, die Innenschau dort. Der Zerfall der Zuversicht bei den Herrschenden. Das Wenden der Geschickten. Das ist eine DDR-Innensicht, die ich in dieser Dichte und Eindringlichkeit selten gelesen habe.
Ich stelle mir den Kopf des Baumeisters vor und versuche, mich in diesen, den Kopf nämlich, hineinzuversetzen. Ich bemerke, wie er sich selbst nicht mehr zutraut, genau zu sagen, wie alles zugegangen ist. Es ist zu viel Zeit vergangen, zu viele Ereignisse habe den Blick auf das Vergangene getrübt. Wohl wahr und übereinstimmend mit dem, was ich aus jenen Tagen – wiewohl aus gänzlich anderem Blickwinkel – heute noch zu wissen meine, und was meine Tagesnotizen von damals als sicher erlebt festgehalten haben. Alles ist verschwommen. Was für eine Pleite für das eigenen Zeugnis.
Nun wäre es verkürzend und damit unzutreffend, das Labyrinth als einen Erinnerungsmarsch der und des Gestrigen zu beschreiben. Das führt in die Irre. Die kompliziertesten Windungen nimmt das Labyrinth, wo es solche Oberfläche verlässt und tief nach unten in die Niederungen der Macht vordringt. Es sind, so der Baumeister, dieselben Gänge und Windungen im Vorgestern, Gestern und Heute, das Abstützen auf Seilschaften, oder viel stärker noch, so jedenfalls beschreibt es der Baumeister, die familiären Bindungen, die über Systembrüche mühelos hinwegreichen. Hinwegreichen bis hinein in die bis 2021 aktuelle Kanzlerschaft der Romanfigur Anne. Man lacht unwillkürlich, wenn man’s liest. So plastisch sind die Figuren, die Kanzlerin A. selbst und ihre Paladine.
Doch zurück zur Macht in nuce. Zunächst durcheilt der Besucher die gut ausgeleuchteten Räume im Palais Schaumburg der Adenauer-Ära, sieht dort den Helden, seine Knappen und den Hofnarren, getarnt als den Leiter des Bundespresseamts, Felix von Eckart, der zugleich der fiktive Informant des Baumeisters ist. Macht, so der Baumeister, ist eine Frage der zutreffenden, oder besser: der im Augenblick brauchbarsten Information. Zur Illustration dessen betritt man ein Spiegelkabinett. Figuren, die einem sehr bekannt vorkommen, entweder weil man den Turm besichtigt hat, oder weil man lange Jahre beruflich Informationen sammelte und weitergab, oder beides. Ich will der Buch-Lektüre durch den Leser dieser Rezension nicht vorgreifen. Zu sagen bleibt indessen, dass die scharf und unnachgiebig Portraitierten das, was sie im Buch über sich lesen können, kaum freuen wird.
Ich sagte es schon, das Labyrinth ist nicht nur auf den einzelnen Ebenen verwirrend, sondern der Besucher ist gezwungen, ständig zwischen oben und unten hin und her zu steigen. Bis tief in den stinkenden Morast von Verrat und moralischer Verkommenheit hinein. Wer bespitzelte wen und warum? Und wer steuerte wen und wie lange und mit welcher moralisierenden Selbst-Exkulpation? Was ist anrüchiger – dies, oder was jetzt kommt? In grellem Neonlicht beleuchteten Gänge, in denen der Besucher an großflächigen gestochen scharfen Schwarzweiß-Aufnahmen vorbeigeführt wird. Das, was zu sehen ist, ist der Scheinglanz der Westgesellschaft, den man unangenehm berührt wiedererkennt, auch ganz ohne Bildlegenden. Diese Bilder zeigen gnadenlos die Schminke und die nur mühsam übertünchte Verkommenheit. Zwischen den Bildern sehe ich Spiegel stehen. Während ich mich noch frage, ob sie wirklich da stehen, oder ob ich mich lediglich vorübergehend aus dem Kopf des Baumeisters herausgestohlen habe, verliere ich mich in den Gängen der Grünen.
Hier hat der Baumeister die Videoinstallation gewählt, so dass der Besucher vom unerträglich-scheinmoralischen Gewäsch dieser Flora-Fauna eingehüllt wird. Da riecht es abgestanden, wie in jedem guten Bioladen. Diese Gewächse riechen nicht nur, sie sind klebrig. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die einstigen Lobpreiser des Turm-Baumeisters – sie entstammen genau solchem Milieu – diesen Angriff nicht bemerkt haben könnten. Ich mutmaße, dass sie alles in ihrer Macht stehende unternehmen werden, um das neugierige Volk vom Besuch des Labyrinths abzubringen. Hosianna und Kreuziget-ihn kommen, wie man weiß, dichtgedrängt in der selben Geschichte vor.
Bei der Rückkehr ans Tageslicht findet der Besucher erneut den in der Mitte gefalteten Handzettel mit der Konstruktion des Labyrinths. Bei meiner eigenen Rückkehr habe ich mich lediglich dafür interessiert, ob der Zettel am Ende derselbe ist wie der am Eingang. Das trifft zu. Ich habe beide nicht gebraucht, um wieder in den Alltag zu gelangen.

2. Enge und Weite

Am Freitag, dem 27. Mai 2022, habe ich an der Lesung von Uwe Tellkamp in der Buchhandlung in Dresden Loschwitz teilgenommen. Man sitzt eng dort, dicht bei dicht. Nicht mein erster Besuch am Orte, aber der erste mit dem Autor Tellkamp. Was er liest, sind einige wenige Seiten aus einem erstaunlich dicken Buch. Sein Titel Der Schlaf in den Uhren. Das ist nichts, was überraschen könnte. Bestenfalls der Umstand, dass er im Gegensatz zu den meisten Schriftstellerkollegen sehr gut lesen kann.
Gut, haken wir das ab. Denn im Mittelpunkt der Veranstaltung steht eine Art Zwiegespräch mit der Buchhändlerin Susanne Dagen. In diesem Zweiergespräch entwickelt der Autor mit kurzen, leicht verständlichen Worten den Zweck und den Inhalt des Romans. Ich gebe zu, dass mir Zweifel kommen, als ich das dicke Buch in seinen Händen sehe, denn wenn es so ist, wie er sagt, käme bestenfalls ein Insel-Bändchen ans Licht. Doch offenbar ist es anders. Ich beschließe, nicht aufzumucken, sondern die Lektüre des hernach zu erwerbenden Buches abzuwarten.
Eine Einlage eigener Art präsentiert das ungleiche Paar Tellkamp-Dagen, indem es ein Interview zwischen einem skurrilen Alter Ego des Ich-Erzählers und der Buchhändlerin fingiert, indem diese die gängigen abwertenden Floskeln, die über Tellkamp im Umlauf sind, ihn platt auf den Kopf zu abfragt, so: Warum er so ein schlechtes Buch schreibe? Warum er dieses oder jenes geäußert habe, und ob er sich nicht entschuldigen wolle und anderes mehr. Tellkamp, verkleidet mit einer schwarzen Quasi-Uniformjacke mit Blindenbinde, schwarzem Hut und schwarzer Brille, äußert gestanzten Unsinn und die gängigen Plattitüden. Das Publikum ist erheitert. Einen Moment geht mir durch den Kopf, wie gut und glaubhaft er eine Mischung aus einem einstigen, jedoch aktiv gebliebenen Kämpfer an der Geheimen Front und einem Mainstream-Agitator auf die Bühne bringt.

Nun gut, er erläutert hernach, dass sein hauptsächliches Erzähl-Ich aus dem Roman als dieselbe Person ein zweites Ich habe, einen Schatten, dem er den Namen „Nemo“ (mit den Anführungszeichen) gegeben habe, der die Dinge aus der Sicht der Staatssicherheit gesehen habe. Mir kommt in dem Moment der Verdacht, dass der Autor, wie ich es weiter oben zu schildern versucht habe, Spiegelfechtereien mit dem Lesepublikum treibt. Der Verdacht verstärkt sich, als ich feststelle, dass ein Dritter aus dem Roman, der im Turm so positiv gezeichnete Onkel Meno, im neuen Buch eine überaus dubiose Rolle spielt. Erst mühsam wird mir später das Wortspiel von Meno zu Nemo klar. Tellkamp deutet, für mich in dem Moment noch unverständlich, an, dass ihn der reale Onkel hernach beschimpft habe. Ich kann das Sächsische hier nicht wiedergeben, es würde verunglücken.
Bei allem Hin und Her, auch nachdem das Publikum mit einigen Bemerkungen involviert worden ist, zeigt sich, von Satz zu Satz verstärkend, ein Mann auf dem Podium, der durch die üble Behandlung seit Jahr und Tag in seinem Innersten getroffen wurde, weil er alles das, was man ihm an Empörendem unterstellt hat, deswegen nicht einzusehen vermag, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Er ist nicht rechts, sagt er zum Beispiel. Das ist die Wahrheit, wie er sie sieht, und die er so zu sehen mit guten Gründen berechtigt ist.
Hier zeigt sich auch ein kaum spürbarer Dissens zur Buchhändlerin. Sie sieht in erster Linie einen fabelhaften Verkaufserfolg des neuen Buches, der Autor hingegen den Verlust seiner Ehre. Ich stimme dem ohne Vorbehalte zu.

3. Die Maske des Biedermanns

Ab dem 26. Mai 2022 strahlen deutsche Fernsehsender die mit großem Pomp angekündigte Sendung über den „umstrittenen Autor“ Tellkamp aus. Sie dauert zwei Stunden, und sie dient einem einzigen Zweck: Mainstream sieht sich geradezu zwanghaft zu einer Rechtfertigung veranlasst. Man ist speziell wg. der Behandlung der Causa Tellkamp mit dem nicht zur Ruhe kommenden Vorwurf konfrontiert, man könne in Deutschland nicht mehr alles sagen. Dieser Vorwurf kollidiert in beunruhigender Weise mit dem Selbstbildnis von Mainstream, im besten und freisten aller Deutschlands zu leben. Das allerdings glaubt in Deutschland – jenseits des Sumpfes der Propagandisten – nur noch eine Minderheit.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn der öffentliche Rundfunk, der sich als Speerspitze von Mainstream einschätzt, einen Versuch unternimmt, in dem er die verruchte Meinung der Meinungs-Unfreiheit widerlegt. Es gibt daher, so der Gedankengang, keine bessere Möglichkeit als diejenige, diesen Tellkamp mit seiner verderblichen Meinung ausgiebig zu Wort kommen zu lassen und – jetzt kommt‘s – beim Publikum den Umstand der Wortmeldung, aber nicht deren Inhalt ankommen zu lassen – ein ebenso einfacher, wie gängiger Propagandatrick.

In der Praxis der hier besprochenen Sendung ging das so. Tellkamp redete tatsächlich minutenlang in die Kamera. Ich nehme an, dass er die Worte so sprach, wie sie gesendet wurden. Was unklar blieb, war, in welchem Zusammenhang er das sprach, was zu hören war. Unklar war zum Beispiel: auf welche Fragen oder Einwürfe reagierte er. Zum Beispiel wurde ihm in einer Dauerschleife vorgehalten, der habe mit seiner Äußerung unrecht, 95 Prozent aller Flüchtlinge hätten allein das Motiv, in die Sozialsysteme Deutschlands einzuwandern, was letztlich nicht gut gehen könne. Das Letztere, die Selbstzerstörung, ist die eigentliche Aussage, doch in der Sendung ging es allein um die Zahl, und diese Zahl 95 sei erwiesen falsch. Soso, ist das erwiesen? Als ob es darauf ankäme. Es könnten genauso gut 55, 80, 96 oder 100 Prozent sein, denn worauf es alleine ankommt, ist der Umstand und die Folgen, nicht hingegen die Zahl.
Der Rest war von ähnlicher Gedankenschärfe. Tellkamp wurde argumentativ von Leuten umstellt, die alle nichts Gutes über ihn zu berichten wussten. Beispielsweise weil er schon mit Leuten, wie der Buchhändlerin Dagen gesehen worden sei, welche wiederum mit Leuten gesehen worden sei, welche eindeutig rechts seien, wie der Verleger des Antaios Verlages, der die Stirn gehabt habe, auf der Frankfurter Buchmesse unter einer Tarn-Adresse aufzutreten. Und so weiter und so fort. Die alte Leier von der Kontaktschuld, ein Scheingefecht also, aufgeführt zur Stimmungsmache.
Was, so fragt man, hat das mit dem Meinungs-Korridor zu tun, den Tellkamp wiederholt beschrieben hat, den zu überschreiten in Deutschland die Existenzvernichtung eines Schriftstellers bedeute? Nichts, es sein denn, man nimmt den im Film ausgiebig zu Wort kommenden Dresdner Schriftsteller Ingo Schulze zum Exempel. Er merkt an, dass man sich selbstverständlich an so einem verrufenen Ort wie dem der Buchhändlerin Dagen nicht mehr sehen lassen könne, weil man so etwas wie diesen Ort nicht unterstützen dürfe und so weiter und so fort. Gefahr von Affenpocken? Bei mir kommt nur an: hier äußert sich ein selbstgerechter, zudem ein unterlegener Konkurrent unter der Maske des Biedermanns – der Biedermann als Brandstifter.
Toleranter Umgang bedeute, so die reichlich eingestreuten Kultur-Vermittler, die Grenzen der Toleranz strikt zu beachten. Mit einem solchen, wie dem Tellkamp, sei deswegen ein Gespräch nicht mehr möglich, weil er sich außerhalb des Sagbaren gestellt habe. Besser kann man es kaum sagen. Toleranz ist die Meinung des Wir, so dass das abweichende Du nicht mehr zu Wort kommen darf.
Wenn es eines Beweises für die Wagenburgmentalität von Mainstream bedurft hätte, so genügte die Lektüre der sogenannten Kritiken zu diesem Film. Die Küsschen gebende Branche brachte unisono zu Ausdruck, wie wunderbar dieser Film gelungen sei – ein „Meisterwerk“ –, weil der Beweis geführt worden, dass Tellkamps Aussagen falsch und dagegen die Auffassung richtig sei, dass man in Deutschland alles sagen könne.
Mehrere Stunden sprachen wir im Freundeskreis bis in die späte Nacht hinein über Buch, Lesung und Fernsehklamauk. Einer äußerte, die Kritiker seien in Wirklichkeit erleichtert, dass das von ihnen verrissene Buch so harmlos sei, wie es nun mal sei – jedenfalls keine herbeifantasierte, leicht zu durchschauende Handreichung zum Systemsturz. Mag sein, dass das stimmt. Ich meine die Sicht der Kritiker. Doch ich teile diese Sicht nicht. Das Buch ist äußerst komplex, vielleicht zu komplex, aber alles andere als harmlos. Man lege die dort gnadenlos geschilderten Situationen an das Hier und Heute an. Dann wird klar, was ich meine.

©Helmut Roewer, Fotos HR, Zeichnung Bernd Zeller, Jena, Mai 2022