Der Titel des neuen Buches von Gunnar Kunz ist leicht irreführend. Nicht wir verlassen den demokratischen Sektor, sondern unsere Politiker und ihre willigen Helfer in den meinungsmachenden Medien tun das. Wie weit sie schon gegangen sind, wird bei der Lektüre von Kunz klar. Die meisten Gesetzesänderungen und Bestimmungen laufen unter dem Radar der Öffentlichkeit. Wir sollen möglichst nicht mitbekommen, was auf uns zukommt. Zwar leiden wir aktuell unter der Ampel, es gerät aber weitgehend in Vergessenheit, dass die Weichen von den vier Regierungen Merkel gestellt wurden. Das geschieht getreu dem Motto des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, mit dem Merkel gern Rotwein trank: “Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Wenn es Merkels Ziel gewesen sein sollte, die alte Bundesrepublik, tatsächlich das beste Deutschland, das wir je hatten, zum Verschwinden zu bringen, wie die DDR verschwand, so hat sie das erreicht. Nur ist die DDR gefallen, weil ihre Insassen (Joachim Gauck) die Gefängnismauern gesprengt haben, die BRD wurde von oben zersetzt.
Merkel hat die Regierung übernommen, als Deutschland der stärkste Staat in Europa war, ein Land, das in der Welt respektiert und sogar beneidet wurde, für seine Effizienz, seinen Rechtsstaat, seine Freiheiten, seine Toleranz, seine Wirtschaft, seinen Wohlstand. Jeder konnte nach seiner Façon selig werden. Zwar gab es Ungerechtigkeiten und Mängel, aber jedem stand frei, die zu bekämpfen. Jeder konnte Politiker kritisieren, ohne die Staatsanwaltschaft oder den Verfassungsschutz befürchten zu müssen. Das ist vorbei, wir sollten aber nicht akzeptieren, dass es kein Zurück gibt.
Alle Veränderungen, die uns zu schaffen machen, sind nicht das Ergebnis von Unfähigkeit oder Fehlern, die unabsichtlich gemacht werden, sondern sie sind politisch gewollt. Merkels Verhältnis zum Rechtsstaat hat sie selbst am besten formuliert: „Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir Recht und Gesetz einhalten wollen und werden und da, wo immer das notwendig ist, auch tun.“ Dieses Kanzlerinnen-Kauderwelsch heißt im Klartext: Wenn es nicht anders geht, halten wir uns an das Gesetz, ansonsten machen wir, was wir wollen. Ex-Bundespräsident Gauck sekundiert: „Nicht die Eliten sind das Problem, sondern die Bevölkerung“. Weil das Volk, „der große Lümmel“, von den „Eliten“ gefürchtet wird, bekämpfen sie es mit allen Mitteln: Sprachverbote, Denkverbote, politische Korrektheit, Einschränkungen der persönlichen Freiheit, Versammlungsverbote, Publikationsverbote, Anprangerungen und „Shitstorms“, die von staatlich finanzierten Gruppen ausgehen, Besuch von der Antifa.
Behauptet wird, dass jeder seine Meinung sagen könne, er müsse nur den Widerspruch aushalten. Es geht aber nicht um Widerspruch. Kontokündigungen, Denunziationen beim Arbeitgeber, Information der Nachbarn, dass sie neben einem angeblichen „Rechten“ wohnen, sind kein Widerspruch, sondern Repression von Andersdenkenden. Es genügt schon eine sogenannte „Kontaktschuld“, ein Gespräch mit der falschen Person, oder die Benutzung eines Wortes, das zum Tabu erklärt wurde, um zum Ziel zu werden. Staatliche und staatsfinanzierte Stellen akzeptieren inzwischen selbst die Auswertung offizieller Dokumente nicht mehr, wenn sie dem herrschenden Zeitgeist widersprechen.
Das alles geschieht unter dem Label „Kampf gegen Rechts“, der längst zu einem Kampf gegen Rechtsstaatlichkeit geworden ist. Die Aushöhlung der Demokratie wird von jenen betrieben, die sie angeblich retten wollen. Der Ruf nach Abschaffung der Demokratie wird immer lauter, nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich:
- 2020: Extinction Rebellion-Gründer Roger Hallam: „Klimaschutz ist größer als Demokratie. Wenn eine Gesellschaft unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant.“
- 2021: Luisa Neubauer: „Die Wahl zwischen Demokratie und Zeit haben wir nicht.“
- 2022: Die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen stellt fest, es gäbe vier Gründe, warum die Wissenschaftsfreiheit überdacht werden müsse: „Wenn man sich in das Konzept der Besorgnis über restriktive politische Korrektheit einreiht, riskiert man, rechte Narrative zu unterstützen. Daher können wir nicht an einem rein formalen und objektiven Verständnis von wissenschaftlicher Freiheit festhalten.“
Kunz hält fest, dass wir es nicht nur mit nationalen, sondern auch mit internationalen Angriffen auf die Demokratie zu tun haben. Zum Beispiel WHO. Das aktuelle Problem ist, dass private Finanziers wie Bill Gates die gewählten Regierungen aushebeln können, wie der vorerst gescheiterte Pandemie-Vertrag (2021) befürchten lässt. Oder das WEF von Klaus Schwab. Es nimmt durch inzwischen 1400 von WEF-Programmen ausgebildete „Young Leaders“ und „Leaders for Tomorrow“ Einfluss auf die Politik in 120 Ländern. BlackRock und PayPal haben ähnliche Programme. Bedrohungen für die Demokratie gehen auch von der EU aus.
- 2022: Im Digital Service Act wird festgelegt, dass im Krisenfall Krisenprotokolle zur Anwendung kommen, mit deren Hilfe das Internet mit Informationen geflutet wird und Hassrede, d.h. Kritik, zum Schweigen gebracht werden soll.
- 2023: In Bologna läuft zurzeit ein Pilotprojekt eines Sozialkreditsystems á la China. Braves, regierungskonformes Verhalten wird belohnt, kritisches Verhalten bestraft. Wenn die soziale Kreditkarte deaktiviert wird, bleibt die Küche kalt und das Auto stehen.
- 2009: Im Lissabon-Vertrag steht, dass im Kriegsfall die Todesstrafe wieder eingeführt werden kann. Wie real die Gefahr ist, zeigt die Ankündigung der Ampel-Regierung (2023), die nächste Bundestagswahl finde im Herbst nächsten Jahres statt, außer es träte der Kriegsfall ein.
Demokratiefeindliche Maßnahmen, denen wir bereits ausgesetzt sind:
- 2020: Um Staatstrojaner zur Überwachung von Personen einzusetzen, wurde das gesetzliche Betretungsrecht unserer Wohnungen auch ohne konkreten Tatverdacht beschlossen. Aber nicht nur dann kann unsere Wohnung invasiert werden. Laut Arbeitsschutzkontrollgesetz kann es für „Sicherheitsüberprüfungen“ zu Wohnungsdurchsuchungen kommen.
- 2012: Im Grundrechtsreport 2012 wurden Einschränkungen der Grundrechte zur Terrorismusbekämpfung festgelegt. Merkels Innenminister Horst Seehofer machte sich für Beugehaft zur Erlangung von Passwörtern stark.
- 2017: Merkels Innenminister Thomas de Maizière äußerte: „Es kann nicht sein, dass es Bereiche gibt, auf die der Staat keinen Zugriff hat“. Bayern und NRW haben bereits eine Spionage-Software zur Überwachung ihrer Bürger angekauft.
- 2023: Durch das Hinweisgeberschutzgesetz sind alle Denunzianten geschützt, die ihre Mitmenschen wegen nicht strafbarer Äußerungen anzeigen. Es obliegt dann den Denunzierten, ihre Unschuld zu beweisen. Damit ist der uralte Rechtsgrundsatz „In dubio pro reo“ ausgehebelt.
- 2023: Unser Impfpass und der Personalausweis sollen verschmolzen werden zu einem digitalen Identitätsnachweis, um die Reisetätigkeit der Bürger besser kontrollieren zu können. Die Steueridentnummer soll zu einer Bürgernummer werden, die alle Informationen über die Person sammelt und auf die ca. 50 Institutionen Zugriff bekommen sollen. Außerdem soll es Fingerabdruckpflicht für Pässe und Personalausweise geben, als wären wir alle Kriminelle.
Um ihre Vorhaben möglichst störungsfrei umsetzen zu können, baut die Regierung einen in einer Demokratie nie da gewesenen Propagandaapparat auf, obwohl ihr Propaganda vom Verfassungsgericht untersagt wurde. 2020 betrug der Werbeetat 20 Millionen, seitdem steigt er weiter. Es wird ein wachsendes staatlich finanziertes Online-Influencer-Netzwerk aufgebaut. Regierung und Gesinnungsaktivisten arbeiten immer enger zusammen. Die Bundeszentrale für politische Bildung will sogar den Beutelsbacher Konsens, der die Indoktrination von Kindern und Jugendlichen verbietet, aufheben, um auch Zugriff auf unsere Jüngsten zu haben. Kanzler Scholz hat als Generalsekretär der SPD die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ gefordert. Jetzt soll sie Realität werden.
Während Deutschland sich allgemein auf Abstiegskurs befindet, gibt es im Speziellen auch Erfolge zu vermelden: Auf Twitter erreicht unser Land im Ranking der Löschungen nach China und Russland einen dritten Platz.
Das und noch mehr erfährt man im Buch von Kunz. Der Autor schreibt in seiner Einleitung, er wisse, dass ein Buch wenig ändern wird, aber er könne den herrschenden Zeitgeist nicht unwidersprochen lassen. Ich wünsche ihm viele, viele Leser, dann ändert sich vielleicht doch noch etwas.
Gunnar Kunz: Sie verlassen den demokratischen Sektor – Solibro 2024