Alexander Freitag zur Rolle des Journalismus in Deutschland
In „Die hysterische Republik“ sezieren bekannte Autoren wie Annette Heinisch, Wolfgang Meins, Ulrich Schödlbauer und Gunter Weißgerber die gesellschaftlichen Zerfallsprozesse unseres Landes.
Im folgenden Leseauszug beschreibt Alexander Freitag zum einen den Missbrauch des Journalismus durch die herrschende Politik. Und zum anderen einen vorauseilenden Gehorsam dem Mainstream gegenüber.
Der Unterschied zwischen nützlichem Wissen und nützlicher Idiotie – Wenn Wissenschaftler und Journalisten zu Schamanen werden.
Im ebenso hysterischen wie fürsorglichen Deutschland heutiger Prägung, ein im Grunde mindestens proto-autokratisches Staatswesen, gibt es zwischen Staatsführung und Bevölkerung einen impliziten Deal: Ihr, die Bevölkerung, tut das, was wir, die Staatsführung wollen – und wir sagen euch, wie ihr das macht. Für eine zunehmend zur Abhängigkeit erzogene Gesellschaft (»abhängige Beschäftigung«; abhängige Versorgung durch einen allumfassenden Sozialstaat; von dauerhaften »Winterhilfen« abhängige Wirtschaftsbranchen etc.) wird nicht nur umverteilt und gezahlt, sondern eben auch vorgedacht.
Sehr praktisch für eine hysterische Gesellschaft, die sich auf diesem Wege gerne narkotisieren lässt. Und mit einem gewissen Erstaunen stellt man fest: Die Deutschen sind wohl wieder so eine Gesellschaft. Sie wiederholen damit ein kollektives Verhaltensmuster, das bereits zweimal in den vergangenen hundert Jahren ins sprichwörtliche Verderben geführt hat. Doch das wäre ein anderes Thema.
Zurück zum Deal. Hierzu stehen aus Sicht der Staatsführung unter anderem zwei wesentliche Werkzeuge zur Verfügung: Framing und Nudging. Beides weder ei ne neue Erfindung noch neue Begrifflichkeiten. Man könnte auch „Propaganda“ und „Kollektivzwang“ dazu sagen, aber aus historisch verständlichen Gründen der Begriffshygiene lässt man diese Begriffskeulen dann doch lieber dezent in der Schublade. Was ist konkret gemeint? Ein »Frame« ist ein Rahmen, ein »Nudge« ein Schubs.
Im Grunde praktizieren wir alle das jeden Tag: In der Firma, in der Nachbarschaft, in der Beziehung – überall versuchen wir, mit geschickten Rahmensetzungen bestimmten Informationen oder Absichten einen „richtigen“ Spin zu geben. Das ist, soweit, völlig normal und legitim. Ähnlich verhält es sich mit dem „Nudge“, dem Schubs in die „richtige“ Richtung. Auch hier gilt das Alltagsprinzip: Wir versuchen, den Chef, den Kollegen, den Nachbarn, die werte Gattin oder wen auch immer in eine für uns strategisch oder taktisch günstige Verhaltensposition zu „schubsen“.
Und wiederum gilt: Das ist normal und legitim. Schwierig wird es, wenn solche legitimen, aber individuellen Manipulationstechniken des menschlichen Kommunikationsalltags zum kollektiven Gut erhoben werden sollen. Es ist eben etwas anderes, ob man den Nachbarn dazu bewegen möchte, einem während des Urlaubs die Blumen zu gießen – oder von einem Staat zur dauerhaften Erhöhung von Steuern und Abgaben animiert werden soll. Umso günstiger, wenn dem hysterischen Staat vermeintlich neutrale Autoritäten aus der Wissenschaft zur Verfügung stehen, all diese Framings und Nudgings zu legitimieren.
Und zu verstärken. Prominente oder gewichtige Wissenschaftler sind da herzlichst willkommen, denn schließlich können sie im Mantel der hohen und reinen Lehre und dem Lichtglanz der Objektivität der renitenten oder noch nicht so ganz überzeugten Mehrheit einer Gesellschaft die vom Staat gewünschten Verhaltensänderungen schmackhafter machen. Eine Art akademischer Torpedo, wenn man so will. Was es dazu braucht, sind Wissenschaftler, die eine internale Bereitschaft mitbringen, sich in diesen staatlich gewünschten Dienst stellen zu lassen – oder mit externalen Belohnungen dazu veranlasst werden können.
Dies gilt im Grunde für alle Wissenschaftler, die Sie in allerlei Talkshows in Fernsehen und Radio zu sehen und zu hören bekommen: Sie alle haben ein Motiv, dies zu tun. Die einen aus innerer Überzeugung, die anderen, weil sie den jeweiligen Kollateralnutzen für die eigene Eitelkeit oder den eigenen Geldbeutel zu schätzen gelernt haben. Es gibt sogar eine dritte Gruppe: Jene Wissenschaftler, die in ihren jeweiligen Disziplinen nicht reüssieren können oder wollen – und insofern viel Tagesfreizeit haben, mit ihrem staatlich nützlichen Wissen zum medial nützlichen Idioten zu werden. „Nicht käuflich. Aber mietbar.“ weiterlesen