Von Gastautorin Annette Heinisch
Über die Schwäche des Westens, Selbstbetrug und Bequemlichkeit
Die Deutschen haben sich bis heute nicht den wesentlichen Fragen und Ängsten gestellt. Daher können die Ängste unter Anwendung massenpsychologischer Erkenntnisse (man muss sagen wieder) gnadenlos ausgenutzt werden, um das Volk zu steuern. Die Autoritätsgläubigen sind immer noch in der Mehrzahl, ob bei der Corona – Politik oder jetzt im Lager der Putin–Versteher. Lektion gelernt? Fehlanzeige.
Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts fand in Hamburg ein denkwürdiger Kirchentag statt. Da in meiner Schule evangelische Schüler zu dessen Besuch schulfrei bekamen, ging ich hin – klar, für schulfrei machte man so einiges. Der Kirchentag fand vorwiegend auf dem Messegelände in der Hamburger Innenstadt statt, er wurde dominiert von der damaligen Debatte über den NATO-Doppelbeschluss.
Als ich über das Gelände und durch die Hallen ging, waren vorwiegend politische Parolen wie „Ami go home“ zu sehen, oft hörte man das Credo dieser Zeit „Lieber rot als tot“. Wie es den unterdrückten Menschen in den totalitären Staaten ging, war offenbar allen gleichgültig, Hauptsache, man war selbst nicht in Gefahr sein bequemes Leben zu verlieren. Das wurde dann auch noch als moralisch hochstehend propagiert, welch Umkehrung der elementarsten christlichen Werte!
Ansonsten schienen sich dort sehr viele Menschen versammelt zu haben, die mein Vater schlicht als „Spinner“ bezeichnet hätte. Es glich eher einer Esoterik – Messe mit politischer Beeinflussung als einer christlichen Veranstaltung. Ich kam mir völlig fehl am Platze vor. Die Pastoren, die ich kannte, waren der Ansicht, dass Gott den Menschen Verstand mitgegeben habe, damit sie ihn benutzen. Davon war dort nichts zu erkennen.
Irgendwann entschloss ich mich, wieder nach Hause zu fahren, meine Mitschüler hatte ich ohnehin in irgendwelchen Hallen verloren. Als ich gerade den Durchgang zwischen zwei Hallen passierte, öffneten sich plötzlich die Türen der einen, ein Schwall von Menschen strömte heraus, riss mich mit und presste mich an die Wand der anderen Halle, deren Türen noch verschlossen waren. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, alle Versuche, mich frei zu kämpfen scheiterten. Hilflos spürte ich, wie die Luft aus meinem Brustkorb gepresst wurde, dann fing die Welt um mich herum an dunkel zu werden. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, war der Druck weg, ich konnte wieder atmen. Arme fingen mich auf und brachten mich aus der Gefahrenzone. Es stellte sich heraus, dass Richard von Weizsäcker mitsamt Sicherheitskräften in der Nähe vorbei gegangen war, zufällig hatten sie das Geschehen beobachtet und kamen mir zu Hilfe. Bis heute bin ich ihnen unendlich dankbar! Wenn ich sie richtig verstand, war wohl eine Veranstaltung eines populären, sich als Friedensfürst gerierenden Politikers in der einen Halle, wohin die blindwütige Masse stürmte. „Die Flucht“ weiterlesen