Der 18-jährige Peter Fechter ist nicht der erste Mauertote, aber der bekannteste. Sein qualvolles Sterben vollzog sich 50 lange Minuten vor den Augen der Weltöffentlichkeit, aber Niemand wollte dafür verantwortlich sein. Dass der schwer verletzte Jugendliche nicht sofort von den DDR-Soldaten geborgen wurde, aber auch die amerikanischen Soldaten am nahen Checkpoint Charly keine Hilfe leisteten, wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die Grausamkeit des Grenzregimes der DDR, sondern auch auf die Gleichgültigkeit des Westens gegenüber dem Leiden der eingemauerten Menschen.
Bis zu seinem dramatischen Ende wies in Peter Fechters Leben nichts darauf hin, dass er zu einer Symbolfigur werden könnte.
Die Familie beschreibt ihn als stillen, unauffälligen Jugendlichen. Fechter wurde im Kriegsjahr 1944 in Berlin geboren und wuchs als drittes von vier Kindern im Stadtbezirk Weißensee auf. Sein Vater war Maschinenbauer, die Mutter Verkäuferin. Wie in den 50er Jahren nicht unüblich, verließ der einzige Sohn die Schule im Alter von 14 Jahren und begann eine Lehre als Maurer. Seine Beurteilung fällt tadellos aus: »Kollege F. ist ein williger und fleißiger Facharbeiter. Bummel- und Fehlstunden fallen bei ihm nicht an.« Zum Schluss arbeitete Fechter am Wiederaufbau des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Palais an der Straße Unter den Linden mit. Dort traf er auf seinen Kollegen Helmut Kulbeik, mit dem er Fluchtgedanken schmiedet. Zwar erkundeten die beiden das Grenzgelände auf der Suche nach einer günstigen Gelegenheit, hatten aber keinen konkreten Plan, trafen auch keine besonderen Vorbereitungen. Auch die späteren Nachforschungen des MfS ergaben »keinerlei Anzeichen eines vorbereiteten Grenzdurchbruchs«. Die Entscheidung fiel spontan, als die beiden auf einem ihrer Streifzüge an der Schützenstraße ein Ruinengebäude entdeckten, in dem eine Tischlerei untergebracht war, deren rückwärtige Fenster zur Zimmerstraße und somit fast an der Mauer lagen. Zwei Tage später, am 17. August, beschlossen Fechter und K. während der Mittagspause spontan, nicht mehr zur Baustelle zurückzukehren, sondern sich in diesem Gebäude umzusehen. Die beiden Jugendlichen gelangten unbemerkt in die Werkstatt. In einem Lagerraum fanden sie ein Fenster, das noch nicht zugemauert war.
Aber, so gibt Kulbeik bei einer Befragung in Westberlin später zu Protokoll, erst als sie nach einer Weile Stimmen hörten, sprangen sie aus Angst, entdeckt zu werden, aus diesem Fenster. Ihre Schuhe hatten sie ausgezogen, und liefen auf Strümpfen auf die nahe Mauer zu. Als die ersten Schüsse fielen, so Kulbeik, sei Peter Fechter wie angewurzelt stehen geblieben. „Ich war inzwischen ebenfalls an der Mauer angelangt, sprang hoch und zwängte mich durch den auf der Mauer angebrachten Stacheldraht. Warum Peter nicht geklettert ist, er hätte vor mir auf der Mauer sein müssen, weiß ich nicht. Er sprach kein Wort, und ich hatte den Eindruck, als die Schüsse fielen, dass Peter Fechter einen Schock bekommen hat. Ich rief ihm noch laut zu: ›Nun los, nun los, nun mach doch!‹ Er rührte sich aber nicht.“
Nach dieser Schilderung sieht es so aus, als wären die ersten Schüsse tatsächlich ohne Tötungsabsicht abgegeben worden, denn K. gelingt es, sich unversehrt über die Mauer in Sicherheit zu bringen. Fechter scheint dagegen beim Anspringen der Mauer getroffen worden zu sein, oder ist aus einem anderen Grund zurückgerutscht. Er hat sich dann hinter die Mauerverstärkung gestellt. Das heißt, er hat seinen Fluchtversuch zu diesem Zeitpunkt aufgegeben. Doch statt Fechter festzunehmen, bezogen die Grenzposten eine andere Position und schossen so lange, bis er zusammenbrach. Das war eine Hinrichtung. „Eine Straße für Peter Fechter!“ weiterlesen