So sieht der Ort sich selbst und mit Recht. Hier kann man Geschichte von ihren Ursprüngen an lernen, denn es gibt sogar ein archäologisches Museum. Die Stadt hat sich ganz auf junge Besucher eingestellt. Überall finden sich Hinweise und Aufgaben für die Schulklassen, die an allen Wochentagen in der Stadt zu sehen sind.
Das bedeutendste Museum ist der Palazzo Ducale. Von außen gleicht er eher einer Festung, die er in der stürmischen Geschichte des Ortes sicher auch war.
Durch seine strategische Lage war Urbino immer wieder in die Kämpfe verwickelt, die nach der Entstehung des Vatikanstaates für die Zeit des kirchlichen Feudalismus charakteristische waren. Trotzdem entwickelte Urbino zu einer der schönsten Renaissance-Städte Italiens.
Von der Pracht im Inneren des Palastes zeugen heute noch das Arbeits-, Ankleide- und das Schlafzimmer des Herzogs, mit seinen reichen, mit Intarsien geschmückten Vertäfelungen und auch die teilweise erhaltenen Malereien im Hochzeitszimmer und dem Alkoven. In den Räumen der Herzogin sind es die Malereien oder die Stuckarbeiten an den Decken, die faszinieren.
Heute kommt man vor allem wegen der Kunstwerke her, die hier zu sehen sind. Von der unglaublichen Fülle erwähne ich nur zwei.
Das Bild einer adeligen Dame von Raffael, genannt auch die „Stumme“. Es wurde von Raffael während seines Aufenthaltes in Florenz (1505-1507) gemalt. Die Legende sagt, dass Raffael das Atelier Leonardos besucht und die Mona Lisa gesehen hätte. Die hätte er vor Augen gehabt, als er seine unbekannte Schöne porträtierte. Tatsache ist, dass er den charakteristischen schwarzen Hintergrund gewählt hat, Leonardos pyramidalen Aufbau der Figur und den Gebrauch der Nuancierungen. Zwar lächelt Raffaels Dame nicht, ist aber vom Geheimnis umgeben, wie die Giaconda.
Als Zweites möchte ich auf zwei Meisterwerke von Pietro delle Franciesca eingehen. Seine Madonna de Senigalla, genannt nach der Stadt, in der sie jahrhundertelang hing, bevor sie 1917 nach Urbino gebracht wurde, sahen wir am ersten Tag nur als Kopie. Am nächsten hing das Original wieder an Ort und Stelle. Mich faszinierte das Jesuskind, das aussieht wie ein römischer Senator. Sein Korallenschmuck symbolisiert die blutigen Tränen des Medusenhaupts, wie sie von Ovid in den „Methamorphosen“ beschrieben wurden, weiß Freund HG. Die Korallen dienen hier als Amulett.
Das andere Gemälde von delle Franciesca, „Die Geißelung Christi“, hatte seinerzeit einen Skandal ausgelöst. Es besteht aus zwei Teilen. In einem wird die Auspeitschung Christi vor Pilatus gezeigt, im anderen sind drei Männerfiguren zu sehen, von denen man bis heute nicht genau weiß, wer sie sind.
Die gängigste Erklärung ist, dass es sich bei dem blonden Jüngling in der Mitte um eine Erinnerung an den Duca Ocklantonio handelt, der 1444 als Opfer einer Verschwörung starb. Er ist flankiert von zwei böswilligen Beratern, von denen einer einen auffälligen goldbestickten blauen Mantel trägt. Eine andere, neuere Interpretation sagt, dass der blonde Jüngling, Buonconte, der früh an Pest verstorben ist, die gepeinigte Situation der Kirche darstellen soll.
Noch mehr berührt als alle Kunst im Palazzo haben mich die Fresken im Oratorium S. Giovanni, die sich durch eine wunderbare Farbigkeit auszeichnen und an der inne liegenden Wand fast vollständig in ursprünglicher Pracht vorhanden sind. Erzählt wird das Leben von Johannes dem Täufer. Die Fresken, ausgeführt von den Brüdern Salimbeni sind ein herausragendes Zeugnis der Spätgotik.
Das schockierend Gegenstück fand ich in einer anderen Kirche, die wir nur en passant besuchten.
„Die Kreuzigung Urbinos“ heißt das dystopische Gemälde eines bekannten italienischen Malers. Francesco Degrandi. Die Interpretation überlasse ich meinen Lesern.