Bye, bye Perugia – Hello Urbino!

Veröffentlicht am

Gern wäre ich länger geblieben, aber die Reiseplanung zwingt uns, Abschied zu nehmen. Vorher besuchen wir die älteste Kirche Perugias – ein Rundbau aus frühchristlicher Zeit an der etruskischen Stadtmauer. Ich habe selten eine so schöne Kirche gesehen, die verschiedene Kulturen miteinander verbindet. Die Säulen, die das Gewölbe tragen stammen aus römischer Zeit, sind aus unterschiedlichem Material, verschiedenfarbigen Marmor oder Granit und ungleich lang. Trotzdem entsteht ein harmonischer Gesamteindruck. Von den Wandmalereien haben nur spärliche Reste überlebt, zum Teil aber von lebhafter Farbigkeit. Auf dem Fußboden finden wir ein Pentagramm aus Marmor. Die Erbauer oder frühen Benutzer sicherten sich gegen alle Eventualitäten ab.

Auf dem Rückweg gingen wir ein Stück die Mauer entlang. Als wir an einem besonders schönen Haus vorbeikamen, begegneten uns zwei der schönen alten Italiener. Einer davon war der Besitzer des Hauses, das wir eben bewundert hatten. Er bemerkte unser Interesse und lud uns ein, ins Haus zu kommen. Die Wohnung erstreckte sich über zwei Etagen. Vom Dachgarten hatte man einen atemberaubenden Blick über die Dächer von Perugia auf die umbrische Landschaft.

Die Hausfrau war ebenso malerisch wie ihr Mann. Als wir sie fotografieren durften, war er leider verschwunden.

Wie kommt man von Perugia ins nur 120 km entfernte Urbino? Kaum mit dem Zug. Die Fahrt würde dreifaches Umsteigen erfordern und mehr als fünf Stunden dauern. Also ein Mietwagen? Unter 350€ war keiner zu bekommen. Eine Hotelangestellte bemerkte unser Dilemma und half, weil sie einen Sohn in Deutschland hat, dem es dort sehr gut geht, auf italienisch. Hier löst man Probleme, indem man jemanden kennt, der jemanden kennt. In unserem Fall war ein schon lange hier lebender Weißrusse die Rettung, der uns mit seinem in Weißrussland gebauten VW in knapp zwei Stunden nach Urbino brachte, Unterwegs, bergauf, bergab, über viele Serpentinen, wurde uns klar, welches Glück wir hatten. Für uns wäre die Fahrt sehr schwierig geworden. Am Ende legten wir dankbar auf die 200€ noch 20 drauf.

Urbino, eine römische Gründung, ist schon von Weitem zu sehen. Die Stadt in der Form eines römischen Schiffes liegt fest ummauert auf einem Berg. Ringsum eine seit Jahrhunderten kaum veränderte Kulturlandschaft. Man darf die Altstadt nur mit Genehmigung befahren. Wir nehmen in einem ehemaligen Kloster Albergo San Domenico Quartier, ganz nahe dem Palazzo Decale, wegen dem wir hergekommen sind.

Urbino ist die Geburtsstadt von Raffael, hier hat er seine berühmte Malakademie betrieben.

Schon beim ersten Rundgang fällt uns auf, wie jung das Publikum ist. Kurz darauf sind wir aufgeklärt. Urbino hat 15 000 Einwohner und 25 000 Studenten.

Zwar besuchen wir als Erstes die Nationalgalerie im Palazzo Ducale, aber darüber will ich morgen berichten, wenn ich den zweiten Teil der Sammlungen gesehen habe.

Am Abend besuchte ich das Geburtshaus von Rafael, das von einer privaten Initiative, die das Haus gekauft hat, als Museum betrieben wird. Das Haus ist häufig umgebaut worden, von der Originaleinrichtung ist nichts mehr vorhanden. Aber die Holzdecken, die Steinfußböden, die Marmortreppen im Vorderhaus, die aus Backstein im Hinterhaus, der Brunnen im Hof, der Kochkamin in der Küche, mit noch funktionierendem Bratrost, sind wie zu Raffaels Zeiten.

In Raffaels Geburtszimmer hängt ein Gemälde von Maria mit dem Kinde in sanften Farben. Eine romantische Legende sagt, Raffaels Vater, ein anerkannter Maler und Schriftsteller, hätte damit Raffaels Mutter mit ihm als Baby gemalt. Aber das wäre zu schön, um wahr zu sein. Neue Forschungen sind sich sicher, dass es sich um eine frühe Arbeit Raffaels handelt.

Im Haus hängen mehrere Porträts von Raffael, im Original und als Kopien. Er war ein wahrer Götterjunge, nicht nur hochbegabt, sondern schön zum Niederknien. Er konnte aber nur der Ausnahmekünstler werden, der schon bald seinen Lehrmeiste Perugino überflügelte, weil sein Vater früh sein Talent förderte. In der Renaissance galt die Leistung. Man schätzte Meisterschaft und kam nicht auf die Idee, die zugunsten von Gleichheit und „Gerechtigkeit“ zu eliminieren.

Deshalb stehen wir heute voll Bewunderung vor den Hinterlassenschaften der Periode, die wie keine andere das Erfolgsmodell des Westens prägte.



Unabhängiger Journalismus ist zeitaufwendig

Dieser Blog ist ein Ein-Frau-Unternehmen. Wenn Sie meine Arbeit unterstützen wollen, nutzen Sie dazu meine Kontoverbindung oder PayPal:
Vera Lengsfeld
IBAN: DE55 3101 0833 3114 0722 20
Bic: SCFBDE33XXX

oder per PayPal:
Vera Lengsfeld unterstützen