Auch in diesem Jahr wird die Mozartwoche von Rolando Villazón geleitet. Erstmals seit Jahrzehnten steht nur Mozart auf dem Programm. Wenige frühe Stücke sind vertreten, der Schwerpunkt liegt auf den mitteleren und Spätwerken.
Die beiden Hauptwerke der Woche sind die Oper „Don Giovanni“ und das Requiem in d, das man spätestens aus Milos Formans Mozart-Film kennt,.
Die Oper dirigierte Sir András Schiff vom Hammerklavier aus, der seine selbst zusammengestellte Capella Andrea Barca mitbrachte und vom Bachchor Salzburg unterstützt wurde. Die Einrichtung der „Halb-Szenischen Aufführung“ hatte Rolando Villazón übernommen.
Zwei Aufführungen fanden in der Felsenreitschule statt. Der Riesensaal war vollbesetzt. Knisternde Spannung lag in der Luft. Wie würde Villazóns Arbeit zu bewerten sein?
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es war eine perfekte Aufführung, an der alles stimmte. Die wunderbaren Sänger meisterten auch die schwierigsten Parts spielend im Zusammenspiel mit dem Orchester. Unser Experte, der Villazón nicht mag, war überwältigt. Es würde schwerfallen, dieses Niveau zu übertreffen.
Es war spannend, Schiff zusehen zu dürfen, wie er Sänger und Orchester dirigierte. Ich war so gefesselt, dass ich zeitweise von den Sängern abgelenkt war.
Ich weiß nicht, ob Tonaufnahmen von der Aufführung gemacht wurden. Es wäre die perfekte CD.
Mir persönlich war das Ganze etwas zu steif, besonders im 1. Akt. Ich hatte zwei Tage vorher einen lebensprallen Don Giovanni mit einer perfekten Choreografie und Choreinstudierung vom Theater Nordhausen gesehen und brauchte Zeit, mich daran zu gewöhnen, dass hier Sänger und Chor einfach nur herumstanden. Halb-Szenische Aufführungen sind nicht mein Ding.
Dem Publikum schien es ähnlich zu gehen, denn es spendete am Ende freundlichen, anerkennenden Beifall, an dem interessant war, dass auf die herausragende Leistung von Julian Prégardien als Don Ottavio hörbar reagiert wurde, wie auf die in den höheren Tönen ganz leicht schwächelnde Sylvis Schwartz als Donna Anna.
Ich muss aber noch etwas zum Programmheft sagen. Es hatte zwei Teile: einen deutschen und einen englischen. Während der Autor des englischen Teils in seiner Einführung über lauter interessante Einzelheiten der Erstaufführung durch Mozart berichtete, zum Beispiel, dass die Dreifache Nennung „Saporito“ bei Don Giovannis letztem Mahl eine Huldigung an die gleichnamige Sängerin war, übt sich der deutsche Autor in politisch-korrekter Einordnung. Janis El-Bira schreibt für etliche einflussreiche Musikjournale und Feuilletons, deshalb muss man ihn ernst nehmen. Unter der Überschrift „Der Gangster als Edelmann“ versteigt er sich zu der Behauptung, die Registerarie, in der Leporello die Eroberungen seines Herren aufzählt, sei „ein Strafkatalog sexueller Übergriffe“.
Auch wenn El-Bira etwas weiter unten selbst eingestehen muss, dass es doch nicht so einfach wäre, da Mozart dem angeblichen Straftäter mit der Mandolinenarie, die Donna Elviras Zofe bezirzen soll, ein Stück mit „süßholzraspelnder Verführungskraft“ geschenkt hat.
Aber ich sehe in seinen Äußerungen die Gefahr, dass in der Cancel-Wut, die augenblicklich herrscht, eines Tages die Forderung nach einem Verbot von Don Giovanni als Vergewaltiger-Oper erhoben werden könnte.
Nicht von El-Bira natürlich, sondern von Aktivistinnen, die nach immer neuen Tätigkeitsfeldern suchen. Da heißt es, den Anfängen zu wehren.