Von Gastautor Josef Hueber
„Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.“ (Goethe, Faust I)
Beides überfällig: Die Rehabilitierung des Konservativen und das Ende der bürgerlichen Linksfreundlichkeit
Logik und präzise Sprache – Schule des Denkens
Sie galt im Aufsatzunterricht der Oberstufe des Gymnasiums als Königsweg zur Schulung logischen Denkens: Die Erörterung. Das Nullachtfünfzehn-Thema, niemals ausgelassen, lautete: „Fluch und Segen moderner Technik“. Erörtern bedeutet(e), eine dem Alter angemessene Problematik eigenständig zu durchdringen sowie die eigenen Gedanken klar und logisch darzulegen. Pro und Contra zu denken, zu analysieren und zu problematisieren. „Was du nicht formulieren kannst, das hast du nicht verstanden“, lautete das dahinterliegende pädagogische Axiom. Im Fokus stand dabei nicht nur die Beherrschung der Regeln deutscher Grammatik, sondern auch die Schärfung des Gebrauchs von exakten Begriffen. Schwammige Formulierungen galten als Beweis für schwammiges oder gar falsches Denken. Dass dieser Anspruch zugunsten strammer Meinungs- und Haltungsäußerungen – nicht nur in der Schule – aus der Mode gekommen ist, erklärt die Herrschaft verwaschenen Denkens, das sich die intellektuelle Revierkontrolle im öffentlichen Raum verschafft hat.
Die Verwässerung von Begriffen ist kein Fortschritt
Das vielleicht bekannteste, weil allgegenwärtige Beispiel ist die in Politik und Medien (bewusst) verwässerte Verwendung eines Begriffs, dem keine grundsätzlich zu bejahende Semantik mehr zugebilligt wird. Seine gefühlter Inhalt ist pejorativ. Die Rede ist von dem Wort konservativ. Im Gefolge seiner Abwertung entwickelte sich eine ebenfalls pejorative verbale Schwarmbildung um dieses Wort mit anderen Begriffen – rechts, reaktionär, rechtsextrem – bis hin zu der adjektivischen Missgeburt nazi. Ja, man hört und liest diesen ästhetisch scheußlichen Satz: Eine Äußerung sei nazi.
Präzise Sprache spiegelt präzises Denken
Im Interview mit dem noch sehr jungen Podcast von Achgut.com, Indubio, hat der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, zur Klärung politisch präzisionsbedürftiger Begriffe beigetragen. Das hier angefertigte Transkript in Auszügen mag der Leser mit Interesse und Zustimmung erwidern.
Was ist „konservativ“?
Konservative empfinden sich regelmäßig als Menschen, die aufgrund ihrer Erfahrungen gelernt haben, dass man das, was sich bewährt hat, auch in Zukunft tun sollte. Was sich nicht bewährt hat, sollte man lassen. Man ist aufgeschlossen gegenüber dem Neuen, aber man geht nur dann aufs Eis, wenn man sich sicher ist, dass das Eis einen trägt.
Was unterscheidet Konservative von Linken?
Und das macht eigentlich den Unterschied aus zwischen den Konservativen und den Linken, die, ohne zu wissen, was vor einem ist, ob das Eis dünn oder dick ist, Entscheidungen treffen, die dazu führen, dass man möglicherweise durchbricht. Und die möglicherweise erheblichen Schaden haben.
Insoweit bin ich vielleicht teilweise ein Konservativer, weil ich mich als Realisten sehe, der sagt, wenn wir Entscheidungen für die Zukunft treffen müssen, dann Entscheidungen, die faktenbasiert sind. Es dürfen keine Träumereien sein. Und schon gar nicht Ideale oder ideologische Fragmente, die dazu führen, dass man sich von denen leiten lässt, die Gegenwart anders sehen, als sie ist, und darauf Tatsachenentscheidungen trifft.
Realismus versus Romantik
Deswegen störe ich mich auch an der politischen Linken in Deutschland, weil die politische Linke aus meiner Sicht die Tatsachen und die Realitäten nicht so nimmt, wie sie sind. Sondern sie anders sieht: gefärbt durch Ideologie und politische Romantik.
Linker Extremismus und die bürgerliche Mitte
Der Linksextremismus geht dadurch vor, dass er versucht, Brücken zu bauen zwischen dem gewaltbereiten Linksextremismus über den legalistischen Linksextremismus bis zur bürgerlichen Mitte. Sie versuchen eine Akzeptanz für linksextremistische Positionen bis hin in die bürgerliche Mitte zu bilden. Das ist den Linksextremisten in Deutschland schon immer leicht gefallen, weil es eine Tendenz gab, schon seit 68, dass man im linksliberalen Bürgertum sagte, das, was die Linksextremen wollen, geht vielleicht von der Zielrichtung in unsere Richtung, schießt nur etwas übers Ziel hinaus. Man hat eine größere Duldsamkeit gegenüber diesen Positionen gehabt. Und nach dem G20 Gipfel in Hamburg, der aus meiner Sicht ein sicherheitspolitisches Desaster war, ist mir jedenfalls deutlich geworden, dass es der gewaltbereite Linksextremismus in der Tat geschafft hatte, Sympathie und Unterstützung, Wohlwollen und auch pressemäßige Unterstützung oder Flankierung zu erhalten, bis eben in den linken und linksliberalen Bereich, wo es dann in den Medien teilweise wieder hieß, es war überzogene Polizeigewalt gewesen, die Polizei hatte kein vernünftiges Deeskalationskonzept, oder die Zielrichtung stimmte zwar, allerdings war das etwas zu viel Gewalt.
Keine Toleranz gegenüber der linken Intoleranz
Das sehe ich als ein großes Problem in unserer Gesellschaft: diese Toleranz gegenüber dem Linksextremismus. Diese Toleranz sieht in Teilen so aus, dass die Linken in Deutschland eine Einstellung haben gegenüber allem, was rechts von ihnen ist, die besagt, ein Kampf gegen rechts darf auch mit Linksextremisten geführt werden.
Linke und Linksextremismus – die gefährliche Melange
Das ist m.E. eine Aufkündigung des gesamtgesellschaftlichen Konsens, einen gemeinsamen Kampf gegen Extremisten zu führen, nämlich jeder Extremismus, ob ein rechter oder ein linker oder ein islamistischer, ist eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Es geht um Extremismus. Extremismus will einen anderen Staat, will eine andere Art von Meinungsfreiheit, will eine andere Art von Pressefreiheit, will überhaupt, dass dieser Staat anders aussieht. Das ist die Gefahr der Toleranz der Linken gegenüber dem Linksextremismus.
Quelle: Indubio, Achgut v. 29.4.2020