Alltag in einem der wahrscheinlich besten Gesundheitssysteme der Welt

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Unsere Kanzlerin hat in einer ihrer jüngsten Ansprachen betont, wir hätten wahrscheinlich eines der besten Geundheitssysteme der Welt. Tatsächlich lassen sich zahlungskräftige Ölscheichs oder gar Clan-Bosse vom Balkan gern in unseren Spezialkliniken behandeln. Für diejenigen, die “schon länger hier leben” sieht die Realität alles Andere als rosig aus. Mein 40ig jähriger Leser M.K. hat das Gefühl, dem Sterben überlassen zu werden.

Urteilen Sie selbst:

Sehr geehrte Frau Lengsfeld,

Ihrem letzten Artikel kann ich, wie so oft, nur beipflichten.
Ich selbst habe in den letzten Monaten erfahren müssen, wie großartig unsere Gesundheitssystem in Wirklichkeit ist und wie viel der Einzelne zählt.
Kurz vor Weihnachten letzten Jahres setze bei mir Atemnot bei Belastung ein.
Nach dem Fest war es so schlimm, dass ich schon nach dem Aufstehen vom Sofa vollkommen außer Atem gewesen bin. Besuch beim Hausarzt im Januar, mit der Diagnose “Erkältung”, ich bekam Antibiotika.
Die haben ich brav genommen und tatsächlich verbesserten sich meine Symptome etwas. Sowie die Packung aufgebraucht war, kehrten sie allerdings zurück und das wesentlich schlimmer.
Also wieder Antibiotika und eine Überweisung zum HNO Arzt. Nach nur einem Monat bekam ich dann tatsächlich einen Termin, nachdem ich ein Dutzend Ärzte abtelefoniert hatte. Nach 4 Stunden Wartezeit konnte der mir aber auch nur sagen, dass die oberen Atemwege in Ordnung sind und überwies mich mit Dringlichkeit an einen Lungenarzt. Einen solchen Termin hatte ich aber schon vorher gemacht, da dachte ich nämlich noch, dies ließe sich auch binnen 30 Tagen abklären.
Also habe ich ausnahmslos alle Lungenärzte in Hannover und Umgebung abtelefoniert, ohne Ergebnis. Entweder wurden mir Termine im nächsten Jahr angeboten oder gleich gesagt, man würde überhaupt keine neuen Patienten annehmen.
Nachdem ich nun vom HNO eine Überweisung mit Dringlichkeit hatte, war ich allerdings guter Dinge und hatte angenommen, dies würde irgendwas bewirken. Leider erwies sich dies als falsch, der früheste Termin war der 27.03.20
Zwischenzeitlich habe ich nicht einmal den Weg zum Einkauf bewältigen können, obwohl der Netto Markt hier nur 500 Meter die Straße herunter ist.
Mein letzter Ausweg war dann das Krankenhaus, wo ich vorstellig wurde. Die haben mich dann in der Notaufnahme auch untersucht, aber angeblich waren meine Werte “traumhaft” und das es mit dem Lungenfunktionstest nicht klappte….das könnte viele Ursachen haben. Die Ärztin, die nur gebrochen Deutsch gesprochen hat, verwies dann auf meinen psychischen Zustand, denn ich käme ihr aufgeregt vor.
Was nicht verwunderlich ist. wenn man keine drei Schritte machen kann, ohne vollkommen außer Atem zu sein.
Sie erklärte mir dann auch, dass seit Januar nur noch Menschen aufgenommen werden dürfen, die in akuter Lebensgefahr sind, was bei mir nicht der Fall wäre. Die Fachärzte seien zuständig und da ich ja einen Termin in zwei Monaten hätte, wäre doch alles gut.
Glücklicherweise hat mir dann die Hausärztin einen Pulverinhalator verschrieben, der tatsächlich Wirkung zeigte. Damit existiere ich nun seit über zwei Monaten, obwohl die Behandlung damit auf höchstens sechs Wochen begrenzt ist, da sonst die Gefahr einer Lungenentzündung besteht.
Mir schien das Risiko allerdings okay, denn bevor ich keine Luft kriege….
Heute haben wir nun den 24.03.20 und meine Inhalator reicht noch genau bis Donnerstag.
Das machte mich bisher ein wenig nervös, aber ich dachte ja bis heute Morgen noch, ich hätte am Freitag einen Termin. Leider wurde dieser heute abgesagt, denn es werden nur noch dringende Fälle behandelt-
Und dazu gehöre ich nicht und das obwohl ich seit drei oder vier Tagen Schmerzen beim Atmen habe und auch die Wirkung der Inhalation keine 24 Stunden mehr anhält.
Mir wurde dann gesagt, ich könnte mir höchstens eine Notfallüberweisung holen. Also wieder zum Hausarzt, der mir eine ausstellte und mir gleichzeitig eröffnete, er könne mir den Inhalator auch nicht mehr verschreiben, weil das ebenfalls langsam gefährlich wird…. Ein erneuter Anruf beim Lungenarzt erbrachte aber nun, dass ich trotz Notfallüberweisung nicht behandelt werde. Der Termin wird auf später verschoben, wenn die Corona Krise vorbei ist. Da ich eine Notfallüberweisung habe, solle ich mich ans Krankenhaus wenden und mich aufnehmen lassen.
Also wieder Sachen gepackt und ins Krankenhaus gefahren. Hier wurde ich erneut untersucht. Es dauerte keine zehn Minuten, in denen sie angeblich mein Blut getestet haben und geröntgt wurde ebenfalls nicht.
Der Arzt hat mich eine Minute abgehört, allerdings während er sich mit seiner Kollegin unterhalten hat und mir dann eröffnet, es wäre alles in Ordnung.
Ich bin 40 Jahre alt und offenbar zum Sterben verdammt. Wenn ich mich jetzt noch mit Covid 19 anstecke oder es vielleicht schon habe, werde ich wohl demnächst sterben müssen.
So viel zu unserem großartigen Gesundheitssystem und der Regierung, die jedem hilft…..Zumindest jenen die Johannes B. Kerner heißen und beim kleinsten Husten sofort getestet werden.

 



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