Zwanzigster November 1989
Das Neue Forum gibt einen Aufruf mit der Forderung nach freien Wahlen bekannt. Innerhalb von sechs Wochen werden mehr als 200 000 Menschen diesen Aufruf unterzeichnen. Es ist die letzte massenwirksame Aktion der Initiative, die sich nicht einigen kann, welchen Weg sie in Zukunft einschlagen will. Mit dem Entschluss, sich nicht zur Partei zu formieren, hat sich das Neue Forum selbst seiner Wirksamkeit beraubt.
Ebenfalls bekannt wird der „Aufruf an die Vorstände der neuen demokratischen Parteien und Bewegungen“ der darum bittet, „sich nicht in endlosen Debatten über einzelne intellektuelle Spielarten zu verlieren, die Demokratie damit zu zerreden, zu zersplittern und letztlich zu töten“. Der immer noch herrschenden SED müsse ein „gleichwertiger Partner“, eine „zielbewußte demokratische Opposition entgegentreten“.
Wenn das nicht geschehe, verspiele die Opposition ihre Vertrauenswürdigkeit. Dann kommt der Satz, der wie ein Menetekel für die noch zu erkämpfenden freien Wahlen wirkt: „Wen sollen wir wählen, wenn ihr unser Vertrauen nicht rechtfertigt?“.
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt zeichnet sich die Wahlniederlage der Opposition ab, die sie im März erleiden wird. Sie wird an ihrer eigenen Schwäche und Unentschlossenheit scheitern.