Von Christoph Ernst
Billy Wilder bemerkte einst: „Auszeichnungen sind wie Hämorrhoiden. Früher oder später bekommt sie jedes Arschloch.“
Nun soll Sophie Henny Elinor Freiin von und zu der Tann-Rathsamhausen, die ARD-Zuschauer als Sophie von der Tann kennen, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis erhalten. Sophie ist offiziell Nahost-Korrespondentin des ÖRR, faktisch jedoch die Stimme Palästinas in deutschen Wohnzimmern. Sie sitzt in Tel Aviv, aber ihr Herz gehört den Menschen aus Gaza. Obwohl sie angeblich Arabisch und Hebräisch spricht, sind ihre Sympathien klar verteilt. Schon einen Tag nach dem Pogrom, am 8. Oktober 2023, als noch gar nicht klar, wie jüdische viele Menschen die Hamas insgesamt geschändet, gefoltert, ermordet und verschleppt hatte, wies sie empört auf den israelischen Truppenaufmarsch im Süden des Landes hin und sorgte sich um das Los der arabischen Angreifer.
Dafür ehrt sie der ÖRR mit einem vorzüglichen Journalistenpreis. Der Mann, nach dem diese Würdigung benannt ist, war nicht so polyglott wie die adelige Dame, aber ein Profi, der das Handwerk von der Pike auf gelernt hatte und sich als Fan von Hugh Greene bei der BBC den Goldstandard des Fachs aneignete. Später prägte er den Satz, dass man einen guten Journalisten daran erkenne, dass er nicht öffentlich in Betroffenheit versinke und sich mit keiner Sache gemein mache, auch nicht einer guten. Sein Ideal war der Reporter, der sich das Vertrauen des Publikums durch unbestechliche Neutralität erwirbt.
Der ÖRR zeichnet jetzt eine Frau aus, die das genaue Gegenteil davon ist. Sie gehört zur neuen Generation, denkt postkolonial, parteiisch und politisch erweckt. Im Zweifelsfall versteht sie sich als Aktivistin. Als solche ist sie recht effektiv – stets zum Schaden Israels. Denn sie dosiert ihre Gefühle geschickt. Jüdische Geiseln und die Familien der beim Pogrom Ermordeten lassen sie eher kalt. Emotional wird sie, wo es ‚Palästinenser‘ geht. Dann benutzt sie Begriffe wie ‚Hungerblockade‘, ‚ethnische Säuberung‘ und ‚Vertreibung‘. So nährt sie den unter postmodernen Linken beliebten Genozid-Vorwurf. Israelische Soldaten, die ihr Land verteidigen, sind für sie meist ‚Aggressoren‘ und ‚Besatzer‘, aber die Leute in Gaza, die nach dem 7. Oktober die Mordbrenner und Vergewaltiger frenetisch feierten und auf den geschändeten Leib von Shani Louk spuckten, sind grundsätzlich bedauernswürdige Opfer.
Abertausende durch die Hisbollah vertriebene Israelis im Norden des Landes fallen bei ihr unter den Tisch. Zivile Verluste gibt es für sie fast nur unter ‚Palästinensern‘. Dazu präsentiert sie so kritiklos wie empört die Zahlen der Hamas, als seien es harte Fakten. Was die Israelis sagen, versieht sie dagegen mit einem Fragezeichen, auch, wenn sie die Angaben unschwer prüfen könnte. Manche Narrative bauscht sie gezielt auf und wiederholt sie bis zum Erbrechen. Anderswo lässt sie entscheidende Details weg. Tatsächlich dürften hierzulande nur die wenigsten wissen, wie viele Raketen Hamas, Hisbollah und Huthis über die letzten zwei Jahre auf Israel haben regnen lassen. Durch die Freiin hörten sie davon nur ausnahmsweise, etwa beim Angriff der Teheraner Mullahs. Dafür suggerierte sie ihnen fast täglich, dass Israel absichtlich unschuldige Araberkinder hungern und leiden ließ. Denn verantwortlich für Wohl und Wehe der Gaza-Bewohner sind aus Sicht von der Tanns nicht etwa die Chefs der Hamas, die über 1.200 Juden viehisch abschlachten und Hunderte von Geiseln verschleppen ließen, sondern die Israelis.
Unvergesslich bleibt ihr Beitrag zum Einsatz der israelischen Armee auf dem Gelände Al-Schifa-Krankenhauses. Da sagte sie, das Militär behaupte, unter dem Spital befände sich eine Kommandozentrale der Hamas. Überprüfen könne sie das leider nicht. Laut ‚Augenzeugen‘ stifteten die Israelis ‚Angst und Chaos‘ unter Hunderten ‚Kranken und Verletzten‘. Sie terrorisierten ‚viele, die dort Schutz‘ suchten.
Tatsächlich hatte die Hamas eben dieses Krankenhaus in ein militärisches Objekt verwandelt. Nach geltendem Kriegsrecht hätte die IDF es also komplett zerstören können. Stattdessen verschonten die jüdischen Soldaten die arabischen Zivilisten, obwohl ein Gutteil des Personals nachweislich zur Hamas gehörte. Das verschwieg sie später ebenso, wie ich keine Bilder von den Waffenlagern und Tunneleingängen erinnere. Insofern verbreitete sie zwar die Lügen der Islamisten, aber korrigierte sich nur äußerst sparsam.
Der eingangs erwähnte Hugh Greene gilt als Schöpfer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er gründete nach dem Krieg den NWDR. Greene hatte als britischer Korrespondent in Nazi-Deutschland gearbeitet und war mit Goebbels‘ Propaganda bestens vertraut. Ihm schwebte als Gegenmodell ein Konstrukt vor, das es Kollegen ermöglichen sollte, ohne finanziellen und politischen Druck unabhängig und kritisch zu berichten. Das, so hoffte er, würde ein Minimum an Sachlichkeit und Objektivität gewährleisten. Greene wusste, was auch Friedrichs wusste: Ungefilterter Zugang zu Nachrichtenquellen ist essentiell für mündige Willensbildung – und Neutralität dabei die Kür, die Spreu vom Weizen trennt. Wer parteiübergreifend glaubwürdig bleiben will, berichtet so objektiv und fair wie irgend möglich.
Inzwischen pfeift der ÖRR auf Greene und Friedrich. Der teuerste, reichste und mächtigste Senderkomplex der Welt optiert für die Spreu. Er setzt auf Masse statt Klasse und Staatsnähe. Sein Overkill an Sendern bietet alles Mögliche, nur keine nüchterne Grundversorgung mehr. Der zwangsfinanzierte Moloch sieht sich selbst längst nicht mehr als Nachrichtenmedium, sondern als Volkserzieher in höherem Auftrag. Da geht es nicht um Information, sondern um Gesinnung. Der ÖRR ist der Gate-Keeper der gesalbten Wahrheit, und die ist quer durch die Bank rot-grün und ökologisch-antikapitalistisch. Das sorgt für Allgegenwart dröhnenden Gleichklangs. Die ist personell wie programmatisch stramm linkslastig und fest in ‚woken‘ Händen. Antonio Gramsci wäre begeistert. Doch die ‚kulturelle Hegemonie‘ verlangt Tribut. In Zeiten fortgeschrittener Islamisierung, wo der Selbsthass des Westens Purzelbäume schlägt, darf der Zorn auf Israel nicht fehlen. Für deutsche Tugendbolzen gehört der zu der suizidalen Empathie wie der Milchschaum auf dem ‚Latte‘.
Friedrichs und Greene waren Gralshüter ein Gräuel. Jeder, der über einen Funken Restverstand verfügt, weiß, dass der einzige Sinn, den öffentlich-rechtliche Medien im Informationszeitalter überhaupt noch haben, in ihrer Objektivität besteht. Sie sollen Orientierung geben. Missbrauchen die Sender das, so wie die Freifrau ihr Informationsmonopol aus Israel missbraucht, verraten sie ihren Auftrag. Sie machen sich zu parteiischen Manipulatoren. Wäre das bloß öde, wäre es nicht schlimm. Doch es würgt die Vielfalt ab und erstickt den Diskurs. Allein durch seine schiere Masse gleicht der ÖRR längst toxischem Mehltau.
Der ÖRR schanzt von der Tann die Deutungshoheit darüber zu, welche Auskünfte seine Zwangskunden über Gaza und Israel erhalten. Von der Tanns Berichte sind gefärbt, extrem einseitig und unterschwellig judenfeindlich, und, gerade weil die Agitation so perfide und penetrant ist, dass sie einigen auffällt, wird sie offensiv gefeiert. Präventiv. Darum versieht man nun die Agitatorin mit den Weihen der Torwächtergilde.
Wüsste Hanns-Joachim-Friedrichs, welch Schindluder da mit seinem Namen getrieben wird, würde im Grabe rotieren. Eigentlich müsste es einen Aufschrei geben. Doch in einem Land, wo die Goethe-Universität Frankfurt sich nicht entblödet, Judith Butler mit dem ‚Theodor-W.-Adorno-Preis‘ zu ehren, ist die Dialektik der Aufklärung offenbar schon zu weit fortgeschritten.
Also zeichnen linke Antisemiten Appeaser der Hamas mit edlen Preisen aus, die die Namen von Leuten tragen, die entweder verfolgte Juden waren oder nachweislich nie gesteigerte Judenhasser. Das kann man als neue Form des Ritterschlags sehen, den Steigbügel in den Kreis der Erlauchten, den Persilschein, der maximales Giftspritzen in Richtung Israel adelt.
Ich denke da eher an Billy Wilder und seine Hämorrhoiden. Und träume von dem Tag, wo ich als freier Mensch nicht mehr für die unsägliche Zwangspropaganda zu zahlen habe, die es privilegierten Schnöseln ermöglicht, die Hamas zu verharmlosen und auf Israel einzuprügeln.
