Anatomie einer Denunziation deutscher Denunzianten

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Am Karfreitag habe ich einige wunderschöne Stunden am Berliner Stadtschloss verbracht.

Bei schönster Berliner Abendsonne präsentierte sich insbesondere die Kuppel mit Kreuz, Spruchband und neuerdings den wiederaufgestellten alttestamentarischen Prophetenfiguren im allerbesten Licht. Am Tag der Kreuzigung Jesus Christi fühlte ich mich in meiner Heimat Ostberlin tatsächlich mal als Siegerin der Geschichte – auf dem Dach des von den SED-Kommunisten unter Führung von Walter Ulbricht gesprengten preußischen Stadtschlosses. Die Kommunisten hatten parallel auch einen Kreuzzug gegen die protestantische Kirche und ihre Bauten gemacht und die Stadt modernistisch überformt. Und heute? Heute habe ich einen Blick auf die Kreuze von St. Ulbricht (Fernsehturm), den Berliner Dom und das Stadtschloss, aber auch einen Blick auf die verschiedenen wiederhergestellten Kuppeln, alle wunderschön und auf ihre Art einzigartig: Die der Berliner Synagoge, des Reichstags, des Deutschen und Französischen Doms am Gendarmenmarkt.

Berlin ist mit diesen Rekonstruktionen aus dem Leid und den tiefen Wunden von Krieg und zwei Diktaturen herausgewachsen.

Ich kann mit gewissem Recht sagen, dass ich daran einen kleinen politischen Anteil hatte: Bei allen erwähnten Rekonstruktionen oder Erhaltungen gab es immer auch offene und vor allem viele verdeckte Gegner und Feinde – trotzdem hat sich die Freiheit, die Demokratie, die Vernunft, der Kunstsinn und auch die Religion durchgesetzt. Sowohl bei der Großen Synagoge, bei der Reichstagskuppel oder bei der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses haben sich letztlich diejenigen durchgesetzt, die einen Kurs der Vernunft, der Schönheit, der Abwägung, aber vor allem der demokratischen Zukunft gewollt haben – das beinhaltet  auch  den Abriss (Palast der Republik) und Neubau des Schlosses: Die Antidemokraten dagegen, seien sie im Herzen Nationalsozialisten, Kommunisten, Antisemiten, Islamisten oder was immer, haben es nicht geschafft diese Zukunft zu blockieren.

Besonders beim Betrachten des alttestamentarischen Propheten Daniel musste ich schmunzeln: Wie absurd kann ein deutscher Kulturkampf sein?:

Seit Prof. Philipp Oswalt eine weitere Denunziation gegen das Schloss und seine Spender in die Welt gesetzt hat, gab es Berichte in großen deutschen Zeitungen und jetzt sogar im englischen Guardian: „Rechte“ Spender hätten für die Aufstellung der Prophetenfiguren gesorgt und damit lauf Oswalt eine von ihm postulierte „nationalprotestantische“ Aussage der Schlossrekonstruktion „überhöht“.

Zentralfigur: Vera Lengsfeld.

Ich bin mir jeder politischen Schuld bewusst:

Ich war immer eine offensive Kämpferin für die Rekonstruktionen von Gebäuden, die durch die deutschen Diktaturen und Diktatoren zerstört oder beschädigt wurden. Laut Oswalt und seiner Presse sollte ich plötzlich über Geldmengen verfügen, die sonst nur westdeutsche Großspender haben und zu jenen erlauchten Runden zählen, in denen diese Geldbesitzer über den Einsatz von Geld reden und von denen ich immer nur aus zweiter, meist eher dritter Hand höre? Die Finanzierung des von Oswalt so verhassten Kreuzes und Spruchbands geht ja wohl auf eine Art Teerundendiskussion bei der Kanzlerin Merkel zurück – damit hatte und habe ich wirklich nichts zu tun.

Was ist die Substanz der neuen Kampagne?

Nichts Neues.

Denunziant Oswalt, der 2021 schon eine sehr erfolgreiche Denunziationskampagne gegen den längst verstorbenen Privatbänker und Großspender Ehrhardt Bödecker gefahren hatte, hat im Dezember ein Buch veröffentlicht: „Bauen am nationalen Haus – Architektur als Identitätspolitik“. Im Kapitel über das Berliner Stadtschloss („Berliner Schloss – Fiktion einer unpolitischen Orthodoxie“) betreibt er nach einem halbwegs sachlich-fachlichen Einleitungspart vier Seiten deutsche Denunziation („Rechtsradikale Spender“).

Oswalt geht dabei die vom Förderverein Berliner Schloss im Nachgang der Oswalt-Bödecker-Denunziation zugesagte Liste der Schlossspender durch – eine Webseite mit tausenden Namen (Link anbei).

Oswalt findet in dieser Liste neben dem von ihm denunzierten Bödecker noch die „Junge Freiheit“ und ihren Herausgeber Dieter Stein.

Und mich.

Und was ist die Meldung? Der Nachrichtenwert?

Hier das Original im Buch von Prof. Philipp Oswalt (S. 126/127) direkt nach der mit diversen „rechtsradikal“ oder gar „rechtsextrem“ gewürzten Passage über die Junge Freiheit, ihre Autoren und ihr angebliches Umfeld:

Auch die Ex-Politikerin und Junge-Freiheit-Autorin Vera Lengsfeld, die von der Zeitung mit einem publizistischen Ehrenpreis ausgezeichnet wurde, ist eine engagierte Unterstützerin der Schlossrekonstruktion. Sie spendete vier Schmuckelemente, eins davon der Prophet Daniel auf der Kuppelbalustrade des Eosander-Portals, womit sie dessen nationalprotestantische Aussage nochmals überhöhte.

Für mich eine klassische, perfide deutsche Denunziation, basierend auf einer Falschinterpretation und damit Falschaussage.

Obwohl im Buch nicht direkt erwähnt, stützt sich Oswalt in seiner ersten Attacke auf mich wohl auf die Spenderliste des Fördervereins Berliner Schloss, die tatsächlich zwischenzeitlich vier Eintragungen hatte – 3x „Sima mit Löwenkopf“ (geben Sie „Lengsfeld“ in die Spenderliste ein und schauen sie selbst) und 1x Daniel. Tatsächlich habe ich über die Jahre monatlich einen kleineren Betrag für die Fassadenrekonstruktion gespendet und mich immer sehr gefreut, dass ich einen Anteil an diesem großen Werk hatte. An eine Kommunikation über einen kleinen Anteil an einer Prophetenskulptur (dem ich natürlich zugestimmt hätte), kann ich mich nicht erinnern – wie der entsprechende Eintrag in die Förderliste genau entstanden ist, wird gerade noch geklärt. Bis dahin wurde der Eintrag deaktiviert. Nur eines ist sonnenklar und mittlerweile sowohl vom Bauträger Humboldt Forum als auch vom Spendeneinsammler Förderverein öffentlich dokumentiert – ich hätte dies auf Nachfrage auch direkt bestätigt, aber das interessiert einen deutschen Professor ja nicht: Mein kleiner Spendenbeitrag hätte nie im Leben für die Finanzierung eines Propheten gereicht. Im Gegenteil, der Anteil der Spenderin Vera Lengsfeld an Daniel (oder jedem anderen von Oswalt als „nationalprotestantisch“ gebrandmarkten weiteren Schmuckelemente) ist minimal. Sie reicht gerade für Daniels Mittelfinger. Gekoppelt wird das aber mit der absurden Behauptung, ich hätte damit den „nationalprotestantische Aussage“ der Kuppel „nochmals überhöht“. Es ist Oswalds Geheimnis, wie ausgerechnet alttestamentarische, also jüdische Propheten, die zum Teil auch im Koran vorkommen (Daniel!) eine von Oswald imaginierte nationalprostestantische Aussage überhöhen können. Angetrieben von einer Frau, die seit 1999 nicht mehr Mitglied der Kirche ist und dies verbunden mit deftiger Kritik auch mehrfach öffentlich geäußert hat.

Die Veröffentlichung des gequirlten Unsinns im Buch von  Oswalt hatte aber wohl noch nicht die gewünschte Wirkung oder dessen Verkauf musste angetrieben werden, wie auch immer:

Denunziant Oswalt hat im März noch einmal nachgelegt: Am 18. März veröffentlichte er zusammen mit einem Hamburger Geschichtsprofessor eine „Gemeinsame Erklärung“, wo Vera Lengsfeld und die angebliche Propheten-Finanzierung jetzt Dreh- und Angelpunkt waren.

Und der entsprechende Denunziations-Kernsatz wurde noch mal angeschärft, denn der Junge-Freiheit-Kontext des Buches hatte wohl nicht ausgereicht:

Unter der Überschrift: „PM: „Rechte Unterwanderung des Humboldt Forums?“ Gemeinsame Erklärung von Philipp Oswalt und Jürgen Zimmerer zur Aufstellung der Prophetenfiguren an der Kuppel, vom 18.3.2024“ schreiben zwei deutsche Uniprofessoren auf den Seiten einer deutschen Universität folgenden Satz (den ich hier wiederhole, obwohl ich seit Tagen von den Professores forderte, dass Sie diese Denunzianten-Erklärung zurückziehen, was sie aber Stand heute noch nicht getan haben):

„Wie die Stiftung Humboldtforum mitteilt, werden am morgigen Dienstag, den 19. März 2024 die Steinskulpturen der acht alttestamentarischen Propheten auf der Kuppel-Balustrade über dem Eosanderportal des Humboldt Forums/ Berliner Schloss montiert. Eine der Figuren, der Prophet Daniel, wurde laut Website des Fördervereins Berliner Schloss von der von vielen als rechtsradikal eingeschätzten Politikerin und Publizistin Vera Lengsfeld [teilweise] finanziert.*“

Die Perfidität und Infamie dieser deutschen Denunziation muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – zwar wird die von den Professoren auf dem Spendeneintrag des Fördervereines verbreitete Falschaussage über eine angebliche Finanzierung des Propheten Daniel durch mich mittlerweile auf Grund des Drucks von mir, dem Humboldt Forum als Bauträger und dem Förderverein Berliner Schloss als Spendensammler relativiert: Die Professoren haben ihre Denunziation mit einem „teilweise“ abgemildert und durch eine längerer Passage per ‚*‘ ergänzt, aber im Kern bleibt die Denunziation durch Überschrift, Satz und Bebilderung erhalten.

Besonders perfide finde ich die Zuspitzung im Vergleich zum Buch, wo Vera Lengsfeld ja nur im Kontext des Subkapitels „Rechtsradikale Spender“ denunziert wurde: Jetzt schreiben die beiden Beamten:

von der von vielen als rechtsradikal eingeschätzten Politikerin und Publizistin Vera Lengsfeld“

Natürlich sind deutsche Beamten-Professoren-Denunzianten auch noch feige – das ist ein Satz, der garantiert nach Beratung mit dem hyperaggressiven Kreuzberger Anwalt entstanden ist, den Philipp Oswalt gerne gegen Kritiker seiner Konstruktionen in Bewegung setzt:

Geben Sie einfach bei z.B. Google mal die Worte „Philipp Oswalt Rechtsstreit“ ein – sie werden sich wundern, womit ein deutscher Professor sich so die Zeit vertreibt.

Obiger Denunziantensatz, insbesondere das Teilstück, die Oswalt-Zimmerersche Charakterattacke gegen mich, ist juristisch ganz sicherlich sehr schwer anzugreifen. Von der Uni Hamburg höre ich etwas von „durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckte Meinungsäußerung“.

Was eine politische Denunziation mit dem Forschungsgegenstand von Prof Zimmerer, der ja kein Politologe ist, mit Wissenschaftsfreiheit zu tun hat, bleibt ein Geheimnis der Universitätsleitung. Schön, dass es für so etwas noch Geld im akademischen Apparat Deutschlands gibt.

Und das garantiert das Grundgesetz, Artikel 4, ja: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“

Deutsche Professoren dürfen sich zu einer Glaubens- und Weltsicht voller gefühlter Fakten und herbeifantasierter  „nationalprotetantischer“ Spender und Lenker bekennen, vermutlich so viel und so lange sie lustig sind.

Auf den Seiten von Philipp Oswalt kann man sich in die gesamten Untiefen dieses Kulturkampfes begeben (siehe Link bei Quellen). Dort gibt es auch einen Link zu dem Gutachten über Ehrhardt Bödecker (der Einfachheit halber verlinke ich es aber auch direkt): Mit der Attacke auf den toten Bödecker begann ja die Oswaltsche Denunziationsscharade.

Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, den längst verstorbenen Bankier Bödecker zu verteidigen, aber die geneigten Leserinnen und Leser sollten sich die Mühe machen, das Resümee oder (noch anstrengender) den Teil „Ehrhardt Bödecker und die Frage des Antisemitismus“ im Gutachten durchzulesen. Und das dann mit der permanenten Wiederholung „rechtsradikal“ und „Antisemitismus“ in den von Oswalt selber generierten oder durch Sekundärveröffentlichungen entstandenen Quellen zu vergleichen:

In der Analyse seiner historisch-politischen und historiographischen Positionen treten dabei wiederholt Vorstellungen zutage, die nicht allein fern der Forschung und ihrer Ergebnisse sind. Vielmehr zeigt die Analyse, dass sich einige von Bödeckers Weltbildern in den Traditionen jener Diskurse bewegen, in denen anonyme Mächte und klandestine Gruppen als eigentliche Bestimmungsfaktoren politischer und gesellschaftlicher Prozesse imaginiert werden. Die Verwandtschaft und Überlappung solcher Bilder mit bekannten antisemitischen Topoi sowie der Tradition des antiwestlichen Nationalismus ist evident. Zugleich werden Bödeckers Äußerungen über Juden und den Holocaust durch andere Positionierungen konterkariert. Wiederholt findet sich die Ambiguität von deutlichen antisemitischen Klischees einerseits und der Konterkarierung antisemitischer Ressentiments andererseits.

Das ist der Beleg für „rechtsradikaler“ Spender? Oder gar für den Charaktervernichtungsvorwurf „Antisemitismus“? In welcher professoralen Wahnwelt muss man eigentlich leben um sich das guten Gewissens einreden zu können?

Was mir am Ende bleibt ist nur das:

Eine deutsche Denunziation ist leicht ausgesprochen, wird dann vielfach medial repliziert und ist extrem mühsam wieder aus dem Weg zu räumen. Deshalb ist dieser Text auch so ausführlich, wie er ist (bitte dafür um Verständnis).

Aber man muss es tun, die Denunziation darf nicht unwidersprochen bleiben und erst recht darf man nicht zurückweichen:

Der größte Fehler in der causa Bödecker war meines Erachtens nach, dass die Familie des verstorbenen Spenderpaars nach der Oswalt-Denunziation umgehend eingeknickt ist und die Förderplakette am Schloss hat abhängen lassen. Wenn die Familie glaubte, damit aus dem Schussfeld zu kommen, so ist das Gegenteil eher richtig: Mit dem Zurückweichen lieferten sie dem deutschen Denunzianten einen zitierbaren Beleg für die permanente, penetrante Wiederholung seiner Verdächtigungen.

Hätte es zu dieser Eskalation kommen müssen?

Ich denke nicht:

Deutsche Denunzianten könnten auch anders agieren. Selbst wenn die mediale Versuchung noch so groß ist:

In einem Land, wo Professoren an sich selbst strenge fachliche Maßstäbe anlegen würden und vielleicht auch mal bereit wären, einen Fehlschluss zuzugeben (immerhin gab es ja den initialen, missverständlichen Spendeneintrag tatsächlich), statt sich legalistisch hinter der Uni Hamburg oder Anwältsempfehlungen zu verstecken, hätte aus der „Prophet-Daniel“- Affäre sogar eine echte Diskussion erwachsen können.

Aber nach wochenlanger Dauer-Denunziation reicht es einfach. Sie hatten und haben Ihre Chance zurückzurudern, Prof. Oswalt und Zimmerer.

Bis das aber nicht passiert ist, bleibt mir nur die leicht resignative Wiederholung der alten Volksweisheit:

„Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“.

Quellen:

Spenderliste des Fördervereins:

Spenderliste – Hier ehren wir unsere Spender (berliner-schloss.de)

Corpus Delicti:

PM: „Rechte Unterwanderung des Humboldt Forums?“ Gemeinsame Erklärung von Philipp Oswalt und Jürgen Zimmerer zur Aufstellung der Prophetenfiguren an der Kuppel, vom 18.3.2024 – Hamburgs (post-)koloniales Erbe (uni-hamburg.de)

Die Seiten von Prof. Oswalt:

SCHLOSSDEBATTE

Das Bödecker-Gutachten:

https://schlossdebatte.de/wp-content/uploads/2023/05/Gutachten-IfZ-Bo%CC%88decker.pdf

 



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