Im Irrgarten der Ideologie

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Von Gastautorin Antje Hermenau

Am 3. November gab es für viele historisch und kulturell Interessierte in Dresden eine Schlagzeile in der Sächsischen Zeitung, die für reichlich Verwunderung in mehrerlei Hinsicht sorgte: die Kulturbürgermeisterin untersagte in Dresden eine Lesung aus dem LTI von Victor Klemperer. Die Begründung ist abenteuerlich: sie befürchte „eine Verunglimpfung der Holocaust – Opfer“. Auf welche Weise das dadurch möglich sein sollte, dass Menschen aus dem LTI direkt vorlesen, erläutert sie nicht. Im Verlauf des Artikels erschließt sich, dass sie offenbar der Meinung ist, dass die falschen Menschen daraus vorlesen. Der Journalist hat nichts Besseres zu tun, als die Vorleser zu verunglimpfen: sie müssten alle der Neuen Rechten (was immer das sein soll) zugeordnet werden. Nun wissen aber die Dresdner: Herr Steimle ist ein ausgewiesener Linker, der sich freut, dass Sarah Wagenknecht antreten will (vielleicht ist das ja der Grund), Herr Vaatz war und ist seit Jahrzehnten Mitglied der CDU und die CDU als rechts zu bezeichnen, halte ich persönlich ja nach politischer Gesässgeographie zumindest für gewagt. Und ich selbst – nun ja, im Unternehmensbereich tätig hatte ich durchaus Hoffnungen bundespolitisch auf die FDP gesetzt. Der Rest ist Schweigen. Für den Journalisten ist offenkundig alles Neue Rechte, was nicht links oder grün ist  – auch Sarah Wagenknecht, wie seinen Tweets zu entnehmen ist. Ohne jegliche Begründung, eher so als ein seelisches Stimmungsbild. Was auf Twitter, dem Stammtisch der Nation, vielleicht noch egal wäre – aber so etwas in einer eigentlich seriösen Tageszeitung abdrucken? Dieser offenkundige Kampfbegriff aus der Feder des Journalisten, von wem auch immer dort hinein diktiert, ist eine hohle Blase, und die Sächsische Zeitung druckt so etwas? Das wirft Leserfragen auf.  Ca. 150.000 Menschen haben diese Verunglimpfung der Personen gelesen, ohne dass das wieder klargestellt wurde. Am nächsten Tag wurde dann online in der Morgenlage  „nur noch“ Herr Steimle der Neuen Rechnen zugeordnet. Kommentarlos. Es gab wohl zahlreiche Bürgerproteste. Was für eine Schande für diese alte Zeitung. Knüpft man wieder an alte Zeiten an? Der Schaden ist in breiter Öffentlichkeit angerichtet: die Stadt Dresden verbietet Lesung aus dem LTI – für Ortsfremde liest sich das als struktureller Antisemitismus und ist daher eine üble Verleumdung der Stadt, denn Victor Klemperer war Jude.

Was führte dazu, dass sich die Sächsische Zeitung und die Kulturbürgermeisterin von den Linken derart vergaloppierten und ohne Rücksicht auf Verluste einfach den Ruf anderer Menschen zu schädigen versuchten? Offenkundig mindestens mangelnde menschliche Reife, ein unzureichendes Verständnis von der eigenen Aufgabe und die inzwischen üblich gewordene üble Verleumdung von Menschen, die einem persönlich oder ideologisch nicht passen, als deren  bevorzugtes Stilmittel der Politik. Offensichtlich gehen die politischen Argumente aus, denn Gründe für dieses Verbot sind äußerst schwer zu finden, weil es lächerlich ist.

Doch zuerst noch einmal zu dieser perfiden Methode, der man nur beikommen kann, indem man immer alles öffentlich macht. Nichts ist in linken Hinterzimmern gefürchteter als etwas Sonnenlicht. Immer alles öffentlich machen – ohne Larmoyanz und mit einer guten Portion Humor, das schmerzt sie am meisten und viele sehen sie in ihrer Lächerlichkeit.

Der Journalist, der die Einordnung traf, ist mit einer Journalistin verheiratet, die ohne Beweise und ohne Rückfrage bei mir vor einigen Jahren behauptete, ich sei auf einer „umstrittenen Demo“ in Pirna gewesen. Ich war dort nachweislich nicht, aber ihr einziger schnippischer Kommentar war: Frau Hermenau hätte das in den Netzwerken ja öffentlich klarstellen können, sie sei sich keiner Schuld bewusst. Offenbar unterstellte sie, dass ich ihren Postings folgen würde – warum sollte ich das tun? Ist das eine kleine Gruppe von Journalist-Aktivisten und selbst ernannten Nazi-Jägern, die offensichtlich immer wieder versuchen, ihrem Leben Bedeutung zu verleihen, indem sie andere vermeintlich zu entlarven versuchen? Eine andere Erklärung habe ich dafür nicht. Inzwischen kennen diese Methode sehr viele Menschen im Lande. Es geht immer um Einschüchterung. Deshalb muss diese Methode immer wieder öffentlich erklärt und bloß gestellt werden, damit sie immer mehr ins Leere läuft. Fürchtet Euch nicht.

In der Sache geht es in Realsatire weiter: nachdem nun die linke Kulturbürgermeisterin ein Machtwort gesprochen hat, schaltete sich der Reclam – Verlag ein, der die Rechte am Buch besitzt, und untersagte ebenfalls, dass man aus dem Buch vorliest. Natürlich gibt es im Verlag jemanden, der die Aufgabe hat, genau weltweit zu verfolgen, wer alles öffentlich aus diesem Buch liest, um aufzupassen, dass nicht die falschen Menschen die richtigen Bücher lesen, oder die richtigen Menschen die falschen Bücher lesen, oder? Es ist etwas unübersichtlich. Eine grüne Stadträtin hat online Aufmerksamkeit auf diese Veranstaltung gelenkt. Auch immer dasselbe Muster. Auch hier darf dieselbe kleine selbst ernannte Partisaneneinheit, die andere vielleicht sogar mit einer Terroreinheit vergleichen würden, im Hintergrund vermutet werden, die so oft ihre Finger im Spiel hat und andere vorschickt, damit es nach mehr aussieht. Dass die Kulturbürgermeisterin die Fraktionen im Dresdner Stadtrat dazu aufgefordert hatte, anlässlich des 9.11. als historisch bedeutsamen Datum kulturelle Angebote in der Stadt zu machen, gerät dabei aus dem Blick. Und dass andere Fraktionen keine bessere Idee hatten, wie sie selbst empfinden mögen, erkennt man selbst – entlarvend daran, dass im Szeneviertel Neustadt schnell eine eigene Lesung aus dem LTI mit „berühmten Schauspielern“ aus dem Boden gestampft hat, die nur wenige Eingeweihte kennen. Nun lesen also auch die Linken aus dem LTI – diesen Erfolg hat die Veranstaltung also bereits erreicht, bevor sie stattfand. Es kann ja nicht sein, dass das Gedenken der Freien Wähler besser und moralischer ist als das der Linken, nicht wahr? Willkommen im Irrgarten der Ideologie. Wenn man es einmal klarsieht, kann man sich nur noch ausschütten vor Lachen. Geht nicht zu den Schmuddelkindern…

Es geht aber noch weiter.

Natürlich unternahm die Stadtratsfraktion der Freien Wähler die Kommunikation mit dem Reclam Verlag, der die Buchrechte hat, und dem Kiepenheuer – Verlag, der die Bühnenrechte hat, und dessen Zustimmung natürlich vorlag. Dort dachte man nach und versuchte nach dieser Instrumentalisierung, die man ja erst einmal zuließ, zurück zu rudern, ohne erneut Aufmerksamkeit zu erregen: man genehmige die Lesung, aber dem Verlag sei es wichtig, dass das Werk Victor Klemperers angemessen gewürdigt und im historischen Kontext diskutiert wird. Daher bitte er darum, schnellstmöglich das Konzept der Veranstaltung in einer kurzen Mitteilung, zu genauen Inhalten, Ablauf und den Vortragenden zu übermitteln. Die Dresdner Neuesten Nachrichten greifen das auf und berichten. So weit, so gut. Aber die linke Kulturbürgermeisterin und ihre raffinierten Komplizen, so sie sich das nicht alles allein ausgedacht hat, sind natürlich clever und auf alles vorbereitet: inzwischen untersagt sie allen (!) öffentlichen Einrichtungen der Stadt Dresden, nicht nur dem bisherigen Veranstaltungsort, verwaltungsöffentlich, diese Lesung in ihren Räumen zu gestatten. Diese Anordnung ist rechtswidrig und wird dementsprechend zu würdigen sein. Der von den Freien Wählern angerufene Bürgermeister, der hier Verwaltungsrecht durchzusetzen hätte, schweigt. Beim nächsten Mal, wenn wir öffentlich aus einem Buch vorlesen, erwarten wir dann aber mindestens den Einzug der berittenen Polizei und die Alarmierung des Heeres. Da muss schon angemessen reagiert werden…

Und das wird vielleicht auch noch nötig werden – zumindest der Einsatz die Polizei. Denn nun treten gewaltorientierte Aktivisten auf den Plan in den Netzwerken und rufen zu Demos und Störungen auf – der übliche Kram. Dabei wäre es doch klüger, sie blieben in der Neustadt und lauschten dort dem LTI. Man kann viel aus der Geschichte, auch aus dieser, lernen – natürlich angemessen gewürdigt und im historischen Kontext diskutiert.

Ach so, warum ich den Namen der Kulturbürgermeisterin nicht erwähnt habe im Text? Nun, vielleicht müssen Sie sich den gar nicht mehr merken nach diesem nicht nur kulturpolitischen Eklat.

 

 

 

 

 



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