Die ganze Härte des Rechtsstaates – aber nicht gegen alle

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Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. So ging es mir, als ich mich auf den Weg nach Verona machte, um in der Arena die Jubiläumsaufführung von „Aida“ mit Anna Netrebko zu besuchen. Ich machte mich zum Flughafen extra einen halbe Stunde früher auf den Weg, um einen Zeitpuffer zu haben. Zu Recht, wegen eines Polizeieinsatzes verbrachte ich diese halbe Stunde auf dem S-Bahnsteig Wollankstraße, ehe die die letztmögliche S-Bahn, die mich rechtzeitig zum Flughafenexpress brachte, doch noch kam. Unregelmäßiger S-Bahnverkehr ist inzwischen alltäglich. Je mehr wir auf die Schiene umsteigen sollen, desto unzuverlässiger scheint sie zu werden. Aber das regt schon niemanden mehr auf.

Ich kam also pünktlich auf dem Flughafen an und bei der Sicherheitskontrolle hielt sich die Warteschlange in Grenzen. Das Angebot des BER, für die Sicherheitskontrolle persönliche Slots zu buchen, scheint Erfolg zu haben.

Dann landeten meine drei Gepäckstücke bei der händischen Kontrolle. Mein Rucksack wurde mir nach einem kurzen Blick ins Innere zugeschoben, desgleichen meine Waschtasche. Mein Laptop wurde zurückgehalten, er müsste auf Sprengstoff untersucht werden. Irgendwie scheinen die Kontrolleure Großmütter besonders gefährlich zu finden, denn es passierte mir zum wiederholten Mal, dass ich oder mein Gepäck nach Sprengstoff untersucht wurden. Ich wollte das mit Humor nehmen und sagte zum Kontrolleur mit einem Lächeln: „Oh, Vorsicht, ich habe den Sprengstoff im Laptop versteckt.“ Er blaffte zurück: „Das ist ein Fall für die Bundespolizei“. Trotz des rüden Tones hielt ich das für einem Witz. Die Zeiten, wo man für einen Witz verhaftet werden konnte, sollte doch mit dem Verschwinden der DDR vorbei sein. Weit gefehlt.

Binnen kurzem standen zwei Beamte der Bundespolizei neben mir, um mich zu verwarnen. Ich hätte eine Straftat begangen. Welchen Paragrafen ich verletzt haben soll, wurde nicht dazu gesagt. Ich fragte auch lieber nicht danach, denn ich spürte, dass sie mir die Harke zeigen würden, wenn ich mich noch einmal muchste. Witze machen sei auf einem Flughafen absolut verboten. Ich musste meinen Ausweis abgeben und ich wurde einer Personenkontrolle unterzogen. Während dessen wurde ich mehrfach verwarnt und beteuerte genauso oft, dass ich begriffen hätte und nie wieder Witze machen würde, jedenfalls nicht auf dem Flughafen.

Als ich meinem Sohn davon erzählte, witzelte der, dass ich ja vom Alter, obwohl noch ohne Rollator, ins Reichsbürgerprofil passen würde. Dabei könnte ich, was das betrifft, ja auch eine der Omas „gegen rechts“ sein. Ich sollte mir einen entsprechenden Sticker besorgen, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Denn die volle Härte des Rechtsstaates, die mir auf dem BER so eindrucksvoll demonstriert wurde, wird keineswegs gegen alle angewandt. Als Klimakleber kann man getrost den Flugverkehr des BER stören wollen, ohne dass die Berliner Staatsanwaltschaft einen Grund sieht, Ermittlungen aufzunehmen, wie die neue, junge Plattform „Apollo News“ berichtete.

„In einem Schreiben erklärt der leitende Berliner Oberstaatsanwalt, dass die Aktionen der Letzten Generation nicht ausreichen, um sie zu einer kriminellen Vereinigung zu erklären. Das Schreiben des Oberstaatsanwaltes stammt vom 8. Dezember 2022. Im Dezember 2022 hat die Letzte Generation bereits wesentlich gefährlichere Aktionen als das „schlichte“ Blockieren von Straßen initiiert. Sie ist zu diesem Zeitpunkt schon längst in Flughäfen eingedrungen und nahm bereits dutzendfach teils schwere Sachbeschädigungen vor. Im weiteren Verlauf wird das Schreiben jedoch noch absurder. Bei Schmieraktionen – wie etwa das Beschmieren von Fassaden der Zentralen der Regierungsparteien – handele es sich um einen „Einzelfall, der die Aktionen der Gruppierung (noch) nicht entscheidend prägt“.

Mehr dazu hier.

Fazit: ein Witz einer Steuerzahlerin ist gefährlich, Sachbeschädigung und die mögliche Störung des Flugverkehrs dagegen nicht. Die Aktionen der „Letzten Generation“ stünden, so die absurde Volte des Oberstaatsanwalts, der politischen Weisungen unterliegt, „in einem anderen Kontext …, als etwa die Straftaten der extremistischen Rechten. Anders als bei einer rechtsradikal motivierten „Sprühaktion“, sei bei der Letzten Generation „insbesondere zu berücksichtigen“, dass ihre Anliegen „nicht nur von der Meinungsfreiheit gedeckt“, sondern sogar „im Einklang mit der Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) stehen.“ Ermittlungen gegen die Letzte Generation seien damit abzulehnen.

Der Berliner Oberstaatsanwalt erklärt damit ganz offiziell, dass Straftaten verschiedener politischer Gruppen unterschiedlich zu bewerten seien, je nachdem welche politische Meinung sie vertreten. Die Berliner Staatsanwaltschaft bevorzugt damit ganz offen Linksextremisten.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.



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