Ach, Bologna

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Umberto Eco, der es wissen musste, sagte, dass Bologna zu 50% ein malerisches Dorf sei und zu 50% eine Großstadt wie Chicago. Letztere empfing uns, als wir den Bahnhof verließen. Nach der ländlichen Idylle in Perugia und Urbino waren Lärm, Dreck  und Gestank ein Schock. Wir bezogen unser Hotel in der Nähe des Bahnhofs und machten uns unverzüglich auf in Richtung Altstadt. Die war mehr als anderthalb Kilometer weg, die wir zum großen Teil unter den berühmten Arkaden der Stadt zurücklegten. Über 40 km Arkaden überdachen die Fußgängerwege, 12 davon sind UNESCO-Weltkulturerbe.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Regierung, auch unter Meloni, im Ukrainekrieg fest an der Seite der EU und Amerikas steht, die Bevölkerung scheint aber zu großen Teilen für die Beendigung des Krieges zu sein. Meinem Hotelfenster gegenüber ist eine ganze Etage mit Regenbogen-Pace-Fahnen dekoriert, an der Hauptstraße waren ganze Fassaden damit geschmückt. Am Abend passierten wir eine Straße, über der „Imagine“ von John Lennon Zeile für Zeile als Leuchtschrift gespannt war.

Ich würde Bologna mit einer alten Frau vergleichen, in deren Gesicht die Spuren einstiger großer Schönheit noch zu erkennen sind, der Niedergang aber unverkennbar ist. Laut Reiseführer soll es sich hier um ein Gebiet im Aufschwung handeln, mit wachsender Bevölkerung. Welchen Anteil die Neubürger haben, die deutlich die Piazza Maggiore dominieren, ist unklar.

Die unvollendete Basilika San Petronio fällt sofort ins Auge. Einst sollte sie größer werden als der Petersdom von Rom. Das Vorhaben blieb stecken. Der Papst erteilte ihm keinen Segen. So wurde nur die untere Hälfte des Baus mit Marmor verkleidet, der Szenen aus dem neuen Testament zeigt, die obere Hälfte blieb Backsteinfassade. Die gesparten Geldmittel wurden der Universität für ihren Bau zur Verfügung gestellt. Damals wusste man noch, was Bildung wert ist.

Im Inneren der Basilika wird der Besucher vom schieren Ausmaß überwältigt:  Über 130 m lang, fast 60 m breit und über 40 m hoch. Es gibt 22 Seitenkapellen, in denen Künstler italienische Adelsfamilien verewigt haben. In der berühmtesten Kapelle der Bolognini ist auf einem Wandgemälde Dantes Inferno abgebildet. Ein ganz erstaunliches Werk.

Der Schöpfer, Giovanni de Modena, schuf es um 1410. Er zeigt den Höllenkreis, in dem Könige, Kardinäle, Adelige und hohe Würdenträger vom teuflischen Monster verschlungen werden.

Im oberen Teil des Gemäldes sitzen sie noch fromm in der Kirche, die aber in der Mitte einen tiefen Riss aufweist, in den sie fallen werden. Unter denen, die ihr Schicksal erwarten müssen, befindet sich auch Mohamed, im Gemälde sorgfältig gekennzeichnet.

In jüngster Zeit hat es mehrere islamistische Anschlagsversuche auf die Kirche gegeben, deshalb stehen heute bis auf die Zähne bewaffnete Soldaten vor dem Eingang und nach draußen kommt man nur durch ein Drehkreuz, das jede Flucht stark behindert. Leider ist sehr wahrscheinlich, dass es früher oder später einen neuen Anschlag geben wird. Dass sich das Gemälde gegen jegliche Autoritäten richtet, war den Attentätern sicherlich egal.

Bologna soll die Gourmet-Stadt schlechthin sein. Hier wurden die Sauce Bolognese, die Mortadella und die Tortellini erfunden. Das heißt leider nicht, dass diese Köstlichkeiten in allen Lokalitäten zu haben sind. Wir suchten vergebens nach einem Restaurant, das Spaghetti Bolognese anbietet. Vergebens. In Italien isst man spät. Die meisten Restaurants öffnen erst um 19.30 und füllen sich dann langsam. Wir fanden zwar einen schicken Laden, ganz in Weiß, mit Blick durch eine Glaswand in die Küche, der schon um 19.00 offen war. Das Essen kam aber erst um 20 Uhr. Nicht einmal das hier übliche „Cuperto“, meistens angetrocknetes Weißbrot, das man mit zwei Euro pro Person bezahlen muss, kam früher. Dafür war das Essen, als wir es endlich genießen durften, köstlich.

Meine Reisegefährten wollten sich die 30 Minuten Fußweg zum Hotel zurück sparen, aber es war kein Taxi zu kriegen. Das bescherte uns einen zauberhaften Spaziergang, den Bologna bei Nacht ist einfach himmlisch.



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