Der Spitzenreiter der Peinlichkeit oder der Glaube zu wissen (1)

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Von Gastautorin Annette Heinisch

Kleine Quizfrage: Was haben das Azovstal – Werk und das 9 € – Ticket miteinander zu tun? Wenig, würde man meinen. Irrtum. Im Azovstal – Werk wurden die Räder für die Regionalzüge gefertigt, für die das 9 €- Ticket galt. Das Ticket führte zu einer vermehrten Inanspruchnahme, das neue „Deutschlandticket“ setzt diese Entwicklung fort. Was wiederum dazu führt, dass die Räder abgenutzt werden. Dafür benötigt man Ersatz. Einige Räder sind auf Lager. Die sind jetzt bald weg – und dann? Ein anderer Hersteller produziert das nicht so einfach. Folglich müsste man den Regionalverkehr eher schonend nutzen. Aber die Politik tut genau das Gegenteil und verschärft das Problem. Warum? Weiß sie nicht, was sie tut? Kennt sie die Zusammenhänge nicht?

Mirakulös sind auch die mehr als peinlichen Bemühungen um Brasilien. Wissen unsere „Häuptlinge“ Robert Habeck und Cem Özdemir und der Oberhäuptling Olaf Scholz  nicht, dass Brasilien Nutznießer des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist? Zum Beispiel Roheisen bezog Deutschland früher vielfach aus der Ukraine, nun aber aus Brasilien. Umweltschutz und Klimaneutralität interessieren dort wenig, schon gar nicht Menschen, die der Armut entwachsen wollen.

Das hilflose und zum Teil sogar kontraproduktive Verhalten unserer Regierung bei nahezu allen entscheidenden Problemen macht Deutschland nicht nur weltweit zum Gespött; es hat auch fatale Folgen für unsere Sicherheit. Mittlerweile weiß jeder, dass wir in eine Dekade des auch militärisch ausgefochtenen Systemwettbewerbs getreten sind. Autoritäre Systeme wie China, Russland und der Iran wollen in Asien, Europa und der arabischen Welt ihre Vorstellung von Ordnung durchsetzen. Diese beinhaltet nicht die Achtung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, ganz im Gegenteil. Diese Mächte wollen all dies abschaffen. Freiheit ist aus deren Sicht ein Schreckgespenst, kein Segen. Manche Staaten folgen ihnen, sei es aus Opportunismus, sei es (wie Saudi – Arabien) wegen gleichgelagerter Grundauffassungen oder sei es, weil der Westen seinen Glanz und seine Glaubwürdigkeit verloren hat.

Die Stärke von Staaten bemisst sich nach der sogenannten hard und der soft power. Die „hard power“ steht auf zwei Beinen, der militärischen und der wirtschaftlichen Macht. Ohne militärische Macht ist ein Staat nichts. Ergo ist Deutschland eine Nullnummer. Dieses hatte die deutsche Politik leider verdrängt; sie hat sich auch nicht die Mühe gegeben, diese zugebenermaßen unerfreuliche Tatsache dem Volk nahezubringen. Und der Wandel im Rahmen der „Zeitenwende“?  Bisher eine Luftnummer.

Hinzu kommt die ökonomische Macht. Hier war Deutschland einst stark, das hat sich geändert. Die Politik verfolgte das Motto „Wandel durch Handel“. Entgegen heutiger Ansicht ist dieses durchaus wirksam gewesen, nur eben anders als gedacht. Es hat die vormals wirtschaftlich schwachen Staaten stark gemacht. Im Gegenzug wurden wir schwach, weil wir kurzfristigen Gewinn gegen strategische Abhängigkeit eingetauscht haben. Bei Systemgegnern sollte man sich einer solchen Gefahr bewusst sein und sich nicht in diese Falle begeben. Haben wir aber, aus reinem Hochmut. Der Gedanke, dass dieser Weg keine Einbahnstraße ist, hätte uns kommen müssen, spätestens, nachdem dies schon vor Jahren deutlich wurde. Und nun sind die Grünen an der Macht, wodurch der Rest der Wirtschaft ruiniert wird. Hard power ist also Fehlanzeige.

Das führt zur „soft power“, der sanften Macht. Wenn das westliche Lebensmodell erstrebenswert ist, dann wollen andere Staaten es übernehmen. Ist es grottig schlecht, dann wenden sie sich ab. Tatsächlich wirkt der Westen aus der Sicht vieler Staaten korrupt, ein rein materialistischer Haufen von Idioten, die abstrusen Ideologien folgen und bei denen die größten Vollpfosten die Regierung stellen können. Das Volk besteht nach deren Meinung aus Jammerlappen, die beim ersten Hauch von Gefahr winselnd zusammenbrechen und deren strategisches Denkvermögen über das einer Ameise nicht hinausragt.

Kurz gesagt: So lange der Westen sich in peinlicher Weise als intellektuell und charakterlich überfordert zeigt, wird ihm keiner folgen. Es ist schlicht nicht erstrebenswert, als lächerlicher Depp dazustehen, der nicht einmal merkt, dass andere ihn nur für peinlich halten. Das gilt in besonderem Maße für Deutschland, dem Spitzenreiter der Peinlichkeit.

„Das große Problem in Europa heute ist Deutschland, Deutschland und Deutschland. Weil es das ökonomisch und demografisch stärkste Land ist. Deutschland muss also militärisch führen und Europa verteidigen, ob es will oder nicht. Wir müssen hier ganz offen und ehrlich miteinander sprechen. Es gibt ein gängiges Argument, dass die moralische Verantwortung der Deutschen nicht darin besteht, ein starkes Militär zu haben. Doch das Gegenteil ist der Fall: Deutschlands moralische Verpflichtung ist es, ein starkes Militär zu haben, das der kollektiven Verteidigung dient.“, so Elbridge Colby, Direktor des Verteidigungsprogramms am Center for a New American Security in Washington, D.C und unter Trump Untersekretär für Strategie- und Streitkräfteentwicklung im US-Verteidigungsministerium.

Fortsetzung folgt morgen



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