Wie man Rom aushält

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Wie kann man heutzutage den Geist Roms entdecken? Schon Goethe klagte:

„Gestehen wir jedoch, es ist ein saures und trauriges Geschäft, das alte Rom dem neuen herauszuklauben, aber man muss es dennoch tun und zuletzt eine unschätzbare Befriedigung hoffen. Man trifft auf Spuren einer Herrlichkeit und einer Zerstörung, die beide über unsere Begriffe gehen.“ Dabei hat Goethe das von Touristen begrabene Rom nicht gekannt!

Der ebenso lächerliche wie gefährliche Anschlag auf das berühmteste Lächeln der Welt in Paris macht noch einmal nachdrücklich klar, warum bewaffnete Polizisten und Soldaten in Kampfanzügen überall in der Stadt sichtbar präsent sind. Nicht nur „Aktivisten“ die sich ihre 15 Minuten Ruhm sichern wollen, indem sie auf die Mona Lisas dieser Welt losgehen sind eine Gefahr, sondern auch die verloren gegangene Wertschätzung unseres reichen kulturellen Erbes, das zum Selfiehintergrund degradiert wird.

Am Sonntag sind wir frohgemut zur Villa Borghese aufgebrochen. Nach der kompakten Stadt ist der weitläufige Park eine Erholung für die Seele. Ein älterer Straßenmusiker, gekleidet in Weiß, spielt „Killing me softly“ auf der Violine, aber so abgehackt, dass es sich nach Verzweiflung anhört. Ein paar Amerikaner versuchen, die Melodie mitzusummen, geben aber auf, weil sie aus dem Takt geraten. Geld mag für das Gedudel kaum jemand geben, eher dafür, dass er endlich aufhört und nicht weiter den heiteren Morgen stört.

An der Villa weist ein Zettel am Eingang darauf hin, dass nur Einlass findet, wer ein Ticket im Internet gebucht hat. Die nächste Möglichkeit, sich den Besuch zu sichern, besteht erst in einer Woche.

Wir lassen es uns nicht verdrießen und lassen uns stattdessen im Park treiben, der von römischen Ausflüglern bevölkert wird. Wir kommen an einer Rennbahn vorbei und genießen für eine Viertelstunde die eleganten Pferde, die von ihren Reitern in einem umzäunten Areal auf den Parcours eingestimmt werden, samt Übungssprüngen. Ab und zu wird ein Jockey aufgerufen, der lenkt sein Pferd dann zum Ausgang, ein Strick wird auf dem öffentlichen Weg hochgezogen, der die Flaneure zurückhält, damit Pferd und Reiter passieren können.

Am Ende landen wir auf den Pincio-Terrassen über der Piazza del Poloplo, wo man einen atemberaubenden Blick über die Stadt hat, wenn es gelingt, bis an die Brüstung zu kommen, die von Selfiemachern besetzt ist. Unten wirkt die Piazza, die den nördlichen Abschluss der Altstadt bildet, merkwürdig leer. Sie ist völlig autofrei, was einerseits ein Segen ist, andererseits den Platz etwas öde wirken lässt, denn der Asphalt, der mutmaßlich den originalen Belag überdeckt, bietet dem Auge keine Abwechslung. Vielleicht wird irgendwann, wenn wieder genug EU-Mittel übrig sind, der ursprüngliche Boden wieder hergestellt.

Von den drei Straßen, die von der Piazza in die Altstadt abgehen, wählen wir die Via di Ripetta, weil sie zum Mausoleum des Augustus führt. Aber vorher legen wir einen Stopp in der Enoteca Buccone ein, wo uns der beste Weißwein kredenzt wird, den ich je getrunken habe und der mich von meinem geliebten Roten abbringen würde, wenn ich den Weißen beziehen könnte.

Das Mausoleum des Augustus ist weiträumig von Baustellen umgeben. Offensichtlich soll die Umgebung besucherfreundlicher gestaltet werden. Wie sehr sich Rom bemüht, den vermuteten Bedürfnissen der Touris gerecht zu werden, davon zeugt das neue Museum aus Glas und Travertin, das um den rekonstruierten Friedenstempel des Augustus gebaut wurde. Wir statten dem einen Besuch ab und sind mehr als ernüchtert. Die künstliche Kulisse könnte einem Hollywoodschinken entstammen. In den 90 Prozent Gips verlieren sich zehn Prozent Originalteile, die dem ganzen aber kein Flair verleihen können. Das erinnert mich an den Musikanten in Weiß mit seinem verzweifelten „Killing me softly“.

Am schönsten sind die Travertinbänke, die in der aktuellen Hitze willkommene Kühle ausstrahlen. Wir ruhen uns auf ihnen etwas aus, bevor wir den Rückweg ins Hotel antreten.

Draußen auf der weitläufigen Terrasse ist ein alter Mann mit einem einsamen Steptanz beschäftigt, der aber nicht dazu dient, Geld zu verdienen, sondern vergnügen zu haben. Aber die Szene hat nichts Heiteres. Den Kontrast dazu bilden die Foros von Robert Doisneau, die Besucher in die Sondersaustellung locken sollen, darunter seine berühmte Ablichtung des sich küssenden Pärchens in Paris. Aber wir wollen uns von Rom nicht ablenken lassen.



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