Berliner Wahlfälschung

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Bekanntlich leitete die Fälschung der Kommunalwahlen im Mai 1989 in der DDR den Zerfall des Arbeiter- und Bauernstaates ein. Zwar war allen Insassen (Joachim Gauck) des Landes klar, dass die 98,9% für die Liste der Nationalen Front, die regelmäßig als Wahlausgang gemeldet wurden, ein Phantasieprodukt waren, aber diesmal hatte man Beweise dafür in der Hand. Tausende Wähler waren damals zu den abendlichen Auszählungen gegangen und hatten sich die lokalen Ergebnisse notiert. Die wurden noch in der Nacht zu von der Opposition eingerichteten Sammelstellen gebracht und von dort in den Westen geschickt. Das Ergebnis ist bekannt.

Leider ist nicht zu hoffen, dass die Wahlfälschungen bei der Landtagswahl in Berlin eine ähnlich wachrüttelnde Wirkung haben werden. Trotz des Wahlchaos, Ausgabe falscher Stimmzettel, ihr zeitweiliges Fehlen, weil die Transporter im Berlin-Marathon feststeckten, frühzeitiges Schließen von Wahllokalen, blieb die Reaktion der Bevölkerung verhalten. Es gab einen kurzen Aufschrei in den Medien und jede Menge Einsprüche, das wars dann. Die Prüfung der Wahl wird erfolgreich auf die lange Bank geschoben, die Regierungskoalition hat trotz erheblicher berechtigter Bedenken, was ihre Rechtmäßigkeit betrifft, ihre Arbeit aufgenommen und seitdem wird durchregiert, als wäre nichts gewesen.

Nur einer gibt nicht auf: der ehemalige Abgeordnete und heutige Chef der neu gegründeten Good Governance-Gewerkschaft Marcel Luthe.

Er streitet nach wie vor aktiv für die Aufarbeitung des Skandals. Dabei findet er immer neue Beweise für Wahlfälschung.

Aus einem Von Luthe verschickten Wahlprotokoll geht hervor, dass im Wahllokal 20512 im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg für die Zweitstimme zum Berliner Abgeordnetenhaus die falschen Stimmzettel vorlagen – die für Charlottenburg-Wilmersdorf. Natürlich stehen auf diesem Wahlzettel andere Kandidaten als für Friedrichshain-Kreuzberg. Wer also die Liste einer Partei ankreuzte, wählte die Liste mit Kandidaten des Nachbarwahlkreises. Der Wahlvorstand im Wahlbüro bemerkte den Fehler bei den Wahlzetteln ziemlich früh.

Im Protokoll steht: „Der Fehler wurde gegen 8:15 vom Wahlvorstand dem Bezirkswahlamt gemeldet“. Und weiter: „Von dort kam zunächst die Weisung, mit der Wahl mit den falschen Wahlzetteln fortzufahren“.

Das heißt, das Bezirkswahlamt gab die Anweisung, die Wahl mit den

falschen Stimmzetteln einfach fortzusetzen.

„Etwa 2 Stunden später bekamen wir die Information, dass die ‚Charlottenburg-Wilmersdorf‘-Wahlzettel als ungültig zu behandeln sind. Bis dahin hatten 82 Personen diese Wahlzettel genutzt“, steht weiter im Protokoll.

Das heißt in diesem Fall: Fast jede fünfte abgegebene Stimme in diesem Wahllokal wurde für ungültig erklärt! Offensichtlich ist das kein Einzelfall, denn in sehr vielen Wahllokalen lagen falsche Stimmzettel aus. Wenn auch da die abgegebenen Stimmen im Nachhinein für ungültig erklärt wurden, potenziert sich der Fehler.

Die Berliner Bezirksämter sind zuständig für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl. Was die Entscheidung über die Behandlung der falschen Stimmzettel betrifft, hat das Bezirksamt entschieden, dass die Wahl weiter geführt wird, Wähler und Öffentlichkeit über diesen Vorfall getäuscht werden.

Nur einer gibt nicht auf: Marcel Luthe führt bereits eine Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Berliner Landesverfassungsgerichtshof. Zusätzlich erstattete er am Samstag Strafanzeige gegen die Verantwortlichen beim Bezirkswahlamt.

„Die Hemdsärmeligkeit, mit der die zuständigen Beamten im Bezirkswahlamt agiert haben, ist erschütternd und offenbar bar jedes Respekts vor dem Souverän. Vorsätzlich falsche Stimmzettel ausgeben zu lassen, weil man sich vorher schon keine Mühe gegeben hat, ist kein Lapsus. Meines Erachtens hat man hier 80 Menschen vorsätzlich um ihr Wahlrecht gebracht – und auch das dürfte nur die Spitze des Eisberges sein!“.

Bleibt zu hoffen, dass Luthe genügend Unterstützung von der Öffentlichkeit erfährt, damit uns künftige Wahlmanipulationen erspart bleiben.



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