In der Novelle „Die Idee der Ministerin“ von Wulf Bennert verschwimmen Fiktion und Realität

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Am 29. Februar wurde auf dem Parteitag der Grünen Ricarda Lang mit 75,93 Prozent der Delegiertenstimmen zur neuen Parteivorsitzenden gewählt. Wie wird es mit ihr weitergehen? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden wir sie nach den nächsten Bundestagswahlen zu einem Ministerinnenamt beglückwünschen dürfen – Annalena hat den Weg dazu vorgezeichnet. Sie wäre dann die erste offen bisexuelle Ministerin in einem Kabinett und damit ein überfälliger Fortschritt auf dessen Weg zur angestrebten Diversität. Fachlich reiht sich Ricarda dagegen eher brav in die Riege der Studienabbrecherinnen unter den Politikerinnen ein: Ein Studium der Rechtswissenschaft brach sie nach siebenjährigem Anrennen gegen die spröde Materie einsichtig ab. Welches Ministerium Frau Ricarda Lang einmal anvertraut wird, lässt sich jetzt noch nicht erahnen; das hängt ausschließlich von den Zufälligkeiten künftiger Koalitionsverhandlungen ab. Vielleicht wird sie ja Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, wie die Protagonistin in Bennerts neuer Novelle „Die Idee der Ministerin“. Mit dieser Hauptfigur teilt sie dann zwar nicht die sexuellen Vorlieben, mit Sicherheit aber die völlige Ahnungslosigkeit auf naturwissenschaftlichem Gebiet. Doch eine solche Ignoranz findet sich auch bei den heute schon regierenden Politikern, wenn sie glauben, für den Betrieb des Stromnetzes müsse man nur genügend erneuerbare Energie haben. Sie kennen den Unterschied zwischen Energie und Leistung nicht und vermögen nicht zwischen Kilowattstunde und Kilowatt zu unterscheiden. Diese Ignoranz kann letztendlich im Falle eines Blackouts tausende von Menschenleben kosten.

Die Novelle „Die Idee der Ministerin“ mit dem Untertitel „Allgemeinverständlicher Bericht zur Abschaffung des Zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre“ handelt von anderen, durchaus denkbaren Folgen eines völligen Fehlens naturwissenschaftlicher Grundkenntnisse bei einer Spitzenpolitikerin, die nach einem Studium der Genderwissenschaft in das Amt einer Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft eingesetzt wurde. Damit avancierte sie auch zur obersten Dienstherrin für zahlreiche Wissenschaftler in staatlichen Forschungsinstitutionen. Sie kommt auf die Idee, mittels einer Wärmepumpe das Fahrwasser eines Schiffes abzukühlen und mit der dabei gewonnenen Energie das Schiff anzutreiben. Von dem Leiter eines Instituts für technische Thermodynamik verlangt sie ultimativ die unverzügliche Umsetzung Ihres Einfalls. Dass dieser Forderung der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik im Wege steht, stört sie nicht weiter; sie behauptet, er hielte einer undogmatischen feministischen Betrachtungsweise gar nicht stand. Unterstützt von einer Beraterin mit Professorentitel ist die Ministerin unfähig zu erkennen, dass physikalische Gesetze sich jeglichem politischen Einfluss entziehen.

Im Forschungsinstitut findet ein kurz vor seiner Pensionierung stehender Mitarbeiter ungewöhnliche Strategien des Umgangs mit der narzisstischen Politikerin, wobei seine Erfahrungen aus DDR-Zeiten außerordentlich hilfreich sind. Es gelingt ihm, dem makabren Geschehen eine unerwartete Wendung zu geben.

Die „Idee der Ministerin“ von Wulf Bennert ist ebenso spannend geschrieben wie sein kürzlich erschienener Erfolgsroman „2054 – Ein Jahr im Paradies der Genügsamkeit“, bei dem schon nach wenigen Wochen eine zweite Auflage zu drucken war. In der Handlung der Novelle sind Fiktion und Beschreibung unserer Gegenwart so eng miteinander verflochten, dass man sie kaum noch voneinander trennen kann. Den durch Zeichnungen veranschaulichten Ausflügen des Autors in physikalische Sachverhalte vermag man mit ein wenig Konzentration durchaus zu folgen.

Das Buch ist im Kaleidoscriptum Verlag zum Preis von 12,80 € bestellbar.



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