Vorsicht! Deutschland wird entfesselt

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Von Gastautorin Annette Heinisch

Corona bringt so manches ans Tageslicht. Beispielsweise, dass das Staatsschiff Deutschland ein sogenannter Seelenverkäufer ist, durch dessen rostige Leckagen mehr Wasser aufgenommen wird als abgepumpt werden kann. Als würde das nicht reichen, ist die Bilgenpumpe auch noch kaputt. Mittlerweile fängt das Schiff an zu sinken, die ersten Ratten verlassen es schon. Die Kapitänin auf der Brücke hält weitsichtiges Handeln für falsch, sie fährt nur auf Sicht. Leider sieht sie wenig, denn der Ausguck wurde nicht besetzt. Die Leckagen sind aus ihrer Sicht im Zweifel auch keine gefährlichen Löcher, sondern allenfalls semipermeable Wände. Durchlässigkeit, so meint sie, sei ein Wert an sich, „die Wissenschaft“ sage, dass so etwas total super gut sei. Schließlich wollen wir als Deutsche doch Tiefgang, nicht so moralisch verwerflich oberflächlich sein wie andere, die schnittig die Wellen durchflügen. Nein, in der Tiefe liegt die Kraft!

Also kein Grund zur Panik. Das versichert uns auch der Kapitän in Warteschleife Armin Laschet, der wahrhaft ein echter Visionär ist: Er sieht Dinge, die außer ihm keiner sieht. Zum Beispiel einen Erfolg der Impfkampagne.  https://www.welt.de/politik/deutschland/plus227768433/Armin-Laschet-Grundrechte-duerfen-nicht-von-Impfungen-abhaengen.html

Während andere von Staatsversagen sprechen,

https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/ist-es-zulaessig-von-staatsversagen-zu-sprechen/

findet er die Kritik ungerecht, es sei doch alles eigentlich ganz prima gelaufen. Und recht hat er, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Wir könnten weltweit allerletzter sein, sind wir aber nicht. Da ist noch so etwas von Potential! Böse Zungen meinen, BER hätte als Menetekel gelten können, aber das sind im Zweifel alles Rechte. Überhaupt ist jeder, der nur ansatzweise ein funktionierendes Staatswesen möchte und etwas von Rechtsstaatlichkeit murmelt, automatisch ein Rechtspopulist. Klarer Fall: Wer keine Anarchie will, ist kein Linker und damit böse.

Aber damit nicht genug, Laschet visioniert fleißig weiter: Er unterstützt die vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Ralph Brinkhaus, geäußerte Idee der „Revolution der Staatlichkeit“, lobt das „Entfesselungspaket“ in NRW, dass alles – speziell wohl die Verwaltungsvorgänge – entfesselt habe. Dabei geht es hauptsächlich um mehr Digitalisierung und dass Deutschland wieder die Apotheke der Welt werden solle.

Das finde ich persönlich nun richtig lustig. Die Digitalisierung war das Top – Thema der letzten Dekade, unsere Kapitänin hat die Wichtigkeit schon 2010 in einer Bundestagsrede hervorgehoben.

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw47-de-bundeskanzleramt-576942

Und was ist passiert? Eben. Wieso soll es nun besser gehen? Die, die das die letzten 10 Jahre nicht hinbekamen, wollen es nun plötzlich können? Merken die eigentlich, dass sie eine Lachnummer sind?

Aber Visionen von Weltführerschaft, darin sind sie alle groß. Scheint das einzige zu sein, was sie zu verkaufen haben. Apotheke der Welt, hm. Ob die Herrschaften einmal darüber nachgedacht haben, welche Gründe es haben könnte, dass wir es nicht mehr sind? Umweltstandards, Lohnkosten, qualifiziertes Personal, Qualität einer unabhängigen Forschung, Bürokratie, Wirtschaftsfreundlichkeit sind Stichworte, über die man einmal nachdenken müsste. Mit Linken und Grünen an der Regierung wird das nichts.

Wie absolut visionär Laschet & Co. sind, zeigt sich anschaulich daran, dass zwar alle über Digitalisierung schwafeln, dabei aber völlig vergessen, dass wir damit in eine komplette Abhängigkeit geraten. Dies ist so wie mit der Elektrifizierung von Jedermann und seiner Oma, die ohne zuverlässig reichlich Strom nicht funktioniert. Das aber „hamwanich“. Egal, unsere Visionäre meinen, das ginge auch so, ganz bestimmt.

Genau so ist es mit der Digitalisierung, auch dort gilt das Prinzip „hamwanich“, denn es fehlt an Halbleitern. Wer die nicht im eigenen Land herstellt, darf niemals und unter gar keinen Umständen  seinen Staat und große Teile der Wirtschaft digitalisieren, denn dann kann eine andere Macht – welche auch immer – den Stecker ziehen. Die Probleme beginnen wir gerade in der Automobilbranche zu spüren, wo es Kurzarbeit wegen Chipmangels gibt. https://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/autobauer-vw-bereitet-wegen-chipmangels-weitere-kurzarbeit-vor/26939688.html

Digitalisierung ist nämlich mehr als woke nerds, die auf Computern herumhacken. Irgendjemand muss die Rechner aus Teilen zusammenbauen, wesentliche Teile sind Halbleiter. Und wer baut die? Wir jedenfalls nicht. Allein schon die Umweltstandards – Dank an die Grünen – machen eine Fertigung in Deutschland unmöglich. Wir konnten das mal, auch in ziemlichen Stückmengen. Das ist vorbei. Nun wurde selbst der einzig insoweit relevante Waver – Hersteller zur Hälfte nach Taiwan an Globalwafers verkauft. Damit will sich der Chipzulieferer eine Weltmarktstellung aufbauen. Das deutsche Kartellamt sieht da gar kein Problem, klar.

https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/chipbranche-globalwafers-ist-bei-der-siltronic-uebernahme-am-ziel/26896740.html?ticket=ST-10134983-kKJa7BYrNdOKzuYbHfMm-ap4

Die BaFin sah auch kein Problem bei Wirecard und Kuka wurde fröhlich an die Konkurrenz in China verkauft. Willkommen in Deutschland, dem Land der Entfesselungskünstler!

Es ist wirklich lustig, wie die Politik immer noch meint, mit „Ruck – Rhetorik“ sei es getan. Die haben nicht verstanden, dass es kaum noch etwas zu rucken gibt, das haben sie alles bereits verfrühstückt. Wie heißt das englische Sprichwort so schön: „You can´t eat the cake and have it!”.

Wobei die Entfesselungskünste des Herrn Laschet nicht so weit gehen, dass er die Bürger entfesseln wollte, das wäre ja nun wirklich zu gewagt. Er ist jedenfalls dagegen, die „Beschränkungen der Grundrechte“ zurückzunehmen, bevor nicht jeder die Chance hatte, geimpft zu werden. Irgendwann einmal. Vielleicht. Wenn dann nicht eine andere Mutation kommt, mit der alles von vorne beginnt.

„Wenn nicht jeder Mensch die Chance hat, geimpft zu werden, darf er nicht auch noch dafür bestraft werden, dass er noch nicht geimpft ist. Vielleicht kommen wir Mitte des Jahres in die Lage, dass alle geimpft sind, die es wollen. So lange ist diese Debatte für mich theoretisch.“

https://www.welt.de/politik/deutschland/plus227768433/Armin-Laschet-Grundrechte-duerfen-nicht-von-Impfungen-abhaengen.html

Da hat unser Visionär aber plötzlich kalte Füße bekommen. Freilaufende Hühner sind gut, aber die Vision freilaufender Bürger ein Horror. Immerhin spricht er nicht davon, uns die Grundrechte zurück geben zu wollen,

https://www.merkur.de/politik/angela-merkel-ard-corona-tv-kanzlerin-deutschland-impfung-sonderrechte-neue-freiheiten-90189896.html

diesen entlarvenden Versprecher vermeidet er. Dennoch kommt das klare Denken leicht abhanden, wenn man Worte als Instrument benutzt, um seine Gedanken zu verbergen und seine Taten zu vertuschen.

Was ist denn eigentlich Ziel der Grundrechtsbeschränkungen? Wann darf ich in die Freiheit, das grundlegende Menschenrecht eines jeden Bürgers, so fulminant eingreifen? Doch nur dann, wenn von dem Einzelnen eine konkrete (!) Gefahr für andere ausgeht. Konkrete Gefahr ist nicht eine theoretische, potentiell – abstrakte nach dem Motto „Könnte sein, dass er/sie/es irgendetwas möglicherweise haben könnte – oder auch nicht“, denn dann wäre der Grundrechtsschutz bezüglich freiheitsentziehender Maßnahmen für Gewaltverbrecher höher als für unschuldige Bürger. Eine Gefahr kann sein, dass man andere ansteckt, die sehr gefährdet sind. Das kann auch der Fall sein, wenn so viele so schwer krank werden, dass das Gesundheitssystem kollabiert und Kranke nicht mehr behandelt werden können. Die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu schützen, ist also ein durchaus legitimer Zweck. Der wurde aber konterkariert durch die weitgehende Sperrung von Krankenhäusern für Nicht – Corona Kranke, ohne dass dafür ein akuter Anlass bestanden hätte. Legitimer Zweck kann es auch nicht sein, jede Überlastung von Krankenhäusern zu verhindern, denn dann hätten wir sehr häufig einen Lockdown, nahezu regelmäßig bei jeder heftigen Grippewelle.

Wenn nun die vulnerablen Gruppen geimpft sind, d. h. diejenigen, für die eine Corona – Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit ernsthaft gefährlich ist, dann gibt es überhaupt keinen Grund mehr für Beschränkungen der Menschenrechte. Da teile ich die Ansicht Jan Fleischhauers ausdrücklich, der das ebenso sieht.

https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/die-focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-die-neue-lust-an-der-macht-wie-viele-politiker-insgeheim-ueber-lockdown-regeln-denken_id_13026500.html

Es geht eben nicht um die Reihenfolge der Rückgabe von Grundrechten. Dieses Denken, dem weite Teile der Politik verhaftet sind, ist falsch. Ist der Grund für die Freiheitsbeschränkung weggefallen, dann ist sie für alle aufzuheben.

Für den Rest der Bevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung zwar vorhanden, aber gering. Diese gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Das bedeutet, dass dann auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems nicht mehr gefährdet ist. Wem das Risiko der Ansteckung persönlich zu hoch ist, dem steht es frei, nicht shoppen zu gehen, keine kulturellen Einrichtungen zu besuchen, doppelt und dreifach Masken zu tragen und sich generell freiwillig so zu verhalten, wie es jetzt alle gezwungenermaßen tun. Jeder hat die Verantwortung für sein Leben und seine Gesundheit, erlaubt ist sogar Selbstmord. Die Grenze ist nur dort, wo man andere gefährdet. Besteht diese Gefahr nicht mehr, ist der Freiheitsentzug nicht mehr legitim. Ein potentielles Ansteckungsrisiko, welches ein Bürger durch sein eigenes Verhalten minimieren kann, ist kein Grund, allen Bürgern grundlegende Menschenrechte vorzuenthalten und wirtschaftliche Existenzen zu vernichten.

Bei einem Staat, der so inkompetentes Führungspersonal hat, ist jede Verlagerung von Verantwortung auf den Bürger ohnehin begrüßenswert. Oder, wie Frank Lübberding es so treffend formulierte:

“Der Staat ist nicht klüger, aber er kann seine Dummheit verpflichtend machen.“
https://www.welt.de/kultur/plus227087879/Der-Staat-kann-seine-Dummheit-verpflichtend-machen.html

Angesichts der grenzenlos anmutenden Dummheit der staatlichen Akteure ist die herrschende Staatsgläubigkeit gefährlich. Aber wer es möchte, kann ja gerne den Staat als Kirchenersatz nehmen. Nur den anderen sollte man die Möglichkeit geben, sich freizuschwimmen. Schließlich gilt in diesem Land Religionsfreiheit.

Auf Dauer wäre es vielleicht eine Idee sich zu überlegen, wie man eine bessere Führungsmannschaft bekommt. Um Kapitän auf einem Schiff zu werden, braucht man einen Befähigungsnachweis, früher hieß das Patent. Dazu muss man eine ziemlich vielseitige Ausbildung durchlaufen und praktische Erfahrung ableisten. Je größer das Schiff und je gefährlicher das Gewässer desto umfangreicher die Ausbildung. Schließlich trägt man als Kapitän eine große Verantwortung, mit Demagogie kommt man nicht weit, denn das Meer kennt keine Gnade.

Wären Politiker die so kompetent wären wie Kapitäne nicht mal zur Abwechslung eine wirklich tolle Vision?

 



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