Im Westen was Neues: Selbstzerstörung durch zweierlei Maß

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Die schönsten Jahre meines Lebens habe ich als postgraduale Studentin in Cambridge verbracht. Besonders beeindruckt hat mich dort die selbstverständlich gelebte Toleranz und die Freiheit der Debatte. Zwar hat mich damals schon etwas irritiert, dass es im Juni 1989 an der Universität eine Kampagne gegen die Hinrichtung eines Schwerverbrechers in den USA gab, während die Erschießung chinesischer Studenten, die an den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens teilgenommen hatten, keinerlei sichtbare Proteste hervorrief. Der Sohn des damaligen chinesischen Innenministers soll Student an der Universität gewesen sein, was seinem College eine erhebliche finanzielle Unterstützung eingebracht haben soll. Ob das der Grund für das Schweigen zu den chinesischen Massakern gewesen war, kann ich heute nicht mit Bestimmtheit sagen. Trotz dieses Makels schien die demokratische, rechtsstaatliche Grundhaltung der Universität unzerstörbar. Ich bin der Universität und meinem College heute noch dankbar für die Chance, die sie mir, der aus der DDR rausgeworfenen, mittellosen Dissidentin, gegeben haben.

Umso mehr schmerzt es mich, dass auch in Cambridge die demokratischen Tugenden der Toleranz und Diskursoffenheit ersetzt worden sind, durch ideologische Intoleranz und Doppelstandards, die Rechtsstaatlichkeit zerstören.

Am 23. Juni twitterte die indischstämmige Professorin Priyamvada Gopal „White lives don´t matter“ und „abolish whiteness“. Das erfüllt alle Kriterien von „Hate speech“ und rief heftige Gegenreaktionen hervor. Als Antwort auf die Proteste twitterte Gopal „abolish Brahmins and upper caste“ und erklärte, sie selbst gehöre einer Brahmanischen Familie an und ihr eigenes brahmanisches Leben würde nicht zählen, sondern müsste abgeschafft werden.

Als eine Online-Petition gegen Gopal, die von hunderten Akademikern unterstützt wurde, meinte, dass eine Frau mit rassistischen Ansichten und Hassrede nicht mit den Standards der Universität vereinbar sei und sie relegiert werden müsste, stellte sich die Universität hinter Gopal. In einem Tweet verteidigte die Universität die freie Meinungsäußerung, auch wenn andere diese Meinung kontrovers sei. Die Angriffe auf Gopal müssten sofort aufhören.

Quelle: Twitter

So weit, so gut, wenn nicht dieselbe Universität in anderen Fällen ganz anders reagiert hätte.

Als der Soziologe Noah Carl das Toby Jackman Newton Trust-Stipendium des St. Edmund´s College zugesprochen bekam, wurde ihm dies nach einem Protest von 500 Akademikern wieder aberkannt. Die Protestierer warfen Carl „ethisch fragwürdige und methodisch schwache“ Analysen vor. Carl hatte nicht die Abschaffung von Menschen mit nicht weißer Hautfarbe gefordert. Er hatte aber im Ergebnis seiner Feldforschungen festgestellt, dass die Vorbehalte der britischen Bevölkerung gegen muslimische Einwanderung zu großen Teilen gerechtfertigt seien. Außerdem habe der Terrorismus mit der muslimischen Einwanderung in Europa zugenommen.

Obwohl dies eine Tatsache ist, die nach den Anschlägen von Paris, Nizza, Brüssel, Berlin und London nicht zu leugnen ist, galt für Carl nicht die von der Universität hochgehaltene Meinungsfreiheit. Es blieb der Times, dem Spectator und dem Telegraph vorbehalten, die Entscheidung der Universität gegen Carl als Angriff auf die Meinungsfreiheit zu brandmarken.

Meinungsfreiheit scheint auch in britischen akademischen Kreisen nur noch für die Linken zu gelten. Dieser Verdacht erhärtet sich, wenn man weiß, dass im März des vergangenen Jahres auch dem Psychologen Jordan Peterson, der den Linken zu konservativ ist, ein zweimonatiges Gaststipendium von der Universität wieder entzogen wurde.

„Cambridge ist ein inklusives Umfeld, und wir erwarten von allen unseren Mitarbeitern und Besuchern, dass sie unsere Grundsätze einhalten. Es gibt hier keinen Platz für alle, die das nicht können.“ Was ist Inklusivität wert, die Konservative ausschließt? Die Grundsätze der Universität Cambridge scheinen inzwischen auf den Doppelstandards zu basieren, die wir überall dort beobachten können, wo sich die Gesinnungsdiktatur in Europa breit macht.



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