„Das Unwort zum Sonntag“

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Von Pfarrer Achijah Zorn

Die Pastorin Annette Behnken darf im Namen der Evangelischen Kirche eine flammende Rede halten. Ihr Thema: Die Migrationskrise, die sich im Augenblick wieder an der griechischen Grenze zuspitzt.

Frau Behnkens Position ist klar und eindeutig und mir gut vertraut, da ich mir hin und wieder Bundestagsreden anhöre und dabei dort von den Grünen und Linken solche „Worte zum Sonntag“ schon etliche Male gehört habe. Die Grenzen zwischen Reichstag und „Wort zum Sonntag“ verschwimmen.

Und so schaut Frau Behnken die Welt an: „An der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei verkaufen wir in diesen Tagen unsere grundsätzlichen Werte: Menschenrechte und Menschlichkeit“. Die ehemals schöne Braut Europa sei häßlich geworden, weil sie nicht umgehend alle Kinder, Frauen und Männer aufnehme, die in Griechenland vor der Tür stehen. Statt dieses einzig Richtige zu tun, lassen wir uns von Neofaschisten genauso wie vom Corona-Virus in Schreckstarre versetzen. „Mit Verlaub: Ich könnte kotzen!“ Doch Frau Behnken will es nicht nur beim Kotzen belassen. „Wir müssen die Parlamente stürmen“, damit endlich eine christliche und barmherzige Flüchtlingspolitik in Europa einziehen könne. Die Kirche mit ihrem Schiff zur Seenotrettung im Mittelmeer würde uns dabei als leuchtendes Beispiel für ein besseres Europa den Weg weisen.

Das ganze gut vorgetragen. Mit weiblichem Charme, mit viel Emotionen und Energie, sehr authentisch. Aufrüttelnd. Ein Appell bis ins tiefste Gewissen hinein. Und doch regt sich in mir nach dieser politischen Gardinenpredigt an fünf fundamentalen Punkten heftiger Widerstand:

Erstens: Diese auf den ersten Blick so demokratische wirkenden Worte sind undemokratisch. Äußerlich wird zwar den „Neofaschisten“ der Kampf angesagt. Doch innerlich geht es der Demokratie an den Kragen: Frau Behnken ruft dazu auf, demokratisch und frei gewählt Parlamente zu stürmen! Was für eine autoritäre Anmaßung.

Und schon die Bezeichnung ihrer politischen Gegner als „Neofaschisten“ ist antidemokratisch. Denn auch wenn diese Meinung von der grundgesetzlichen Meinungsfreiheit gedeckt ist, so fällt doch auf, dass die öffentlich-rechtliche Justiz bisher in keinem einzigen Urteil das Parteiprogramm der AfD oder die Leitlinien der Werte-Union als faschistisch gebrandmarkt hat.

Damit versinkt die wichtige dritte legislative Säule der demokratischen Gewaltenteilung bei Frau Behnken in dem Sumpf einer selbstgefälligen und klerikalen Selbstjustiz.

Zweitens: Die auf den ersten Blick so menschlich wirkenden Worte sind unmenschlich.

Das „Wort zum Sonntag“ wimmelt ja nur so von Begriffen wie Menschlichkeit, Solidarität, Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft. Doch wer seine politischen Gegner in anmaßender Selbstjustiz als Völkermörder und Kriegsverbrecher (= Neofaschisten) diffarmiert und stigmatisiert und sie obendrauf noch in die Nähe von gefährlichen Coronaviren bringt, der spricht unmenschlich.

Drittens: Die auf den ersten Blick so klug wirkenden Worte sind unvernünftig.

Die Vernunft stellt Fragen: Wofür instrumentalisiert Erdogan augenblicklich die Migranten an der griechischen Grenze? Wieviele fremde Menschen kann eine Gemeinschaft vertragen, ohne sich selber zu zerreißen? Wie können wir anderen Menschen helfen, ohne sie gleich alle in unserem eigenen Hause aufnehmen zu müssen?

Im „Wort zum Sonntag“ gibt es keine ernsthaften Fragen. Bei Frau Behnken ist alles klar. Die weiße EKD – die schwarzen Neofaschisten. Hier braucht es kein Überlegen. Hier braucht es nur noch die Tat. Dieses „Wort zum Sonntag“ steht für ein voraufklärerisches Christentum.

Viertens: Die auf den ersten Blick so christlich daherkommenden Worte sind unevangelisch. Im christlichen Glauben steht das „Evangelium“ (= „frohe Botschaft“) im Mittelpunkt.

Bei Frau Behnken steht aber allein ein fundamentalistischer Moralimsus im Mittelpunkt. Hochleistungsmoral in Reinkultur. Wenn Deutschland allein in den letzten 5 Jahren zwei Millionen meist geringqualifizierte Menschen aufgenommen hat und wenn wir mit deren Integration die nächsten Jahrzehnte genug zu tun haben werden – all das reicht der grenzenlosen Frau Behnken lange nicht aus. Egal ob unser Land wirtschaftlich schwächelt, egal ob unser Gesundheitssystem durch eine Pandemie an seine Grenzen kommt, egal ob sich der Wohnungsmarkt im Stress befindet – nach Frau Behnkens zeigen wir unser häßliches Gesicht, wenn wir nicht weiter grenzenlos unsere Türen öffnen. Rigoroser Moralismus kennt keine Gnade und keinen Trost. Und darum trägt der rigorose Moralismus in sich den Keim der Selbstzerstörung, selbst wenn er fälschlicherweise unter der Flagge des Evangeliums segelt.

Fünftens: Das auf den ersten Blick biblisch daherkommende Wort ist unbiblisch.

Das „Wort zum Sonntag“ beruft sich auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Doch dieses Bibelwort mit all seinen unterschiedlichen Nuancen wird bei Frau Behnken lediglich zu einer blutleeren Chiffre für eine grenzenlose Hilfsbereitschaft. Dabei achtet der biblische barmherzige Samariter sehr wohl auf seine Grenzen. Darum nimmt er den unter die Räuber Gefallenen nicht mit in sein eigenes Haus, sondern gibt ihn in einer Herberge ab. An solchen „Feinheiten“ im Bibeltext hat Frau Behnken keinerlei Interesse. Denn damit würde der Bibeltext ja ihrer eigenen Ideologie widersprechen. Und das kann und darf ja nicht sein, denn sonst wäre ja die Bibel selber „neofaschistisch“.

Fünf fundamentale Einwände gegen das „Unwort zum Sonntag“ vom 7.3.2020, das in meinen Augen eine christliche Bankrotterklärung ist:

Undemokratisch, unmenschlich, unvernünftig, unevangelisch, unbiblisch.

Und das ganze mithilfe von ARD öffentlich-rechtlich hinausposaunt in alle deutschen Wohnzimmer.

Wo bleibt der Aufschrei der Christen?

Wo bleibt der Aufschrei der Kirchenleitungen?

Wo bleibt der Aufschrei der Demokraten?

Oder nimmt etwa keiner mehr das „Wort zum Sonntag“ ernst?! Das wäre in diesem Fall vielleicht nicht das Schlechteste!



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