Die Grünen und „Ende Gelände“

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Von Norman Hanert auf PAZ

Bereits kurze Zeit nach ihrem Start kommt auf Brandenburgs neue „Kenia“-Koalition eine erste Belastungsprobe zu. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, CDU und Grüne darauf geeinigt, die Kohleverstromung schrittweise zu reduzieren und spätestens bis zum Jahr 2038 zu beenden. Radikale Klimaaktivisten wollen nun einen sofortigen Ausstieg durchsetzen.

Nach Besetzungen im rheinländischen Kohlerevier im Sommer hatte die Bewegung „Ende Gelände“ für das letzte Novemberwochenende angekündigt, „wir fahren in die Lausitz und blockieren die Orte der Zerstörung“. Erklärtes Ziel der Radikalen ist es, über „zivilen Ungehorsam“ den Braunkohleabbau sofort zu stoppen.

Bereits am Morgen des 30. November kam es am Tagebau Jänschwalde zu Übergriffen durch gewalttätige Aktivisten, bei denen drei Polizeibeamte verletzt wurden. Obwohl der Energieversorger Leag vor Gefahren gewarnt hatte, überwanden die radikalen Kohlegegner auch Zäune und verschafften sich in Welzow-Süd und Jänschwalde Zutritt zu Tagebauen. In Jänschwalde besetzten Anhänger von „Ende Gelände“ auch Gleisanlagen und schnitten so das Kraftwerk vom Kohle-Nachschub ab. Als Reaktion fuhr der Energieversorger das Kraftwerk Jänschwalde auf ein Minimum herunter, um mit den vorhandenen Kohlevorräten zumindest die Fernwärmeversorgung der Großstadt Cottbus sichern zu können.
Bei dieser Notmaßnahme dürften Erfahrungen aus dem Jahr 2016 hilfreich gewesen sein. Damals waren etwa 1600 Kohlegegner in den Tagebau Welzow eingedrungen. Die Aktivisten hielten über einen Zeitraum von 24 Stunden Kohlegleise besetzt. Der damalige Kraftwerksbetreiber Vattenfall sah sich wegen des Ausbleibens von Kohlenachschub gezwungen, die Leistung des Kraftwerks Schwarze Pumpe extrem zu drosseln. Zeitweise wurde sogar ein Totalausfall des Kraftwerks befürchtet, das Städte in Brandenburg und Sachsen mit Fernwärme versorgt.

Die früheren Erfahrungen mit „Ende Gelände“ spielten auch bei den Vorbereitungen der Polizei auf die jüngsten Attacken eine Rolle. Ein Großaufgebot von Polizeikräften, Wasserwerfer und sogar eine Reiterstaffel sollten einen Ansturm von Kohlegegnern auf ein Kraftwerk wie im Jahr 2016 verhindern. Über das gesamte Novemberwochenende waren
2600 Polizisten aus mehren Bundesländern in der Lausitz im Einsatz.
„Ende Gelände“ hatte auch für Sachsen Aktionen gegen die Kohleverstromung angekündigt. Die Landkreise Görlitz und Bautzen hatten im Vorfeld bereits Versammlungen unter freiem Himmel im Umfeld mehrerer Tagebaue verboten beziehungsweise das Umfeld eines Bahngleises zur Sperrzone erklärt. Auch im Kohlerevier Leipzig war wichtige Bergbau-Infrastruktur zur Verbotszone erklärt worden.
Dennoch drangen mehr als 1000 Kohlegegner in einen Tagebau bei Leipzig ein. Dabei wurde eine Polizeikette durchbrochen und Beamte mit Schlägen und Tritten attackiert. Im Vorfeld hatte „Ende Gelände“ angekündigt, mit den Aktionen keine Menschen gefährden zu wollen. Mit Blick auf diesen Anspruch sagte ein Sprecher der sächsischen Polizei: „Die Friedlichkeit können wir nicht bestätigen.“

Tatsächlich stellt die Radikalität der Kohlegegner auch ein erhebliches Streitpotenzial für die neuen Dreier-Koalitionen in Dresden und Potsdam dar. In Brandenburg haben SPD, CDU und Grüne erst am 19. Januar ihren Koalitionsvertrag unterschrieben. In dem Papier erklären die drei Bündnispartner die Absicht, in Brandenburg eine „Verbindung von Klimaschutz mit Wertschöpfung, Arbeitsplätze(n)“ zu verwirklichen. Vereinbart hat die schwarz-rot-grüne „Kenia“-Koalition, die Kohleverstromung in Brandenburg schrittweise zu reduzieren und bei entsprechenden Rahmenbedingungen im Jahr 2035, spätestens aber Ende 2038 zu beenden.

Im Kontrast zu dieser frisch ausgehandelten Vereinbarung der Koalitionspartner steht Unterstützung der Proteste von „Ende Gelände“ durch Mitglieder der Grünen Jugend. Mitglieder der Nachwuchsorganisation haben im Internet Videos veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass sie bei den Aktionen in der Lausitz mit von der Partie waren.

Bemerkenswert ist auch ein Vorgang im Cottbuser Stadtparlament. Initiiert von der SPD-Fraktion, hatte eine breite Mehrheit der Stadtverordneten eine gemeinsame Erklärung beschlossen, in der mit Blick auf von „Ende Gelände“ geplante Proteste „gewalttätige und rechtswidrige Aktionen“ verurteilt wurden. Diese würden der Lausitz keinen Schritt weiterhelfen und sich „direkt gegen Zusammenhalt, Vernunft und Versorgungssicherheit“ richten, so die Erklärung.

Die SPD-Initiative wurde von der Linkspartei über die CDU bis hin zur AfD unterstützt, nicht jedoch von den Stadtverordneten der Grünen. Diese verfassten eine eigene Erklärung, die zwar auch eine Ablehnung der geplanten Aktionen von „Ende Gelände“ enthielt, zudem aber auch Kritik am Verein „Pro Lausitzer Braunkohle“. Dem Verein gehören die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, betroffene Arbeitnehmer in der Energiewirtschaft und weitere Akteure an, die sich gegen einen überstürzten Ausstieg aus der Kohle aussprechen.

Bei ihren Protesten stießen die Aktivisten von „Ende Gelände“ in der Lausitz auf Dutzende Mahnwachen von Kohle-Befürwortern. Unter anderem hatten sich Bergleute am Kraftwerk Jänschwalde versammelt. Aufgestellt hatten die Kohlekumpel bei ihren Mahnwachen Transparente, auf denen Losungen wie „Wir leben von der Kohle! … und nicht von grünen Märchen“ zu lesen waren.



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