Nach Amsterdam zu Rembrandt – eine Herbstreise

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Der Maler Rembrandt Harmenszoon van Rijn ist einer der berühmtesten Künstler aller Zeiten. Er starb vor 350 Jahren, am 4. Oktober 1669 mit 63 Jahren. Das war Grund genug, für die Niederlande, 2019 zum Rembrandt-Jahr zu machen. Für uns Grund genug, sich die Show zum Jubiläumsjahr anzusehen, wo erstmals ein erheblicher Teil der über 300 Werke ausgestellt wurden.

Amsterdam empfängt uns mit Sonne, aber empfindlicher Kälte. Wir hatten nach dem wunderbaren Sommer und dem warmen Herbst schon fast vergessen, was das bedeutet. Die obligatorische Grachtenfahrt, man soll sich die holländische Hauptstadt zuerst vom Wasser aus anschauen, war nur mit fest geschlossenen Scheiben zu ertragen.

Erste Station war der Kunsthandel de Boer. Holland hat mehrere Kunsthändler, die aus Familien stammen, die seit Generationen auf diesem Gebiet tätig sind. So auch der Kunsthändler de Boer, der sich auf holländische und flämische Maler spezialisiert hat. Sein schönes Haus in der vornehmen Herengracht darf man auch besuchen, wenn man nicht zu den Betuchten gehört, die hier kaufen können. Nicht alle Bilder und Zeichnungen, die hier zu sehen sind, kann man kaufen. Ein Teil gehört zu der Stiftung de Boer, die über einen wahren Schatz an Zeichnungen aus dem Goldenen Zeitalter verfügt.

Damals waren zahllose Maler tätig. Geschätzte 8-12 Millionen Bilder sind damals entstanden. Bilder waren eine Ware, wurden, oft auf Bestellung, für den Verkauf angefertigt. Amsterdam war im 17. Jahrhundert der Mittelpunkt der Welt. Hier liefen alle wichtigen Handelswege zusammen. Wohlhabend waren nicht nur die Händler und Kaufleute, sondern auch die Handwerker, die eine zahlreiche und zahlungsfähige Kundschaft zu beliefern hatten. So konnten auch Tischler, Bäcker und Färber Bilder im Auftrag geben. Deshalb wissen wir heute nicht nur, wie die Honorationen jener Zeit ausgeschaut haben, sonder auch, wie das Leben auf den Straßen aussah.

Wie ungeheuer produktiv das Goldene Zeitalter war, ahnt man, wenn man seine Kathedrale, das Rijksmuseum besucht, das nach langjährigen Renovierungen und Modernisierungen wieder in alter Pracht geöffnet ist.

Im Jubiläumsjahr gibt es eine besondere Ausstellung: Rembrandt-Velászquez, die auf den ersten Blick wie eine Schnapsidee erscheint. Zur Rembrandtzeit befanden sich Spanien und die Niederlande in einem Krieg, der 80 Jahre dauerte und den Abfall der Niederlande von Spanien zum Ergebnis hatte. Die beiden Maler, die sicher voneinander wussten, sind sich nie begegnet. Aber sie haben eins gemeinsam: Sie symbolisieren die Blüte ihrer jeweiligen Länder. Anders als der Dreißigjährige Krieg, der zu dieser Zeit Deutschland verheerte, erlebten Spanien und die Niederlande während ihres Krieges eine beispiellose wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Spannend ist, in dieser Ausstellung zu sehen, wie sich das Katholische und das Calvinistische in der Bildsprache niederschlugen. Während der Spanier sehr sinnlich malt, strahlen die Bilder des Holländers, besonders die Porträts, überwiegend kühle Zurückhaltung aus.

Die berühmte Nachtwache ist nicht in der Ausstellung zu finden, sondern hat einen eigenen Raum. Seit Juli wird das Bild, das restauriert werden muss, genauestens unter die Lupe genommen. Mit Computern und Scannern versucht man, seinen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Das Monumentalgemälde, das Rembrandt malte, während seien große Liebe Saskia mit nur 29 Jahren im Sterben lag, ist dramatisch, nicht nur was Licht und Schatten des Meisterwerkes betrifft. Rembrandt malt die “Kompanie von Kapitän Frans Banning Cocq”, nicht, wie die meisten Gruppenporträts, die in der Hermitage von Amsterdam zu sehen sind, statisch, sondern in Bewegung. Die Truppe ist sichtbar im Aufbruch. Die Waffen werden gezückt, ein Schuss löst sich, der Hund kläfft …kein Wunder, dass dieses Werk die Fantasie vieler Künstler, bis hin zum Krimiautor beflügelt hat.

Im Rembrandt-Haus kommt man dem Künstler näher. Der Maler war ein Aufsteiger, der nach einer kurzen Lehre bei “Höllenmaler” Jacob van Swanenburg und ster beim Amsterdamer Pieter Lastman, schon mit 18 Jahren sein eigenes Studio bezog und gut verdiente. Durch die Heirat der schönen und reichenrgermeistertochter Saskia van Uylenburgh wurde er sehr wohlhabend. Das sieht man dem Haus auch an. Es steht in unmittelbarer Nähe des Zollhäuschens am alten Hafen. Rembrandt stand hier oft auf der Brücke, um zu sehen, was die Schiffe aus aller Welt brachten. Wenn sich herumsprach, dass Rembrandt an etwas interessiert sei, gingen die Preise in die Höhe. Der Maler konnte nicht mit Geld umgehen, so lange sie lebte, war Saskia die Vermögensverwalterin. In ihrem Testament vermachte sie alles ihrem Sohn Titus, dem einzigen Kind Rembrandts, das erwachsen wurde. Nach ihrem Tod geriet Rembrandt in eine tiefe Schaffenskrise. Die Bildproduktion, die vorher auf Hochtouren gelaufen war, nahm sichtbar ab. Die Kunden wechselten zur Konkurrenz. 1656 kam die Pleite. Rembrandt musste das Haus räumen und alles kam unter den Hammer. Sein Sohn Titus konnte nur noch einen goldenen Spiegel retten, der zerbrach jedoch beim Transport über die Grachten. Nach dem Konkurs übernahmen Titus und Rembrandts Frau Hendrickje, die frühere Haushälterin, die Geschäfte. Offiziell war der Maler bei ihnen angestellt, die Gläubiger waren ausgetrickst. Nach dem Tod der beiden verarmte Rembrandt rapide und musste in einem Armengrab beigesetzt werden.

Das heutige Museum ist mit Möbeln der Rembrandt-Zeit ausgestattet. Man bekommt einen guten Eindruck vom familiären Leben des Goldenen Zeitalters. Besonders beeindruckend sind die Alkoven, in denen man halb sitzend schlafen musste. Liegen durften nur die Toten. Unter dem hohen Dach hatten Rembrandt und seine jeweiligen Schüler ihre Ateliers. War einem Schüler ein Gemälde besonders gut gelungen, setzte der Meister seine Unterschrift darunter, damit es sich besser verkaufte. Niemand weiß, wie viele falsche Rembrandts mit echter Signatur es gab.

Beeindruckend ist die nachgestellte Sammlung Rembrandts von Objekten aller Art, die er für seien Malerei brauchte: Ausgestopfte Tiere, Muscheln, Steine, Knochen, Gläser, Krüge, Äste, Hauben, Helme, Dolche, Musketen, Skelette. Für seien Gemälde fertigte der Meister zahllose Studien an, die dann zusammengefügt wurden.

Mein Favorit unter den Rembrandt-Gemälden hängt in der Hermitage. Es ist ein Ausschnitt eines größtenteils durch Brand zerstörten Werks, das die Sektion einer männlichen Leiche zeigt. Die Hirnschale ist bereits entfernt und wird vom Assistenten in der Hand gehalten. Die Schädelhaut hängt wie eine Frisur zu beiden Teilen des Gesichts herab. Das Licht ist ganz auf den Körper gerichtet. Gemalt ist es aus einer Perspektive, die sich dem Betrachter böte, wenn er vor den Sektionstisch kniete. Rembrandt war also durchaus fähig zu wissenschaftlichen Studien. Das Bild beeindruckt nicht nur mich. An anderer Stelle der Hermitage hängt die Adaption eines zeitgenössischen Künstlers. Memento mori.

Aber am Ende des Rundgangs hat man durch die Fenster der Galerie einen der schönsten Blicke auf Amsterdam, die man haben kann, selbst wenn es Regentropfen an den Fensterscheiben gibt.

Fotos: Sven Lindgreen



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