Einundzwanzigster Oktober 1989
Wieder gibt es zahlreiche Demonstrationen in der ganzen DDR. Allein in Plauen gehen 30000 Bürger für freie Wahlen, Reise- und Meinungsfreiheit auf die Straße. In dieser Woche, vom 16. bis zum 22. Oktober, zählt das Ministerium für Staatssicherheit 24 Demonstrationen mit 140000 Teilnehmern. So etwas hat es in noch keinem sozialistischen Land gegeben.
Fast alle Demonstrationen gingen von einem Friedensgebet oder einer Diskussionsveranstaltung aus. Manchmal aber auch von einem Jugendtanz. Ausnahmslos alle kamen durch so genannte „Flüsterpropaganda“ zustande. Das MfS muss feststellen, dass selbst die „gesellschaftlichen Kräfte“, die von der SED geschickt wurden, um auf den Verlauf der Demonstration Einfluss zu nehmen, den oppositionellen
Rednern Beifall spendeten.
In den Westmedien wird berichtet, dass nunmehr 60000 Flüchtlinge aus der DDR in der BRD angekommen seien.
Der Aufmacher des Neuen Deutschland dieses Tages liest sich wieder wie eine Parodie auf die Ereignisse: „Offene Debatte um aktuelle Fragen der Gesellschaft“
Das Missverständnis West wird in einer Talkshow artikuliert: Die DDR-Bürger hätten erstmals DDR-Bewusstsein gezeigt. Die Volksverächter Ost und West hätten schon vor der Vereinigung gemeinsame Sache gemacht.