Neunundzwanzigster September 1989
Eine außerordentliche Politbürositzung beschließt, die Botschaftsflüchtlinge in Prag und Warschau über DDR-Territorium ausreisen zu lassen. Es soll einen letzten Hauch von Souveränität bedeuten, dass die Menschen nicht direkt in den Westen reisen dürfen. In der Folge sollte sich diese Dickköpfigkeit der Politbürokraten als verhängnisvoll erweisen.
Diejenigen, die nach wie vor ihr Land nicht verlassen, sondern verändern wollen, verstärken ihre Aktivitäten, um Reformen zu erzwingen.
In Thüringen veröffentlichen 60 Vertreter von Basisgruppen einen „Offenen Brief“ an die „Verantwortlichen unseres Staates und alle Bürger unseres Landes“. Sie fordern freie Wahlen, die Legalisierung der frisch gegründeten Bürgerrechtsgruppen, wie das Neue Forum, Reisefreiheit, Meinungsfreiheit und eine freie Presse.
In Berlin trauen sich immer mehr Künstler, wider den staatlichen Stachel zu löcken. Diesmal sind es die Mitglieder des Berliner Ensembles, die öffentlich die Zulassung des Neuen Forums und der anderen Gruppen fordern.
In Leipzig werden in einem Schnellverfahren elf verhaftete Teilnehmer des Friedensgebets vom 11.9. verurteilt. Das soll abschreckend wirken.