Grünes Gas. Ist das die Rettung der Energiewende?

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Von Gastautor Olaf Lorke

Im Lausitz-Magazin – Ausgabe 10/2019 – wurde ein hochinteressantes Interview (unten) mit Steffen Söll, Geschäftsführer eines Mittelstands-Unternehmens in der Lausitz, abgedruckt. Man konzentriere sich auf die Seiten zwei und drei.

Ich habe schon immer sehr bedauert, dass so wenige echte Fachleute aus der Wirtschaft sich zu Wort melden, wenn es um die Energiewende geht. Unsere Regierung baut stattdessen auf „Gefälligkeits-Gutachten“ von Experten, die ihr nach dem Munde reden. Selbstverständlich gibt es – neben den grünen Ideologen – siehe Renate Künast, die meist Unsinn reden – knallharte Gründe für unsere Regierung, warum sie die Bevölkerung nach wie vor auch in Fragen der künftigen Energieversorgung an der Nase herumführt. Sie macht außerdem ständig den fatalen Fehler, Energieversorgung mit Stromversorgung gleichzusetzen.

In einer neuen Qualität stellt nun Steffen Söll – als Betroffener und Praktiker – klar heraus, was ein Kohleausstieg für Deutschland bedeutet und welche Vor- und Nachteile eine Umstellung der Energieversorgung auf Gas für uns hat.

Man sollte die Aussagen von Herrn Söll wirklich in aller Ruhe verinnerlichen. Seriös dürften sie kaum zu widerlegen sein. Die Tatsache, dass der Ausstieg aus der Kohle und der damit verbundene notwendige Ausbau der Gaskraft die CO2-Bilanz NICHT entschärft, scheint mir die Kern-Aussage des Interviews zu sein!

Mir steht es sicher nicht an, diese Dinge tief schürfend fachlich zu bewerten. Als Ingenieur leuchten mir allerdings alle Angaben, die Herr Söll macht, ein.

Aber ich möchte – wie meistens in meinen Beiträgen – eigene Gedanken einbringen, um vielleicht meine Leser noch mehr mitzunehmen.

Ich wundere mich sehr, dass im sächsischen Wahlkampf das Thema des Kohleausstiegs nur insofern eine Rolle spielt, dass man den Strukturwandel in der Lausitz finanziell begleiten und neue Strukturen und Institutionen schaffen will. Selbstverständlich ist das wichtig. Aber auf die Idee, den Kohleausstieg insgesamt in Frage zu stellen, kommt offensichtlich niemand. Am Weitesten scheint hier die FDP zu gehen. Spitzenkandidat Zastrow im MDR-Interview vom 20.08.: “Was ich für fatal halte, und für Verrat an unserem eigenen Land, ist, die Unterschrift unter einen Ausstieg zu setzen, ohne dass ich was auf der anderen Seite als Alternative habe.”

Das klingt mutig, aber man muss vorsichtig sein. Denn es ist Wahlkampf und die FDP möchte natürlich unbedingt die 5%-Hürde schaffen.

Die zweite zentrale Aussage des oben genannten Interviews ist, „dass es ein fossiles grünes oder klimafreundliches Gas nicht gibt.“ Die Gründe dafür legt Herr Söll umfassend dar. „Nur bei …Gas… aus regenerativen Quellen handelt es sich um grünes Gas. Es soll aus den Erneuerbaren ausgespeichert werden, wenn sie über die benötigte Nachfrage hinaus anfallen.“

Tja, an dieser Stelle beginnen allerdings die Träume. Es klingt wunderbar: Aus Windkraft-Strom Wasserstoff erzeugen, der zum Beispiel in Brennstoffzellen eingesetzt werden kann. Oder in einem weiteren Schritt, der Methanisierung, Gas erzeugen, dass gleichzeitig einen riesigen Speicher darstellen kann, wenn wir einmal eine Dunkel-Flaute über zwei Wochen haben. Dieses Gas dann wieder zu verbrennen („Rückverstromung“) OHNE erneuten CO2-Ausstoß – dass sind große Herausforderungen. Auch künstliche Kraftstoffe mit hoher Energiedichte letztlich aus Ökostrom herzustellen ist eine tolle Idee. Es gibt dazu bereits zahlreiche Projekte.

Ich als Techniker kann mich natürlich für solche neuen Entwicklungen total begeistern. Aber wir sind noch nicht so weit. Wir müssen auch die Grenzen sehen, die uns die Physik setzt und nicht auf ein böses Erwachen warten. So schlau sollten wir trotz aller Ideologie heutzutage doch noch sein, oder?

Ich habe deshalb im Moment noch ein Problem mit Verfahren mit extrem niedrigem Wirkungsgrad, wie bei der Elektrolyse, der Methanisierung oder gar der „Rückverstromung“. Wirkungsgrade multiplizieren sich nun einmal und wenn am Ende 0,25 herauskommt, kann man das als Ingenieur nicht gut finden.

Will sagen: Es ist richtig, dass wir uns mit solchen Technologien beschäftigen, kein Zweifel. Aber wir brauchen noch mindestens ein Jahrzehnt bis zu einer großtechnischen Umsetzung. Zurzeit gilt aus meiner Sicht: Wir können nicht auf Technologien setzen, die es noch nicht gibt! So falsch also der Atom-Ausstieg war, so falsch wäre auch ein überstürzter Kohle-Ausstieg.

Zum Schluss noch zwei Zitate aus dem Interview mit Herrn Söll, die mir gut gefallen haben.

Ich glaube, ein zentraler Nutzen (der Umstellung von Kohle auf Gas) ist die gesellschaftliche Befriedung des Konflikts mit Gruppen, die heute in den großen Städten wohnen und in eine Klimahysterie verfallen sind. Sie haben nicht erkannt, dass unser Wohlstand…auf der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft…(und der) …Grundstoffversorgung und Energiewirtschaft beruhen.“

Vielleicht sollten wir jenen, die Strom nur aus der Steckdose kennen, hin und wieder das Gefühl geben, wie es ohne Strom ist und woher er eigentlich kommt.“

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