Die Festung: Wie sich die Regierenden für die Folgen ihrer Politik rüsten

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Von Ramin Peymani auf Liberale Warte

Selten war ein Vorhaben von größerer Symbolkraft als die Ankündigung, die Vorderseite des Berliner Reichstags durch einen zehn Meter breiten und zweieinhalb Meter tiefen Graben befestigen zu lassen. Auch ein mehrere Meter hoher Sperrzaun ist vorgesehen. Und die Kontrolle der Besucher soll künftig in einer Sicherheitszone mit einem 50 Meter breiten Schutzring stattfinden. Satte 150 Millionen Euro sind für das Projekt eingeplant. Ob die Mittel unter Rüstungsausgaben verbucht werden, ist fraglich. Sicher dürfte hingegen sein, dass Deutschlands Steuerzahler mit einer deftigen Kostenüberschreitung rechnen müssen. Und auch der Zeitplan ist kaum einzuhalten. Schon 2023 soll das Abwehrbollwerk stehen, obwohl es bisher offenbar nicht einmal einen konkreten Bebauungsplan gibt.

Der Berufspolitik läuft die Zeit davon. Zu groß ist die Angst, Opfer der selbst herbeigeführten Spaltung der Gesellschaft zu werden. Die Politik der vergangenen Jahre – allen voran die irrgeleitete Migrationspolitik – fordert schon heute ihren Tribut. Und während der als „Feind“ ausgemachte politische Gegner derzeit noch rechts verortet wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis linke Extremisten in ihren Verteilungskämpfen den Reichstag ins Visier nehmen und religiöse Eiferer den säkularen Staat an dessen Wurzel packen. Schnell müssen die Befestigungsanlagen errichtet werden, denn der wirtschaftliche Abschwung wirft seine Schatten voraus. Bürger, die ihre Volksvertreter schon in Zeiten des Wohlstands nicht schätzen, könnten zum Äußersten entschlossen sein, wenn ihnen erst einmal alles genommen worden ist. Das spüren auch die Regierenden, so sehr sie sich ansonsten von ihren Wählern abschotten.

30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer stehen wir an nahezu gleicher Stelle erneut vor der Errichtung eines Sperrzauns gegen die eigenen Bürger

Bereits vor mehr als einem Jahr hatte die Bau- und Raumkommission des Bundestags den Beschluss für den Burggraben gefasst. Dass das Vorhaben bis vor wenigen Tagen nicht öffentlich geworden ist, dürfte den zwischenzeitlichen Wahlen geschuldet gewesen sein. Immerhin fanden seiher neben der aus Sicht der Regierungskoalition beinahe schiefgegangenen EU-Wahl auch die Landtagswahlen in Bayern und Hessen statt, bei denen CDU/CSU und SPD wohl noch weitaus deftigere Schlappen hätten einstecken müssen, wäre die beschlossene Reichstagsbefestigung zum Wahlkampfthema geworden. Da die vorgeschriebenen Planungsverfahren aber anlaufen müssen, will man den Zeitplan halbwegs einhalten, konnte die Bundesregierung den Bau der Befestigungsanlage nun nicht mehr länger geheim halten. So stehen wir also 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer an nahezu gleicher Stelle erneut vor der Errichtung eines Sperrzauns. Diesmal soll er aber nicht Millionen am Fliehen hindern, sondern Millionen daran hindern, sich jene vorzuknöpfen, die ihnen vom Inneren der Festung aus das Leben jeden Tag schwerer machen. Und während uns die Berufspolitik immer wieder kluge Ratschläge gibt, wenn wir uns um unsere eigene Sicherheit sorgen, verschanzt sie sich in einem Hochsicherheitstrakt. Angst ist dabei nur für den Normalbürger kein guter Ratgeber. Wo Angela Merkel Blockflötenklänge empfiehlt und andere Verantwortliche wahlweise zum Armlängenabstand oder zum Alarmglöckchen an der Handtasche raten, greift die Kaste der Volksvertreter in eigener Sache zur Sicherheit lieber tief in die verteidigungspolitische Schublade.

Wo man seit über 100 Jahren mit dem Leitspruch „Dem deutschen Volke“ begrüßt wird, ist man als Bürger inzwischen eine potentielle Bedrohung

Es ist noch nicht abzusehen, ob der Graben, der uns als ästhetisches Objekt schmackhaft gemacht werden soll, irgendwann in anderer Funktion genutzt werden könnte. Breit genug für militärisches Gerät ist er allemal. Da ist die Tatsache, dass die Ausstattung der Bundeswehr derzeit wenig wehrhaft anmutet, ein schwacher Trost. Doch ganz gleich, wie kunstvoll, bunt und einladend auch der geplante unterirdische Tunnel zur vollüberwachten Kanalisierung der Besucherströme gestaltet werden wird, geht von der „Festung Bundestag“ ein fatales Signal aus. Während die Regierenden uns ihre Ideologie der offenen Grenzen aufzwingen, von deren Scheitern nicht nur Kriminalitätsstatistiken, sondern auch Frauenschutzzonen, Betonblöcke und Messerverbote zeugen, verbarrikadieren sie sich selbst in ihrem Führungsbunker und leugnen dabei nicht einmal, dass es die Angst vor dem Terror ist, die sie antreibt. Wo man seit mehr als 100 Jahren mit dem Leitspruch „Dem deutschen Volke“ begrüßt wird und bis vor zehn Jahren ziemlich unbehelligt eintreten konnte, ist man als Bürger dieses Landes inzwischen eine potentielle Bedrohung. Nichts könnte die Kluft zwischen Regierenden und Regierten deutlicher dokumentieren als der Rückfall ins Mittelalter mit Zwingburgen, in denen die Burgherren Schutz vor der Bevölkerung suchen. Es ist die Bankrotterklärung einer „politischen Elite“, die derart fern von den Bürgern lebt, dass sie diese nicht mehr als Verleiher einer zeitlich begrenzten politischen Macht sieht, denen sie Rechenschaft schuldet, sondern als Gefahr, gegen die sie sich wappnet. Befestigt wie eine Burg, wird der Reichstag zum Sinnbild für die Machtlosigkeit des auf Abstand gehaltenen Souveräns.



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