„Phrasen vermitteln den irrigen Eindruck, sie wären das Ergebnis eines längeren Nachdenkens; dabei stehen sie dessen Beginn breit und fest im Weg. Stoppschilder sind sie, nicht Wegweiser. Die Politik ist ihr natürliches Habitat.“
Wie die Politik diese Stoppschilder einsetzt, um von Versagen und unliebsamen Tatbeständen abzulenken, untersucht Cicero-Autor Alexander Kissler in seinem neuen Buch „Widerworte – Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.
Insgesamt listet Kissler 15 Phrasen auf, die unseren Alltag beherrschen und denen unbedingt widersprochen werden muss. Das ist leicht gesagt und schwer getan. Schon Kurt Tucholsky wusste: „Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“
Aber in unserer immer mehr von Phrasen beherrschten Welt muss die Auseinandersetzung gewagt werden, „damit das Denken beginnen und die Freiheit wachsen kann.“
„Heimat gibt es auch im Plural“, behauptet nicht nur Bundespräsident Steinmeier. Es ist das Credo aller Globalisten, die meinen, überall (und damit nirgends) zu Hause zu sein. Sie übersehen dabei, dass ein „Mensch ohne Identität- und das ist der Mensch ohne Heimat“ – „billigste Beute aller politischen wie ökonomischen Manipulationsversuche“ ist. Kissler vermutet, dass er gerade deshalb so eifrig beschworen wird. Heimat scheint das „letzte Bollwerk wider die Banalität des Blöden zu sein. Deshalb dürfen wir uns Heimat nicht nehmen lassen.”
„Vielfalt ist unsere Stärke“ tönt es in Politik, Medien, Kirchen, vereinen und Verbänden. Wie in DDR-Zeiten das Bekenntnis zum Sozialismus, wird heute das Bekenntnis zur Vielfalt erwartet. Vielfalt, z.B. der Lebensentwürfe, kann ein Zeichen der Freiheit im Rechtsstaat sein. Aber wie sieht es mit verordneter Vielfalt, auch Buntheit genannt, aus? Diese Diversität ist „Unterschiedlichkeit, Gegensätzlichkeit, Bindungslosigkeit, Vereinzelung, verlorenes Wir-Gefühl“. Deshalb ist Vielfalt das Gegenteil einer sozialen Klammer. „Sie bedeutet Verzicht auf einen vertraute Lebensart, Geborgenheit und die Gewissheit, sich unter seines Gleichen wohlfühlen zu können.“
Was den Menschen betrifft, so kann der nur eine Identität haben, denn er ist unteilbar. Wie zersetzend die laufend propagierten Mehrfach-Identitäten sind, wird spätestens klar, wenn wir uns erinnern, dass der Attentäter vom Breitscheidplatz 14 verschiedene „Identitäten” hatte.
„Wir schaffen das“– der berühmteste Spruch unserer Kanzlerin, gibt Rätsel auf, womit Angela Merkel wohl am meisten daneben lag: mit ihrer Flüchtlingspolitik, dem Atomausstieg, der Eurorettungspolitik, der Energiewende? Allen Punkten gemeinsam ist, dass sie fatale Fehlentscheidungen sind, die das Potential haben, ein bisher starkes und erfolgreiches Land zu zerstören, die aber nicht korrigiert werden. Insofern kann man das „schaffen“ als ein Zerstören der stabilen Nachkriegsordnung Deutschlands interpretieren. Kissler bemüht als historische Parallele die Rede Maximilien de Robespierres im Februar 1794 vor dem Konvent: „Wir wollen in unserem Land die Moral gegen den Egoismus […],die Grundsätze gegen die Gewohnheiten, die Pflicht gegen die Höflichkeit […] eintauschen.“ Wohin Robespierres „Despotismus der Freiheit“ führte, ist bekannt. Wir dürfen noch gespannt sein, wohin uns das Kanzlerinnen-Wort führt. Klar ist nur, dass Merkel die Frage der Rechtstreue ihrer Regierung als prinzipiell offen betrachtet. Bei der Sommerpressekonferenz 2018 sagte sie: „Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir Recht und Gesetz einhalten wollen und werden und da, wo immer es notwendig ist, es auch tun.“ Es gibt demnach Fälle, wo es nicht notwendig ist, das zu tun.
„Jeder verdient Respekt“, das heißt Anerkennung ohne Ansehen seiner Leistung. Dem 14-fachen Bezieher von Sozialleistung ist demnach die gleiche Achtung zu zollen, wie dem Steuerzahler, der das Geld dafür erwirtschaftet. Kissler verweist auf Friedrich Nietzsche, der schon im „Antichrist“ die Frage stellte, nach dem Zusammenhang der Rede vom Respekt und der großen Moralbehauptung derer, die sie im Mund führen. Er kommt zu dem Schluss, dass Beifall für alle, ein Einverständnis mit nichts sei.
„Europas Werte ertrinken im Mittelmeer“, wird gebetsmühlenartig behauptet. Europa müsse als Lehre aus seiner Geschichte „ein Europa der Menschlichkeit sein“ verkündete der gescheiterte Kanzlerkandidat der SPD Martin Schulz. Dieser Imperativ fordert „freie Fahrt auf den alten Kontinent für alle ‘Hilfssuchenden’“. Nicht gefragt wird nach den Möglichkeiten und den Gefühlen der aufnehmenden Gesellschaft. Die europäische Wertegemeinschaft aus „Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit“ darf nicht hinterfragt werden. Es werden auch keine Fragen nach der Eigenverantwortung der hilfsbedürftigen „Opfer“ weltweit ungleicher Verhältnisse gestellt. Oder nach den Folgen für Afrika, wenn seine Jugend den Kontinent verlässt. Afrika ist seit 60 Jahren unabhängig. Sind da die Probleme inzwischen nicht hausgemacht? Seit 1970 sind allein aus den USA 300 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe nach Afrika geflossen und haben wenig bewirkt. Je höher die Entwicklungshilfe, desto niedriger das Wirtschaftswachstum. Trotzdem pumpt der Westen weiterhin Entwicklungshilfe in Systeme des Machtmissbrauchs. Warum? Es steht inzwischen eine ganze Entwicklungshilfe-Industrie dahinter, die überflüssig würde, wenn Afrika auf eigene Füße käme. Ebenso überflüssig wäre die Flüchtligshilfe-Industrie, wenn Migranten nicht als Opfer, sondern als Individuen betrachtet würden, die sehr wohl fähig sind, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Europas Werte ertrinken nicht im Mittelmeer, sie werden von den europäischen Eliten geschreddert.
Last not least: „Willkommenskultur ist der beste Schutz vor Terror“. Nach dem Beginn der von Kanzlerin Merkel verfügten unkontrollierten Einwanderung wurde anfangs vehement bestritten, dass unter den zehntausenden jungen Männern, die täglich ins Land strömten, auch Terroristen seien. Nur wenige Wochen später wurde diese Illusion bei den Terroranschlägen von Paris und Brüssel widerlegt. Nun wurde umdisponiert und die Willkommenskultur als Terrorschutz deklariert. Schon das Wort ist, wie Kissler richtig feststellt, ein Begriffsungetüm, weil es zwei Begriffe zusammenzwingt, die nicht zueinander passen. Willkommen kann sich nur auf den kurzen Moment des Ankommens beziehen. Es lässt sich nicht verstetigen. Kultur ist dagegen etwas in Jahrhunderten Gewachsenes. Wer auf diesen Widerspruch hinwies, wurde sofort als Saboteur angesehen. Kissler nennt das die klammheimliche Rückkehr des Vaterlandsverräters.
In Wahrheit verbirgt sich hinter Willkommenskultur der kulturelle Umbau unserer Gesellschaft.
Am deutlichsten hat das Katrin Göring-Eckardt von den Grünen gemacht. In Bezug auf die Friedliche Revolution 1989 sagte sie im November 2015 mit Blick auf die unkontrollierte Masseneinwanderung: „[…] unser Land wird sich ändern und zwar drastisch […] Ich freu mich drauf, […] weil ich schon eine friedliche Revolution erlebt habe. Diese hier könnte die sein, die unser Land besser macht […] dieses bessere Land, dieses neue Land, ja, das wollen wir.“
Wie dieses bessere Deutschland aussehen wird, weiß niemand. Die historischen Beispiele lassen nichts Gutes ahnen. Jeder Grünen-Wähler sollte sich fragen, ob er dieses neue Deutschland wirklich will.
Bei diesen Phrasenbeispielen muss ich es belassen. Wer mehr wissen will, greife zu Kisslers Buch. Es lohnt sich!