Eine Art Rezension
Von Gastautor Frank Jordan
Bereits die Autorenliste mit Vera Lengsfeld, Imad Karim, Charles Krüger, Thomas Bachheimer und vielen anderen macht klar: Der Name ist Programm: „Wir sind noch mehr“. Wir sind noch viel mehr! Und zwar wir alle. Sie und ich. Mehr als die Anzahl der Mitglieder einer Gruppe. Mehr als „Wir“ und „Die“. Mehr als Teil einer „Seite“. Mehr als „Links“ und „Rechts“. Wir sind Individuen und sollten tun, was zwingend des Individuums bedarf, wenn es Probleme zu lösen gibt: Nach Informationen suchen, analysieren, sich eine eigene Meinung bilden und Lösungen vorschlagen.
Probleme – das dürfte bekannt sein – gibt es zuhauf. Es hat sie immer gegeben und es wird sie immer geben. Die einzige Art sie nachhaltig zu lösen, ist die kritische Diskussion. Der Wettbewerb der Ideen. Nicht sich bekämpfende „Gruppen“ und „Lager“ – das dient nur denen, die sich zu Führern und Lenkern der einen oder anderen Seite aufschwingen wollen –, sondern Einzelne, die denken. Und es braucht – das macht bereits das Vorwort des Buches klar – die Offenheit, die Meinungen, die andere sich gebildet haben, anzuhören und zu prüfen. Auch und gerade dann, wenn man die Dinge anders sieht.
Denn wir sind eben mehr. Und die Probleme und Herausforderungen unserer Zeit sind nicht so einfach polarisierbar, wie man sie oft darstellt. Leben, Land und Gesellschaft sind nicht einfach eine Achse, an deren einem Ende das offizielle alternativlos Gute und Richtige ist, während ihr ganzer Rest quasi Vorstufe des real gelebten Alptraums von Unterdrückung, Rassenwahn, Konzentration und Kälte am anderen Ende ist. Das läuft so nicht: Die Mehrzahl der Menschen lebt irgendwo in einer Realität zwischen diesen Extremen. Sie zu politischen Zwecken von Mehrheit und Macht einer Seite zuzuordnen ist nicht nur menschenunwürdig, sondern das Individuum zutiefst verachtend, indem man es zum Füllmaterial eines Kollektivs degradiert.
Das Buch ist denn konsequenterweise auch nicht eine Harmonie-Veranstaltung. So viele Autoren wie hier schreiben, so viele Meinungen sind es auch. Es ist im Grunde eine einzige Aufforderung: Lasst uns streiten! Lasst uns diskutieren. Hier schreiben Menschen, die nachgedacht haben, legen dar, was sie herausgefunden haben, ihre Sicht der Dinge. Zum Teil sich widersprechend, zum Teil sich deckend, zum Teil parallel verlaufend oder sich ergänzend. Der Tenor: Die Probleme, die wir zu lösen haben, sind viel zu wichtig, als dass man es beim gegenseitigen Niederbrüllen bewenden lassen kann. Denn wenn die Sache schiefläuft, dann gilt, was auch für Meinungen gilt: Es sind Individuen, die leiden, und nicht „Seiten“, „Lager“ oder Gruppen.
Die Auswahl der Themen, mit denen sich die Beiträge des Buchs befassen, sind ein Spiegelbild dieses Credos. Denn auch hier gilt: Wir sind viel mehr. Mehr als Migrationskritik, mehr als Zukunftsangst und Vergangenheitsbewältiger, mehr als Partei-Sympathisanten, mehr als Bürger einer Demokratie, mehr als eine Nation, mehr als „arm“ oder „reich“, mehr als „Täter“ und „Opfer“, mehr als irgendeine Gesinnung, mehr als Islam-Kritiker. Hier wird nicht weniger als der Versuch angetreten, das Große Ganze zu erfassen. Und zwar auch und gerade mit einem kritischen Blick auf das, was oft vollkommen ungerechtfertigterweise viel zu kurz kommt: die Frage nach der Finanzierbarkeit und damit nach dem wirtschaftlichen Umfeld, nach Wohlstand und damit nach Frieden, nach dem Wert unseres Geldes. The economy, stupid. Denn ob man es nun gern hört oder nicht: Am Ende entscheidet sich das Schicksal einer Gesellschaft, eines Staats immer daran: Wer bezahlt, wie und womit. Wenn es gut laufen soll, braucht es wirtschaftliche Freiheit, solide Währungen und Rechtssicherheit. Eigentum, Recht, Freiheit. Dass ausgerechnet durch diese eine Gesellschaft und ihre Individuen die zur Zukunft befähigenden Kriterien politisch und medial nicht nur „links liegengelassen“, sondern mehr und mehr verteufelt und abgeschafft werden, sollte für jeden der Grund sein, sich umso intensiver damit zu befassen. Sich selbst zuliebe.
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