Dieser Text ist bereits vor 7 Jahren entstanden. Er beschreibt die Geschichtsklitterung, die in der Gedenkstätte im ehemaligen NKWD-Gefängnis Potsdam in der Dauerausstellung betrieben wird. Nach der dubiosen Tagung in den Räumen der Amadeu Antonio Stiftung über den angeblichen „rechten Rand der DDR-Aufarbeitung“ muss befürchtet werden, dass nach diesem Vorbild auch die Dauerausstellungen in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Cottbus und anderswo umgebaut werden sollen.
Dr. Ines Reich und die Verharmlosung des Terrorismus
Über den Widerstand gegen die Verharmlosung der Terrorgeschichte im ehemaligen KGB-Gefängnis in der Potsdamer Leistikowstraße habe ich auf der Achse schon berichtet. Nun war ich neugierig, wie die Ausstellung insgesamt aussieht und machte mich erneut auf nach Potsdam.
Eigentlich hatten wir an einer Führung teilnehmen wollen, aber unsere Anmeldung zwei Tage zuvor war als zu kurzfristig abgelehnt worden. Öffentliche Führungen für Einzelpersonen gibt es sowieso nicht, Gruppenführungen kosten 59 Euro, auch wenn es nur zwei oder drei Interessenten gibt.
Empfangen werden wir von einem freundlichen Mitarbeiter der Security-Firma, die das Gebäude bewacht. Offenbar hat sie auch den Kartenverkauf übernommen. Nicht eine auskunftsfähige Person ist an diesem Sonntag in Sicht. Die Besucher sind mit der Ausstellung allein.
Am Kassentresen kann man einen Flyer über „Das sowjetische Militärstädtchen Nr. 7“ gegen eine Spende an die Stiftung erwerben. Seltsam: „Militärstädtchen“ ist der Jargon der SED-Genossen. Eigentlich sollte sich hier eine Gedenkstätte für die Inhaftierten des KGB-Gefängnisses befinden. Auf der Internetseite wird als Stiftungszweck ausdrücklich genannt, dass an das „im ehemaligen sowjetischen Militärgefängnis geschehene Unrecht und an die Opfer“ erinnert werden soll. Opfer im „Militärstädtchen“? Im Stiftungs-Flyer weist kaum etwas auf sie hin. Stattdessen ist ausführlich von den Spionageabwehraufgaben der Sowjets die Rede. Kein Wort vom Terror, der hier an Unschuldigen verübt wurde.
Schon in der Eingangshalle geht die Verharmlosung los. In einer Vitrine wird summarisch auf das Schicksal des Gulag-Häftlings Peter Seele hingewiesen. Ins Auge fällt ein Foto, auf dem Seele im Entlassungslager Fußball spielt. Da kann doch alles nicht so schlimm gewesen sein? Dieser Eindruck soll offenbar beim Besucher erzeugt werden. Wie ein roter Faden zieht sich die Verharmlosung durch die gesamte Präsentation.
Schon auf dem Hof, wo auf die Fundamente der Freigangszellen verwiesen wird, fehlt der Hinweis, dass es Freigang für die Gefangenen bis 1952 nicht gab.
In einem der ersten Ausstellungsräume findet sich eine ausführliche Darstellung der Tätigkeit der Brandenburgischen Frauenhilfe. Als Referenz an die Eigentümer, die ihr Haus als Gedenkstätte zur Verfügung gestellt haben, ist das durchaus akzeptabel. Allerdings wird an vielen anderen Stellen immer wieder auf die Nutzung durch die Brandenburgische Frauenhilfe verwiesen, oft an erster Stelle, was den eigentlichen Zweck der Gedenkstätte verdeckt.
Es ist dem langjährigen, hartnäckigen Kampf der Zeitzeugeninitiative zu verdanken, dass im Erdgeschoß ausführlich ehemalige Häftlinge in Interviews zu Wort kommen. Allerdings ist der ursprüngliche Charakter der Zellen kaum noch zu erkennen, denn die Verdunkelungen der Zellenfenster wurden entfernt. Zwar findet man in Zelle zehn eine Skizze des ehemaligen Gefangenen Martin, wie diese Verdunkelungen ausgesehen haben. Einen Eindruck, was sie bewirkt haben, bekommt der Besucher allerdings nicht. Dazu trägt auch die unprofessionelle Beleuchtung bei, die bewirkt, dass die Zellen viel zu freundlich aussehen.
In Zelle 11 hängt ganz deplatziert eine sowjetische Soldatenbluse aus den 70er Jahren und bleibt dem Betrachter prominent in Erinnerung. Weniger im Gedächtnis bleibt dagegen die Schilderung der Haftbedingungen der 40er/50er Jahre in diesem Raum. Schon mit der Satzstellung: „Toilettenpapier, Kämme, Hygieneartikel“…usw. „gab es ebenso wenig“, wird versucht abzumildern, was sich hier abgespielt hat. Die Häftlinge mussten sich Stoffstreifen aus ihrer Kleidung reißen, um sich nach der Benutzung des offenen Kübels zu säubern. Diese Stofffetzen versuchten sie, immer wieder zu waschen, oft mit Resten ihres täglichen Getränks.
Weiter ist von „wenig nahrhaftem Brot“ die Rede, ein Euphemismus für das klatschnasse Schwarzbrot, das hier in so geringen Mengen ausgeteilt wurde, dass die Häftlinge permanent quälenden Hunger litten.
Im ehemaligen Wachraum wird auf die Freigangszellen verwiesen. Erst ganz weit unten im Text wird informiert, daß es Freigang in den ersten Jahren gar nicht gab. Dagegen wird von einem „Toiletten-, und Waschtrakt“ berichtet, der sich seit 1948 im Hof befunden haben soll, an den sich die Gefangenen dieser Jahre aber nicht erinnern können. Deshalb wohl der Zusatz, vielen Gefangenen sei die Nutzung verwehrt geblieben. Ein unkundiger Besucher kann eine solche Information nicht einordnen.
Ein ähnliches Verwirrspiel findet im „Sanitärraum“ im ersten Stock statt. Besucher, die genügend Geduld aufbringen, sich durch die Informationen zur Frauenhilfe, die in diesem Raum dereinst ihren „Boten“ verpackt haben soll, zu lesen, erfahren, dass die Duschen, die es ab den 70er Jahren für die Gefangenen gab, dem „Standart der sowjetischen Kasernen“ entsprochen haben. Beim Besucher bleibt hängen, daß, so schlimm alles war, die Sowjet-Soldaten es auch nicht besser hatten. Immer wieder wird die „Nutzungsgeschichte“ eines Raumes der Erläuterung, wozu er dem KGB diente, voran gestellt. Dann bleibt kein Platz mehr für Erklärungen, was z.B. Isolationshaft bedeutet, oder für Erlebnisberichte z.B. aus den Einzelzellen. Statt Hinweisen auf den Gulag findet man immer wieder Verweise auf Festschriften und sonstige Aktivitäten der Frauenhilfe.
Bei der Dokumentation von Häftlingsschicksalen im Obergeschoß überwiegen die Darstellungen von NS-Verbrechern, Kriminellen, Menschen, die tatsächlich „Spionagedelikte“, wenn auch nur im weitesten Sinne, begangen haben. Als besonders skandalös empfinde ich, dass in einer Vitrine das Schicksal einer vom KGB verfolgten sowjetischen Jüdin neben das Schicksal eines KZ-Kapos, der wegen seiner Verbrechen an Häftlingen einsaß, dokumentiert wird. Hinweise auf die zu Unrecht Verfolgten findet man nur versteckt. So werden die zum Tode verurteilten Schüler, die den Russischunterricht geschwänzt hatten, nur am Rande erwähnt. Es werden fast nur Überlebende dokumentiert. Dem Schicksal der zum Tode Verurteilten wird kein eigener Raum gewidmet, wie es bei den Inhaftierten der 70er Jahre, die wegen krimineller Delikte, wie Diebstahl, einsaßen, der Fall ist. Ein Hinweis auf das Gulag-System, in das die meisten Gefangenen verbracht wurden, fehlt völlig. Eine regelrechte Geschichtsfälschung stellt die Tafel „Häftlinge von 1945-1947“ dar. Die Aufzählung suggeriert, es seien überwiegend Nazi-, und Kriegsverbrecher verhaftet worden, daneben Spione und höchstens aus „übersteigerter Angst“ könnten eventuell Unschuldige in die Fänge der sowjetischen Geheimpolizei geraten sein. Das stellt die Tatsachen auf den Kopf und verschweigt die massenhafte Inhaftierung und Verurteilung von Unschuldigen. Schließlich sind über 80% der ehemaligen Insassen der Leistikowstraße rehabilitiert worden. Kurz, in der Anlage der Präsentation soll der Eindruck erweckt werden, hier hätten überwiegend Menschen gesessen, die zu Recht verhaftet wurden.
Eine Geschichtsfälschung ist auch die Präsentation in den Vernehmerzimmern. Die ausführlich dokumentierten Fallbeispiele des Überläufers Goldfarb betreffen nur Kriegsverbrecher und wirkliche Spione, keine einzigen Unschuldigen. Obwohl auf die mangelnde Glaubwürdigkeit der Aussagen von Goldfarb verwiesen wird, bleibt die Frage, wieso ein zweifelhafter Zeuge so ausführlich zu Wort kommt.
Grotesk sind auch die dokumentierten Erinnerungen an die Vernehmer. In drei von vier Beispielen waren die Vernehmer „eigentlich ganz nett“, „jovial“, wirkten „wie ein Lehrer“, gestatteten Blicke auf das sich färbende Herbstlaub. Bei so viel Idylle fragt sich der Besucher, wieso, nach Aussage des Dolmetschers Goldfarb, die sowjetische Geheimpolizei eigentlich jedes Geständnis bekam, das sie sich wünschte. Nur in einem Fall wurden Schläge des Vernehmers dokumentiert. Kein Hinwies auf die Verhaftungs-, und Geständnisquoten, die von den Vernehmern zu erfüllen waren. Kein Hinweis auf die Biografien von Bodo Platt und Hergart Wilmanns, oder die umfangreiche Zeitzeugendokumentation, die authentische Berichte über die perfiden Verhörpraktiken enthalten. Um die Desorientierung des Besuchers vollständig zu machen, werden Verhörpraktiken und Spionageabwehr kräftig vermengt. Unterschwellige Botschaft: Was hier geschah diente dem legitimen Sicherheitsinteresse der Sowjets.
Zur Abrundung des Bildes sei erwähnt, dass der einzig authentisch erhaltene Kellerteil, wo die Besucher Zellen sehen könnten, wie sie tatsächlich waren, gesperrt ist, angeblich, weil es nicht möglich gewesen sein soll, einen vom Brandschutz geforderten zweiten Notausgang anzulegen. Jeder Laie kann sehen, dass dies nicht zutrifft. Es ist wohl eher so, dass die Besucher von diesem Anblick fern gehalten werden sollen.
Fazit: Schon die erste Prüfung zeigt, dass die Präsentation der Ausstellung mit Wissenschaftlichkeit nur insofern zu tun hat, als man sie im marxistischen Sinne verstehen will als Mittel, die Wirklichkeit zu verdecken. Frau Dr. Reich hat ganz im Sinne des kommunistischen Propagandisten Willi Münzenberg gewirkt, mit Halbwahrheiten einen gewünschten Eindruck zu erzielen. Allerdings steht dieser Eindruck im klaren Gegensatz zum Stiftungsauftrag und stellt eine Verharmlosung des Terrors dar.