Wie uns die ARD auf Spur bringen will, wie wir mit dem Staatsfunk zur Sekte verklumpen, und was die Grünen dazu lehren / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Nichts ist blamabler für den Falschspieler, als beim Tricksen aufzufliegen. In Wildwestfilmen knallt’s dann meistens, und der Halunke liegt tot auf dem Dielenboden. Es sei denn, er ist der Boss im Dorf, zu groß und zu mächtig und obendrein stets von seinen grimmigen Gorillas umringt. Dann stirbt normalerweise der Entdecker des Betrugs. Oder gar keiner.
Die ARD muss also nicht fürchten, eingestampft zu werden, nur weil ihr falsches Spiel unglückseligerweise vor aller Welt entblättert wird. Erinnern Sie sich an all die Kampagnen der Staatssender gegen die „dumpfen Gefühle“ der Deutschen? Die Sendung „Panorama“ sagte dem Prinzip „Emotionen statt Fakten“ emphatisch den Kampf an. Die ARD erfand ihren eigenen „Faktenfinder“, um die „gefühlte Wahrheit“ der finsteren Populisten mit nackten Tatsachen niederzuringen.
Und nun das: Zum Ärger des staatlichen Senderverbundes ist eine Handreichung (englisch „Manual“ genannt) in die Öffentlichkeit gelangt, welche ARD-Mitarbeitern erklärt, mit welchen Mitteln sie ihren Laden gegenüber dem Volk verteidigen sollen. Und was lesen wir da? Von wegen „Fakten“, die Einleitung kommt gleich auf den Punkt: „Wenn Sie (als ARD-Mitarbeiter) Ihre Mitbürger dazu bringen wollen, den Mehrwert der ARD zu begreifen, … dann muss Ihre Kommunikation immer in Form von moralischen Argumenten stattfinden.“
Mit anderen Worten: Die Staatsfunker sollen gar nicht erst versuchen, uns mit kühlen Fakten von der Notwendigkeit ihres zwangsfinanzierten Milliardenkonzerns zu überzeugen. Sie sollen uns moralisch in die Ecke drücken, damit wir ihnen besinnungslos aus der Hand fressen. Oder uns, falls wir ihnen als Kritiker des Staatssendersystems auffallen, ein schlechtes Gewissen machen.
Verfasst hat das „Manual“ Sprachforscherin Elisabeth Wehling. In ihrer Handreichung findet sich ein ganzes Arsenal an Propagandawaffen. Über allem flattert die Parole „Die ARD ist Gesellschaft: Wir sind Ihr!“
Ja, haben Sie das nicht gewusst? Sie sind die ARD, und die ARD ist Sie! Wir sind alle eins. Das Volk und seine (mediale) Führung sind nicht bloß verschmolzen zu einem unbezwingbaren Block der Guten und Gleichen, nein, besser noch: Die beiden sind identisch.
Deshalb müssen die Staatsfunker dem Volk auch nicht mehr zuhören, sie sind schließlich selbst das Volk. Und was ist nun mit der verhassten Zwangsgebühr? Ganz einfach: Die gibt es laut ARD-Mitarbeiter-„Manual“ gar nicht. So wenig wie es bis vor knapp 30 Jahren einen „Zwangsumtausch“ für Westdeutsche bei Reisen in die DDR gab. Wem das „Z-Wort“ an der Grenze unvorsichtigerweise herausrutschte, dem fuhr der Grenzer barsch über den Mund: „Einen Zwangsumtausch gibt es nicht. Das heißt verbindlicher Mindestumtausch!“
Da geht die ARD-Handreichung noch einen großen Schritt weiter, denn künftig sollen Mitarbeiter der staatlichen Sendeanstalten nicht einmal mehr das Wort „Rundfunkabgabe“ aussprechen. Stattdessen seien die 17,50 Euro als „eine proaktive, selbstbestimmte (da demokratisch entschiedene) Beteiligung der Bürger am gemeinsamen Rundfunk ARD“ zu bezeichnen. Oh ja, „selbstbestimmt“.
Die Herolde der Staatssender sollen überhaupt niemals von „bezahlen“ reden, sondern von „ermöglichen“: Die ARD sei ein „von Bürgern ermöglichtes Rundfunksystem“. Wenn Ihnen demnächst jemand in der Fußgängerzone das Portemonnaie entreißt, dann haben Sie ihm den Reibach eben „ermöglicht“.
Aber nein, der Vergleich ist polemisch, schließlich − eben erst hat man uns darauf aufmerksam gemacht − wurde unsere finanzielle „Beteiligung“ ja „demokratisch entschieden“.
Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Was demokratisch entschieden wurde, kann genauso demokratisch auch ganz anders entschieden werden. Das macht den Spitzenverdienern in den Staatssendern natürlich Angst, weshalb man sich für die Flucht nach vorn entschieden hat. Das „Manual“ bezeichnet seine Empfehlungen ganz offen als „Framing“. Da ist Englisch für „Einrahmen“ und beschreibt eine Methode der Kommunikation.
Darüber, was diese Methode ausmacht, gibt es viele ausführliche Beschreibungen. Wir machen es kurz: „Framing“ ist das Einlullen von Leuten mithilfe von Formulierungen, welche das Denken und Fühlen steuern, ohne dass es die Betreffenden bemerken. Auf deutsch: Beschiss und Manipulation.
Damit wir, die Gesellschaft der „Ermöglicher“ des „gemeinsamen Rundfunks“, nicht auf eigene Gedanken kommen, will man uns das Hirn rettungslos zukleistern. So soll sichergestellt werden, dass wir im Falle einer „demokratischen Entscheidung“ (sollte es jemals dazu kommen) Folgsamkeit zeigen.
Die angemaßte Gemeinsamkeit von ARD und Volk kommt daher wie die heiter-debile Einigkeit durchtriebener Sektenführer mit ihren geistig verstrahlten Jüngern. Letztere „ermöglichen“ ihren Anführern ja auch ein Leben in Saus und Braus, wofür die Gurus sie belehren und schurigeln dürfen. Die Belehrung soll sicherstellen, dass die Jünger niemals aufwachen und erkennen, wie sie gelinkt werden. Daher argumentieren die Gurus auch nie mit harten Fakten, sondern „immer in Form von moralischen Argumenten“, siehe oben.
Allerdings sorgen gewitzte Sektenführer dafür, dass ihre Tricks nicht bekannt werden. Jedenfalls nicht bei ihren zahlenden Jüngern. Daher dürfte die Aufdeckung des „Manuals“ bei den mächtigen Machern in den Chefetagen der ARD heftiges Erbrechen ausgelöst haben. Beim Heucheln und Manipulieren mit vorgeblicher „Moral“ erwischt zu werden, ist peinlich. Außerdem schränkt es die Wirkung der Operation möglicherweise ein. Sobald ein ARD-Sprecher eine der zahllosen Formulierungsvorschläge aus dem „Manual“ tatsächlich benutzt, könnte er sich hämischem Grinsen ausgesetzt sehen. Die erhoffte Manipulation wäre futsch.
In so einem Falle gibt es nur einen Ausweg: Man muss eben noch lauter, noch penetranter und noch anmaßender auftreten als geplant. Die Grünen machen es den Staatsfunkern täglich vor, wie das geht. Der immer lesenswerte Blogger Dushan Wegner rief dieser Tage eine aufschlussreiche Untersuchung aus dem Jahre 2014 ins Gedächtnis. Danach benutzen Grünen-Wähler häufiger das Flugzeug als die Anhänger aller anderen Parteien. Gut, zumindest, soweit die Studie das aussagen kann, denn nach FDP- und AfD-Wählern wurde nicht gefragt. Die Liberalen schienen damals so gut wie tot und die AfD war noch zu klein und frisch.
Nach der Studie haben 49 Prozent der Grünen-Wähler angegeben, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten in einem Flugzeug gesessen hätten, gefolgt von Linkspartei-Anhängern mit 42, denen der Union mit 36 und SPD-Wählern mit 32 Prozent.
Auf die Frage indes, ob sie es gut fänden, dass sich heutzutage so viele Menschen Flugreisen leisten könnten, antworteten Unions- und SPD-Wähler zu je 77 Prozent mit Ja sowie 69 Prozent der Wähler der Linkspartei. Unter den Grünen-Wählern freuen sich dagegen nur 48 Prozent darüber, dass in unserer Zeit das Fliegen für breite Schichten erschwinglich geworden ist.
So, so: Wir fliegen nach Lust und Laune, aber dass die anderen das auch können, finden wir doof. Die Untersuchung sollte die Grünen eigentlich zu peinlich berührter Bescheidenheit anhalten. Oder? Weit gefehlt: In den viereinhalb Jahren seit dem Erscheinen der Studie hat die Partei beim Belehren und Schurigeln der Deutschen nie gekannte moralische Höhen erklommen. Und sie ist dabei auch noch so beliebt geworden wie niemals zuvor.
Die sagenhafte Popularität der Grünen lässt sich gut erklären: Das Angebot, Wein trinken und Wasser predigen zu dürfen, ohne auch nur ein Jota seiner „moralischen Überlegenheit“ zu gefährden, ist einfach unschlagbar.